Abgabe unbrauchbarer Masken, Spendentricks, Herkunftstäuschung. Jan Böhmermann deckte im ZDF skandalöse Vorgänge um Fynn Kliemann auf. Was droht dem Instagram-Star strafrechtlich? Teil 1 über Masken aus Bangladesch statt Portugal.
Auch bei Charakteren, die Medien und Publikum als "everybodys darling" sehen, lohnt sich ein investigativer Blick auf die Einlösung ihrer Authentizitätsversprechen. Deckte das Magazin StrG_F vor ein paar Jahren auf, dass Joko und Klaas in Wirklichkeit Fake-Storys machten, Emotionen nur vorspielten, Schauspieler als Protagonisten einsetzen, lässt die Recherche vom Team des ZDF Magazin Royale zum Unternehmer und Instagram-Star Fynn Kliemann nun ebenfalls eine Fassade zusammenbrechen. Doch diesmal möglicherweise mit strafrechtlicher Relevanz.
Die folgende Darstellung versteht sich als erste strafrechtliche Gedanken zu den bisher bekannten Vorfällen rund um die Herkunftstäuschung in Bezug auf die Masken. Es handelt sich nicht um eine abschließende Bewertung des Autors.
Gutes Tun – für Image und Geldbeutel
Als 2020 der Maskennotstand in Deutschland eintrat, sah Kliemann dies als Gelegenheit, (seinem Image) Gutes zu tun. Er machte zusammen mit seinem Geschäftspartner Tom Illbruck von Global Tactics Maskendeals in Millionenhöhe. Doch es musste schnell gehen – und schnell ging es vor allem in Bangladesch und Vietnam.
Allerdings passte es nicht zum Saubermann-Kliemann und (bis Samstag) Träger des deutschen Nachhaltigkeitspreises, Masken in Asien produzieren zu lassen – und das zu Niedrigstlöhnen. Und so verkündete er öffentlich, die Masken würden fair in Europa hergestellt, nämlich in Portugal und Serbien, was nur teilweise stimmte. 2,3 Millionen Masken wurden in Asien produziert. Kliemann selbst schimpfte andere Anbieter "Profitgeier" und behauptete, seine Masken zum Selbstkostenpreis abzugeben. Doch, wie er inzwischen auch einstand, erwirtschaftete er tatsächlich einen hohen Gewinn, nach eigenen Angaben in Höhe von einer halbe Millionen Euro, womöglich mehr.
Betrug auch im Rechtssinne?
"Maskenbetrug" nennt das ZDF die Vorfälle. Umgangssprachlich lässt sich dies sagen. Doch liegt auch ein Betrug im Rechtssinne vor? Der Betrug nach § 263 Strafgesetzbuch (StGB) verlangt zunächst eine Täuschungshandlung, konkret das kommunikative Einwirken auf andere Personen mit dem Ziel, eine Fehlvorstellung über Tatsachen zu bewirken. Diese Täuschungshandlung kann in diversen Äußerungen, in denen Europa als Herkunftsland der Masken unter fairen Produktionsbedingungen bezeichnet wurde, etwa ein Emblem auf seiner Website, unzweifelhaft gesehen werden.
Weiter verlangt der Betrug einen Irrtum, also eine tatsächliche Fehlvorstellung über Tatsachen – hier auf Seiten der Käufer der Masken. Bei Käufern, die sich keine Gedanken über die Herkunft gemacht haben, fehlt es hieran. Doch wer den Herkunftshinweis Europa gelesen hat, irrt über Tatsachen, wenn ihm stattdessen eine Maske aus Bangladesch geliefert wird.
Kliemann selbst behauptet, in seinem Shop wären tatsächlich nur Masken aus Europa verkauft worden. Doch jedenfalls das Unternehmen About You hat nach eigenen Angaben auf die Herkunfts-Aussagen vertraut. "Dass die Masken teilweise nicht in Europa produziert wurden, war uns bis heute nicht bekannt", so Co-Chef Tarek Müller am vergangenen Freitag bei Twitter.
Nur so erklärt sich auch, warum Kliemann und seine Geschäftspartner darauf geachtet haben sollen, dass Kartons mit Masken Bangladesch nicht als Herkunftsland aufwiesen und ggf. umgelabelt werden sollten. Insoweit spielt – anders als Kliemann offenbar meint – auch keine Rolle, ob er selbst an dem Unternehmen Global Tactics, dass die Masken nach Deutschland einfuhr, zu diesem Zeitpunkt nicht beteiligt war. Abgesehen davon, dass es auf den Verkauf und nicht auf den Einkauf ankommt, kann Täter eines Betruges sogar eine Person sein, die – anders als Kliemann – wirtschaftlich überhaupt nicht selbst profitiert, wie das subjektive Merkmal der Drittbereicherungsabsicht in § 263 StGB zeigt.
Irrtum: Herkunftsangabe für Kauf entscheidend?
Die für den Betrug erforderlich Vermögensverfügung ist ein Verhalten, was sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt. Dies ist im Abkauf von Masken aus Bangladesch unproblematisch zu sehen.
Allerdings verlangt der Betrugstatbestand auch die Kausalität des Irrtums für die Vermögensverfügung. Die Vermögensverfügung muss irrtumsbedingt sein. Das heißt, wer die Masken ohnehin gekauft hätte, auch in Kenntnis von Bangladesch als Produktionsland, kann kein Opfer einer etwaigen Betrugstat sein.
In Bezug auf alle Personen, die sich hingegen für den Kauf der Maske auch vor dem Hintergrund ihres vermeintlichen Produktionsorts "Europa" und den guten Arbeitsbedingungen entschieden haben, liegt jedoch eine strafrechtlich relevante Vermögensverfügung vor.
Vermögensschaden: Maske ist Maske?
Zuletzt verlangt der Betrugstatbestand objektiv einen Vermögensschaden auf Seiten des Käufers. Wenn für die Vermögensminderung (also die Geldzahlung) eine Kompensation erfolgt, liegt in der Regel kein Vermögensschaden vor. Hier haben die Käufer Geld ausgegeben und dafür Masken bekommen. Ein Vermögensschaden läge nur dann vor, wenn Masken aus Asien einen geringen objektiven Wert haben als Masken aus Europa bzw. für die Verbraucher gar nicht oder weniger brauchbar wären.
Allein die Herkunftstäuschung führt also nicht zum Vermögensschaden. Der Bundesgerichtshof nimmt konsequent einen Vermögensschaden bei Herkunftstäuschung nur dann an, wenn die Herkunft tatsächlich ein wertbildender Faktor ist (BGH, Beschl. v. 23.02.1982, Az. 5 StR 685/81). Insgesamt waren die von Kliemann vertriebenen Masken im Gegensatz zu so manchem sehr hohen Angebot im Internet weiterhin vergleichsweise günstig, wurden offenbar für 0,98 Euro an Großhändler abgegeben.
Überteuerte Masken?
Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass die verkauften Masken aus Bangladesch von minderer Qualität waren als Vergleichsprodukte aus Europa (bis auf die unbrauchbaren Masken, die gespendet worden sein sollen). Portugal und Serbien sind auch nicht zwangsläufig für bessere Maskenproduktion bekannt als andere Produktionsgebiete.
Allerdings könnte auch die behauptete Produktion zu fairen Arbeitsbedingungen einen wertbildenden Faktor darstellen. Letztlich werden hier etwaige Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zeigen, ob zu dieser Zeit Masken aus Asien in Deutschland günstiger und von Kliemann überteuert verkauft wurden. Sehr wahrscheinlich ist das nicht, zumal die Produktionskosten nach – noch zu überprüfenden – Angaben von Kliemann in Bangladesch nicht teurer gewesen sein sollen als in Serbien und Portugal, nämlich 0,40 bis 0,50 Euro pro Maske. Auch Global Tactics-Geschäftsführer Tom Illbruck bestätigte dem ZDF Magazin Royale auf Anfrage, dass in Bangladesch Masken für 40 Cent je Stück produziert wurden.
Fingierter Vermögensschaden wegen Zweckverfehlung?
Bleibt die Prüfung nach der sogenannten Zweckverfehlung. Ausnahmsweise wird das Ergebnis "kein Vermögensschaden" von der Rechtsprechung normativ korrigiert, wenn der mit der Vermögensverfügung erzielte Zweck nicht erreicht wird. Die Zweckverfehlung gilt jedoch nur für Fälle, in denen kein wirtschaftlicher Ausgleich stattfindet, etwa eine Spende oder der Abverkauf von fast wertlosen Gegenständen aus rein karikativen Bestrebungen.
Bei einem Maskenkauf könnte dies allenfalls nur angenommen werden, wenn Personen die Maske eigentlich nicht kaufen wollten, sondern damit etwa Arbeitsplätze in Europa erhalten wollten. Dies ist beim Kauf von dringend benötigten Masken zur Möglichkeit der Teilnahme am öffentlichen Leben fernliegend. Die Lehre von der Zweckverfehlung greift hier wohl nicht.
Betrug wegen Lüge des Verkaufs zum Selbstkostenpreis?
Die Lüge von Kliemann, die Masken zum Selbstkostenpreis zu verkaufen, ist für den Betrugstatbestand nur dann relevant, wenn Käufer gerade aus diesem Grunde Masken bei ihm kauften. Dass es hierzu vielfach gekommen ist, liegt nahe.Kliemann wird nicht ohne Grund hiermit geworben haben.
Allerdings ist auch hier der Vermögenschaden nach den obigen Ausführungen sehr fraglich. Möglicherweise ließe sich ein Schaden dann annehmen, wenn nachweisbar ist, dass Masken an anderer Stelle erheblich günstiger zu erwerben waren und Käufer gerade wegen der Werbeaussage des Verkaufs zum "Selbstkostenpreis" davon abgesehen haben, nach günstigen Vergleichsangeboten zu schauen. Erneut wird es bei Ermittlungen darauf ankommen, wie die Preisstruktur von Maskenverkäufen im Verkaufszeitraum aussah.
Erstes Ergebnis: Keine Betrugsstrafbarkeit wegen Herkunftstäuschung
Insgesamt ist nach erster Prüfung die Annahme eines Vermögenschadens auf Seiten der Käuferinnen und Käufer eher unrealistisch. Aus diesem Grund dürfte es an einer Betrugsstrafbarkeit von Kliemann und seinen Geschäftspartnern fehlen. Etwaige weitergehende Erkenntnisse auch durch das ZDF-Team um Jan Böhmermann und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft können allerdings zu einer Neubewertung führen.
Im Übrigen: Wettbewerbswidrig ist die Herkunftstäuschung in jedem Falle (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1* Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)), so dass Mitbewerber mindestens Unterlassungsansprüche gegen Kliemann durchsetzen können. Aber auch die im Wettbewerbsrecht verankerte Strafnorm der unzulässigen Werbung nach § 16 UWG ist hier nicht einschlägig, sondern betrifft andere Fälle.
Erfüllung anderer Strafdelikte möglich
Bei der Frage nach der Betrugsstrafbarkeit der Maskentäuschung handelt es sich nur um einen von mehreren Vorwürfen gegen Kliemann.
Den Fragen, wie die Abgabe von unbrauchbaren Masken an Flüchtlingsheime strafrechtlich zu beurteilen ist und ob sich Kliemann mit seiner vermeintlichen "Spenden"-Aktion für Hotelübernachtungen für Bedürftige strafbar gemacht haben kann, könnten ebenfalls Gegenstand etwaiger Ermittlungen werden.
* Hier stand zuvor § 4 Nr. 3 a) UWG, der aber i.G.Z. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG nur die Herkunftstäuschung in Fällen der Nachahmung betrifft.
Masken aus Bangladesch statt Portugal: . In: Legal Tribune Online, 09.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48383 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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