Mit einem umfangreichen Gesetzespaket will Bundesjustizministerin Lambrecht Kinder besser vor Sexualstraftaten schützen. Nun liegt der Referentenentwurf vor. Darin enthalten sind auch mehr Befugnisse für die Ermittler.
Das Bundesjustizministerium (BMJV) hat einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vorgelegt. Nun können Länder und Verbände bis zum 14. September dazu Stellung nehmen.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte bereits im Juni ein umfangreiches Gesetzespaket mit neu geregelten Straftatbeständen zu sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Kinderpornografie angekündigt – nachdem vor allem aus der Union vor dem Hintergrund der Kindesmissbrauchsfälle in Nordrhein-Westfalen Rufe nach schärferen Strafen laut wurden.
Insbesondere sollen die die §§ 176 bis 176b des Strafgesetzesbuches (StGB), die derzeit noch mit "Sexueller Missbrauch von Kindern" überschrieben sind, neu gefasst werden. Künftig heißt es "Sexualisierte Gewalt gegen Kinder", es sind höhere Mindeststrafen und eine neue Abgrenzung der Straftatbestände vorgesehen.
Zungenkuss von Gleichaltrigen soll nicht strafbar sein
An dem Vorhaben von Lambrecht gab es scharfe Kritik aus der Strafrechtswissenschaft, insbesondere an der geplanten Anhebung der Strafrahmen. So drohe eine "Überkriminalisierung der leichten Fälle", sagte etwa der Göttinger Strafrechtsprofessor Dr. Dr. h.c. Kai Ambos, wie etwa der des einvernehmlichen Zungenkusses eines 15-Jährigen bei einer 13-Jährigen.
Der Referentenentwurf, der LTO vorliegt, reagiert auf diese Kritik mit einer Ergänzung des neu gefassten § 176 StGB vor: Demnach kann das Gericht von der Strafe absehen, "wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus." In der Begründung des Entwurfs heißt es dazu, auf "gleichrangige Interaktionen zwischen jungen Menschen, die Teil der sexuellen Entwicklung sind", solle nicht unverhältnismäßig reagiert werden.
Der Entwurf schlägt vor, den bisherigen Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Straftatbestände aufzuspalten: Der Grundtatbestand "Sexualisierte Gewalt gegen Kinder" im neuen § 176 StGB soll künftig mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu 15 Jahren geahndet und damit zum Verbrechen hochgestuft werden. Nach dem neuen § 176a StGB soll sexualisierte Gewalt ohne Körperkontakt mit dem Kind mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft werden. § 176b StGB soll die Vorbereitung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder erfassen, demnach wird mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wer mit bestimmten Inhalten auf das Kind einwirkt, um es zu sexuellen Handlungen zu bringen oder ein Kind zum Missbrauch anbietet.
Höhere Strafen für Kinderpornografie
Auch das Verbreiten und der Besitz von Kinderpornografie soll ein Verbrechen werden, allerdings nur, wenn tatsächlich sexualisierte Gewalt gegen Kinder dahintersteht. In diesen Fällen soll eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren gelten. Wird dagegen "kein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen" wiedergegeben, soll es bei dem bisherigen Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren bleiben. In solchen Fällen geht es um fiktive Kinderpornografie, etwa um Comics.
Ähnlich wie schon beim sogenannten "Cybergrooming" soll der Straftatbestand des Vorzeigens kinderpornografischer Inhalte als Versuch auch dann strafbar sein, wenn der Täter zwar glaubt, er habe es mit einem Kind zu tun, aber tatsächlich mit einem Polizisten oder einem Elternteil kommuniziert.
Der Entwurf schlägt zudem vor, die bisherige Regelung für minder schwere Fälle beim Straftatbestand des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu streichen. Das Unrecht der Tat solle sich bei den Verurteilungen wegen schwerer sexualisierter Gewalt gegen Kinder stärker als bisher im Strafmaß widerspiegeln, heißt es in der Begründung.
Neue Ermittlungsbefugnisse
Vorgesehen ist auch eine Erweiterung der Ermittlungsbefugnisse. Da der Referentenentwurf vorschlägt, den Grundtatbestand der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Kinderpornografie, die tatsächliche sexualisierte Gewalt zeigt, als Verbrechen einzustufen, soll auch in diesen Fällen die Telekommunikationsüberwachung, die Online-Durchsuchung sowie die Erhebung von Verkehrsdaten (Vorratsdatenspeicherung) möglich sein.
Unter anderem die Innenminister der Länder, aber auch Bundesfamilienministern Franziska Giffey (SPD), hatten gefordert, die Vorratsdatenspeicherung bei der Bekämpfung von Kinderpornografie zu ermöglichen. Lambrecht hatte zunächst angekündigt, eine anstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung abzuwarten.
Der Straftatbestand der schweren sexualisierten Gewalt gegen Kinder gemäß § 176c StGB-E und die sexualisierte Gewalt gegen Kinder mit Todesfolge nach § 176d StGB-E sollen in den Katalog des Untersuchungshaftgrundes der Schwerkriminalität in § 112 Absatz 3 StPO aufgenommen werden.
Vorgesehen sind außerdem weitere Regelungen, die insbesondere eine bessere Qualifikation von Familienrichtern, Jugendrichtern und Verfahrensbeiständen sicherstellen sollen.
BMJV-Entwurf zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder: . In: Legal Tribune Online, 28.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42636 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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