Hotels müssen Rechtsextreme nicht aufnehmen, entschied der BGH am Freitag. Die Klage des ehemaligen NPD-Vorsitzenden Udo Voigt hatte dennoch teilweise Erfolg: Wurde die Buchung bereits bestätigt, können Betreiber sich nicht mehr auf die politische Gesinnung des Gasts berufen, um ein Hausverbot auszusprechen. Warum das dem NPD-Mann wenig nutzt, rechtlich aber spannend ist, erklärt Roland Schimmel.
Der damalige Bundesvorsitzende der NPD buchte in einem Wellness-Hotel, in dem er auch zuvor schon Gast gewesen war, ein verlängertes Wochenende. Das Reiseunternehmen bestätigte die Buchung. Einige Wochen später schrieb der Hotelbetreiber dem Gast jedoch, er sei nicht willkommen. Er bot Voigt die Erstattung des bereits gezahlten Preises an. Auf Nachfrage erklärte er, andere Gäste könnten sich daran stören, dass er Vorsitzender einer extremistischen Partei sei. Voigt nahm den Hotelbetreiber gerichtlich auf Widerruf des Hausverbots in Anspruch.
Der Sachverhalt ist unstreitig, die rechtliche Beurteilung aber heikel. Bis zum Bundesgerichtshof (BGH) ging der Politiker, um klären zu lassen, ob die Eigentümerbefugnisse des Hoteliers Vorrang hatten vor der Erfüllung des bereits geschlossenen Vertrages, auf die er sich berief.
Nun haben die Bundesrichter entschieden: Grundsätzlich kann ein Hotelier ein Hausverbot aussprechen, ohne dieses auch nur begründen zu müssen. Auch Unternehmen können, wie der V. Senat dabei ausdrücklich klarstellt, ihr Hausrecht ausüben. Beim Besuch des NPD-Politikers aber half das dem Betreiber des Wellness-Hotels nichts: Etwas anderes gilt nach Auffassung der Karlsruher Richter nämlich dann, wenn der Hausrechtsinhaber sich zuvor vertraglich gebunden hat.
Recht glücklich dürfte Vogt mit dem Verfahrensausgang dennoch nicht sein: Er hat zwar bestätigt bekommen, dass er mit seiner Frau an einem Wochenende im Dezember 2009 im gebuchten Hotel hätte beherbergt werden müssen. Das Hausverbot für die Zukunft aber bleibt wirksam. Und Karlsruhe hat medienwirksam festgestellt, dass jeder Hotelier weiterhin das Recht hat, von vornherein keinen Vertrag mit ihm zu schließen.
Per Hausverbot raus aus dem Vertrag?
In dem Konflikt zwischen Hotelier und Parteivorsitzendem prallen zwei privatrechtliche Grundsätze aufeinander. Die Eigentümerbefugnisse des Hoteliers stehen der Erfüllung des Vertrags gegenüber, auf die Voigt sich berief. Zudem trug er vor, er werde durch das Hausverbot unerlaubterweise diskriminiert.
Auf den ersten Blick ist die Rechtslage unkompliziert: Aus dem Beherbergungsvertrag hat der Gast einen Anspruch auf Erfüllung. Bei ernstlicher Weigerung des Hoteliers, die sich aus dem Hausverbot leicht herauslesen lässt, kann er Schadensersatz fordern. Dessen Höhe ergibt sich etwa aus den Mehrkosten, die ein kurzfristig gebuchtes vergleichbares Wellnesswochenende in einem anderen Hotel verursacht.
Dass nicht der NPD-Politiker, sondern dessen Ehefrau den Beherbergungsvertrag geschlossen hatte, stört nicht: Aus diesem Vertrag zugunsten Dritter hat auch der Ehemann Ansprüche. Ebenso wenig schadet es, dass die Buchung über ein zwischengeschaltetes Unternehmen erfolgte.
Der Vertrag war wirksam und im Nachhinein auch nicht mehr zu beseitigen. Eine Anfechtung wäre selbst dann ausgeschlossen gewesen, wenn der Hotelier die knappe Frist durch eine sofortige Anfechtungserklärung gewahrt hätte. Dennoch hätte er darlegen und beweisen müssen, dass er den Vertrag nicht geschlossen hätte, wenn er gewusst hätte, um wen es sich bei dem Gast handelte. Es ist auch schon nicht ganz leicht zu begründen, ob dessen Position als NPD-Bundesvorsitzender überhaupt eine verkehrswesentliche Eigenschaft ist, die den Hotelbetreiber zur Anfechtung berechtigt hätte. Mit dem Hausverbot versuchte er sich also eine Art Sonderkündigungsrecht zu schaffen, das gesetzlich gerade nicht vorgesehen ist.
Hausverbot für’s Wohlfühlkonzept
Andererseits berechtigt das Eigentum an dem Hotel den Betreiber, andere von diesem auszuschließen. Der Eigentümer eines Gebäudes kann frei entscheiden, wem er den Zutritt gestattet und wem er ihn verwehrt. Gleiches gilt für den Besitzer, also beispielsweise den Pächter, der nicht Eigentümer einer Immobilie ist. Auch er kann sich mit gleichem Ergebnis auf die Besitzvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs berufen.
Das "Hausrecht" gibt regelmäßig also auch die Befugnis, ein "Hausverbot" auszusprechen. Der Inhaber des Hausrechts ist dabei frei in seiner Entscheidung, wie er dieses ausüben möchte, die Gerichte nehmen nur eine Willkürkontrolle vor.
Willkürlich hat der Hotelbetreiber Udo Voigt aber nicht von der Nutzung des Hotels ausgeschlossen.. Er hatte vielmehr schlüssig dargelegt, dass er das Wohlfühlkonzept des Wellnesshotels allein schon durch seine Eigenschaft als (recht bekannter) NPD-Vorsitzender beeinträchtige. Das ist plausibel, auch wenn man sich fragen mag, ob das nicht auch schon für die vorherigen Besuche des Klägers im gleichen Hotel gegolten haben müsste. Rechtlich betrachtet wird man aber weder eine Selbstbindung noch ein widersprüchliches Verhalten des Hotelbetreibers annehmen können.
Keine unzulässige Diskriminierung
Der Hotelbetreiber hat den NPD-Politker nach Ansicht des BGH auch nicht diskriminiert, indem er ihm wegen seiner politischen Überzeugung Hausverbot erteilte. Schon nicht einschlägig sind das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und die zugrundeliegende europäische Richtlinie. Beide verbieten es im allgemeinen Privatrechtsverkehr nicht, andere wegen der Weltanschauung ungleich zu behandeln.
Auf die Grundrechte aber und damit auch auf das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 1 GG kann der Einzelne sich auch im privaten Rechtsverkehr berufen, wenn das Zivilrecht ein Einfallstor dafür bietet. Vogt stützte seinen Anspruch auf Widerruf des Hausverbots auf eine der zivilrechtlichen Generalklauseln, die solche Einfallstore für die Grundrechte sein können: Auf die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB.
Die Abwägung der beiden betroffenen Grundrechtspositionen aber führt nicht zu einem Anspruch des NPD-Politikers, entschieden die Karlsruher Richter. Das Recht auf Gleichbehandlung trete gegenüber den Eigentümerbefugnissen zurück. Für den Hotelbetreiber stehe nämlich sein Wohlfühlkonzept und damit sein Geschäftsmodell in Frage, wenn er Gäste nicht ausschließen könne, für den Politiker gehe es bloß um seine Freizeitgestaltung.
Drum prüfe, wer die Buchung bestätigt
Im Ergebnis aber haben die Karlsruher Richter anders entschieden, weil der Hotelier sich mit der Bestätigung der Buchung bereits vertraglich gebunden hatte. Zwar kann er dann immer noch ein Hausverbot aussprechen. Dieses ist aber nur wirksam, wenn es dafür besonders gewichtige sachliche Gründe gibt.
Solche hatte der Hotelier nicht parat. Das ist wenig verwunderlich, nachdem die früheren Aufenthalte des Parteivorsitzenden in dem Hotel störungsfrei verlaufen waren, es also keinen Anlass gab, anzunehmen, dass er bei diesem Besuch zum Beispiel durch die Äußerung rechtsextremer Thesen Unruhe gestiftet hätte.
Nur in besonderen Ausnahmefällen kann man sich also mit einem Hausverbot aus der Pflicht zur Vertragserfüllung befreien..Warum es für diese Feststellung den BGH brauchte, erklärt sich vielleicht aus dem Klageantrag des ehemaligen Parteivorsitzenden. Vogt forderte nicht, was nahegelegen hätte, die Erfüllung des ursprünglichen geschlossenen Vertrags. Er verlangte auch nicht Schadensersatz wegen Nichterfüllung.
Der NPD-Politiker begehrte stattdessen die Rücknahme des Hausverbots. Da die Gerichte prozessual an den Antrag des Klägers gebunden sind (§ 308 I ZPO), konnte der V. Zivilsenat auch nur darüber entscheiden. Damit rückte das Hausverbot in den Vordergrund, dessen Verhältnis zum zuvor geschlossenen Vertrag wurde zur Nebenfrage. Immerhin hatte das höchste deutsche Zivilgericht die Möglichkeit, eines klarzustellen: Einen "Diskriminierungsschutz für Nazis" gibt es nicht.
Der Autor Prof. Dr. Roland Schimmel ist Rechtsanwalt und lehrt an der Fachhochschule Frankfurt am Main.
Roland Schimmel, BGH zum Hausverbot: . In: Legal Tribune Online, 09.03.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5748 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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