Der BGH hat eine Bank zur Zahlung von Schadensersatz wegen der Verletzung von Beratungspflichten bei Spread Ladder Swap-Geschäften verurteilt. Die von den Prozessvertretern der unterliegenden Bank vor der Entscheidung prognostizierte zweite Finanzkrise dürfte es dadurch wohl nicht geben. Dennoch ändert sich für die Banken Einiges, meint Dr. Dirk Tuttlies.
Eine Überraschung war die Entscheidung der Karlsruher Richter nach der mündlichen Verhandlung nicht mehr. Dennoch kann das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Dienstag eine Lawine ins Rollen bringen, deren Umfang derzeit schwer abschätzbar ist. Der für das Bankenrecht zuständige XI. Zivilsenat hat einem mittelständischen Unternehmen Schadensersatz zugesprochen, weil die Bank beim Abschluss eines so genannten "Spread Ladder Swap-Vertrags" ihre Beratungspflichten verletzt habe (Urt. V. 22.03.2011, Az. XI ZR 33/10 – noch nicht veröffentlicht).
Bei den Spread Ladder Swaps handelt es sich um ein hoch risikobehaftetes Differenzgeschäft, bei dem der Anleger auf steigende langfristige Zinsen gegenüber kurzfristigen Zinsen wettet.
Solche Spread Ladder Swaps hat eine Vielzahl mittelständischer Unternehmen und Kom-munen abgeschlossen, so dass dieses BGH-Urteil eine entsprechende Resonanz haben wird. Auf die Banken könnten damit Schadensersatzansprüche in enormer Höhe zukommen – die am Dienstag zugesprochene Forderung von 540.000 Euro wäre dabei erst der Anfang.
Die Vorinstanzen: Wer (Vor-) Kenntnis hat, ist selber schuld
Die Vorinstanzen, das Landgericht Hanau (LG Hanau v. 04.08.2008, Az. 9 O 1501/07) und das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG Frankfurt a.M. v. 30.12.2009, Az. 23 U 175/08) hatten noch entschieden, dass die Bank bei Abschluss des Spread Ladder Swaps anleger- und anlagegerecht beraten habe.
Vor allem die von dem Anleger geltend gemacht Aufklärung bezüglich des negativen Marktwerts des Swaps in Höhe von 4 Prozent zum Zeitpunkt des Abschlusses sei nicht notwendig gewesen, so die Instanzrichter. Weil das Unternehmen auch schon zwei ähnliche Swap-Geschäfte abgeschlossen hatte, beurteilten sowohl das LG als auch das OLG die Beratung auch als anlegergerecht.
Die Vorinstanzen hielten es auch nicht für schädlich, dass die allgemeine Bereitschaft des anlegenden Unternehmens zur Übernahme von Risiken nicht erfragt worden war. Vielmehr konnte die Bank aufgrund der beruflichen Qualifikation der Mitarbeiter des Anlegers, die bei der Beratung durch die Bank anwesend waren, auch ohne eine solche Nachfrage von einer Übernahme hoher Risiken ausgehen.
Aufklärung über die nachteilige Risikostruktur des Anlagegeschäfts
Der XI. Zivilsenat des BGH sieht das anders: Die Karlsruher Richter haben entschieden, dass die Bank im Rahmen ihrer Anlageberatung sehr wohl dazu verpflichtet gewesen wäre, den Anleger auf den negativen Marktwert des Spread Ladder Swaps von 4 Prozent zum Zeitpunkt des Anlagevertrags hinzuweisen.
Der Senat begründet diese Wertung damit, dass die Bank als Beraterin des Anlegers dessen Interessen wahren muss und dementsprechend offen zu legen hat, dass der Markt das Risiko des Anlegers negativ bewertet.
Die Bank ist also aufklärungspflichtig, wenn sie die Risikostruktur des Anlagegeschäfts bewusst zu Lasten des Anlegers gestaltet und damit in der Lage ist, ihr Risiko gewinnbringend durch entsprechende Hedging-Verträge zu verkaufen.
Auch wer Bescheid weiß, ist nicht zwingend risikobereit
Die Bundesrichter äußerten auch Bedenken, ob eine anlegergerechte Beratung des Anlegers stattgefunden habe. Grundsätzlich hat die Bank im Rahmen ihrer Anlageberatung die Risikobereitschaft von Anlegern zu erfragen, es sei denn, dass eine langjährige Geschäftsbeziehung zum Anleger besteht oder das Anlageverhalten des Anlegers der Bank bereits bekannt ist.
Der BGH hat nun klargestellt, dass die Erkundigungspflicht der Bank nicht allein deshalb entfällt, weil auf Seiten des Anlegers eine erfahrene und beruflich für Finanzgeschäfte qualifizierte Person teilgenommen hat. Auch allein aus Vorkenntnissen des Anlegers kann nicht auf seine Risikobereitschaft geschlossen werden.
Die Bank hat deshalb in solchen Fällen, auch wenn eine gewisse berufliche Qualifikation vorliegt oder ähnliche Geschäfte in der Vergangenheit abgeschlossen wurden, die Pflicht, ein Risikoprofil des Anlegers zu erfragen.
Ein Sieg für den Anlegerschutz – wenn besondere Umstände vorliegen
Anlegern gibt die Karlsruher Entscheidung die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche bei Spread Ladder Swaps geltend zu machen, wenn ein entsprechendes Risikoprofil nicht abgefragt oder bei einer anfänglich zu Lasten des Anlegers ausgestalteten Risikostruktur auf diese nicht hingewiesen worden ist.
Offen ist allerdings, ob dieser Grundsatz der Belehrungspflicht über eine für den Anleger negativ ausgestaltete Risikostruktur auch bei anderen Swap-Geschäften oder sogar anderen Finanzprodukten Anwendung finden wird. Immerhin hielt der Senat nach Informationen der Deutschen Presseagentur (dpa) eine Bank nicht generell für verpflichtet, darüber aufzuklären, dass sie mit ihren Produkten Gewinne erzielen wolle. Das sei "offenkundig".
Anders sei es dann, "wenn über ein reines Gewinnerzielungsinteresse hinaus besondere Umstände vorliegen". So habe es sich hier verhalten. Die Bank habe "die Risikostruktur des Geschäft bewusst zulasten des Kunden und zu ihrem Vorteil gestaltet, um das Risiko gewinnbringend zu verkaufen", so der Senatsvorsitzende Ulrich Wiechers nach Angaben der dpa.
In jedem Fall aber dürfte das Urteil für die Banken eine Menge Mehrarbeit, vielleicht auch strukturelle Änderungen bei Beratungsgesprächen mit sich bringen. Sie müssen nicht nur das Risikoprofil des Anlegers genauer ermitteln, sondern bei Spread Ladder Swaps und vorsorglich auch bei anderen Risikogeschäften auf eine für den Anleger negativ ausgestaltete Risikostruktur hinweisen.
Der Autor Dr. Dirk Tuttlies ist Leiter der Practice Group Banking & Finance / Kapitalmarktrecht und Partner der Kanzlei Beiten Burkhardt in München.
BGH zu risikoreichen SWAP-Geschäften: . In: Legal Tribune Online, 22.03.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2843 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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