Wer die erhöhte Betriebskostenvorauszahlung nicht zahlt, kann gekündigt werden, wenn ein kündigungsrelevanter Zahlungsrückstand entsteht, urteilte der BGH am Mittwoch. Eine überraschend mieterunfreundliche Entscheidung aus Karlsruhe, die eigentlich nur eine Wahlmöglichkeit lässt, meint Dominik Schüller.
In den meisten Mietverträgen sind Betriebskostenvorauszahlungen vereinbart. Dies soll zum einen den Vermieter für den Fall der Insolvenz des Mieters schützen; zum anderen bewahrt es den Mieter vor hohen Betriebskostenabrechnungen nach Ablauf der Abrechnungsperiode. Da der allgemeine Anstieg der Preise auch vor den Betriebskosten nicht halt macht, müssen die vereinbarten Vorauszahlungen regelmäßig angepasst werden. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) gibt dem Vermieter dazu in § 560 Abs. 4 BGB das Recht, die Vorauszahlungen einseitig angemessen zu erhöhen.
Häufig kommt es dann zum Streit zwischen Mieter und Vermieter über die Angemessenheit der Erhöhung. Im Regelfall ist der Mieter der Auffassung, dass die Betriebskostenabrechnung falsch und gar keine Erhöhung notwendig ist. Bis vor kurzem durfte der Vermieter nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 28.11.2007, Az. VIII ZR 145/07) die erhöhten Vorauszahlungen jedoch verlangen, wenn die Betriebskostenabrechnung keine formellen Fehler aufwies. Inhaltliche Fehler sollten in einem gesonderten Prozess geprüft werden.
Diese Rechtsprechung hat der BGH vor einigen Wochen aufgegeben und entschieden, dass eine Betriebskostenabrechnung formell und materiell ordnungsgemäß sein muss, damit der Vermieter auf ihrer Basis, die Vorauszahlungen erhöhen kann. Anderenfalls muss der Mieter die erhöhten Kosten nicht oder jedenfalls nicht in vollem Umfang zahlen (Urt. v. 15.05.2012, Az. VIII ZR 246/11). Zudem hatte der für das Mietrecht zuständige VIII. Zivilsenat bereits im vergangenen Jahr entschieden, dass Vermieter keinen Sicherheitszuschlag für zukünftige Erhöhungen einkalkulieren dürfen, was viele von ihnen bislang getan hatten (Urt. v. 28.09.2011, Az. VIII ZR 294/10). Der BGH verfolgt also seit einiger Zeit eine eher mieterfreundliche Linie.
Wer die Vorauszahlung nicht leistet, kann gekündigt werden
Das neueste Urteil geht jedoch in die entgegengesetzte Richtung und hat brisante Folgen für Mieter. Die Bundesrichter hat nämlich entschieden, dass der Vermieter das Mietverhältnis kündigen kann, wenn der Mieter eine erhöhte Betriebskostenvorauszahlung nicht begleicht und die Rückstände in ihrer Summe kündigungsrelevant sind, was in etwa bei mehr als einer bis zwei Monatsmieten der Fall sein kann. Zudem ist es nicht erforderlich, dass der Vermieter den Mieter zuvor vor Gericht auf Zahlung der Rückstände verklagt hat. Das Gesetz, insbesondere § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB, fordere dies nicht, so der Senat (Urt. v. 18.07.2012, Az. VIII ZR 1/11).
Hält der Mieter die Erhöhung der Betriebskosten für unwirksam, steht er vor einem Dilemma. Zwar ist er nach der neuen Rechtsprechung des BGH nicht verpflichtet, die erhöhte Vorauszahlung zu begleichen, wenn die Abrechnung inhaltlich mangelhaft ist. Behält er am Ende Recht, geschieht nichts. Der Vermieter muss dann alle Kosten tragen und eine eventuelle Räumungsklage wird abgewiesen.
Befindet sich der Mieter allerdings nach Auffassung des Gerichts im Unrecht, kann ein Mietrückstand aufgelaufen sein, der den Vermieter zur Kündigung berechtigt. In Zeiten, in denen in Ballungsgebieten die Mieten bei Neuvermietungen steigen, werden Vermieter geneigt sein, eine solche Möglichkeit zur Kündigung zu ergreifen, wenn sich hierzu die Chance bietet. Dies entspricht jedenfalls der aktuellen Praxis.
Mietern ist daher zu raten, erhöhte Vorauszahlungen vollständig, aber unter Vorbehalt zu begleichen. Das Risiko, die Wirksamkeit der Betriebskostenabrechnung in einem Räumungsprozess zu klären, ist zu hoch. Außerdem müssen die Vorauszahlungen am Jahresende abgerechnet werden, jede Erhöhung reduziert also automatisch mögliche Nachforderungen. Will der Mieter dennoch gerichtlich klären lassen, ob der Vermieter berechtigt war, die Vorauszahlungen zu erhöhen, sollte er ihn auf Rückzahlung der überhöhten Betriebskosten verklagen. So riskiert er zumindest nicht, plötzlich ohne Dach über dem Kopf dazustehen.
Der Autor Dominik Schüller ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Wohn- und Gewerbemietrecht, WEG sowie Immobilienrecht in der Kanzlei SAWAL Rechtsanwälte & Notar in Berlin.
Dominik Schüller, BGH zur Nichtzahlung erhöhter Betriebskosten: . In: Legal Tribune Online, 19.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6656 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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