Man kauft ein Pferd für 500.000 Euro – und dann lässt es sich nicht richtig reiten. Schlechter Reiter, sagt der eine, schlechter Gesundheitszustand der andere. Der BGH lässt Lebewesen vom Idealzustand abweichen, erklärt Roland Schimmel.
Der Käufer hatte für 500.000 Euro einen zehnjährigen Hannoveraner Wallach erworben, um ihn bei Grand-Prix-Turnieren einzusetzen. Der Verkäufer ist selbstständiger Reitlehrer und Pferdeausbilder und hatte das Tier selbst ausgebildet. Das Pferde wurde Probe geritten und tierärztlich in einer Klinik untersucht, dann schlossen die Parteien den Vertrag. Doch wenige Monate nach der Übergabe stellte ein Tierarzt einen Röntgenbefund zwischen zwei Halswirbeln fest. Hierauf führt der Käufer das Lahmen des Pferds und seine Widersetzlichkeit gegenüber Reitern zurück und trat vom Vertrag zurück.
In den ersten beiden Instanzen hatte die Klage des Käufers auf Rückabwicklung des Vertrags Erfolg. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Sache nun wegen weiterer tatsächlicher Feststellungen zurückverwiesen (Urt. v. 18.10.2017, Az. VIII ZR 32/16). In den entscheidenden Rechtsfragen deutet sich allerdings an – die Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor –, dass der BGH sich der Entscheidung der Vorinstanz nicht anschließt.
Der Streit wirft zwei Rechtsfragen auf, die ohne weiteres in einer juristischen Prüfung diskutiert werden könnten. Zum einen kommt es entscheidend darauf an, ob das verkaufte Pferd überhaupt als mangelhaft zu betrachten ist. Zum anderen ist zu überlegen, ob dem Käufer die Vermutung des § 476 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zugutekommt. Danach wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt. Es sei denn, diese Vermutung wäre mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.
Röntgenbefund und Rittigkeit
Vertraglich war die Verwendung des Tiers als Reitpferd vorausgesetzt. Der Maßstab für einen möglichen Mangel des verkauften Pferds ergibt sich also aus der Regel über den Sachmangel nach § 434 I 2 Nr.1 BGB. Danach ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Zu entscheiden war also, ob die Ist-Beschaffenheit des Pferds von der so festgelegten Soll-Beschaffenheit abwich. Dafür gab es zwei Ansatzpunkte: zum einen den tierärztlichen Röntgenbefund, zum anderen die „Rittigkeitsprobleme“.
Hinsichtlich des Röntgenbefunds hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung fortgesetzt (Urt. v. 07.02.2007, Az. VIII ZR 266/06). Es liege in dem bloßen Befund kein Mangel, solange das Pferd klinisch unauffällig sei und sich zum Reiten eigne. Eine Wahrscheinlichkeit der Entwicklung zukünftiger Symptome begründe einen Mangel erst, wenn sie erheblich sei. Ebenso wenig gehöre es zur üblichen Beschaffenheit eines Tieres iSd § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen "Idealnorm" entspricht. Ein Käufer könne redlicher Weise nicht erwarten, ein Tier mit "idealen" Anlagen zu erhalten. Er müsse vielmehr im Regelfall damit rechnen, dass das von ihm erworbene Tier in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufweise, wie sie für Lebewesen nicht ungewöhnlich sind.
Für den Pferdeverkäufer bedeutet das, dass er mit dem Käufer eine Beschaffenheitsvereinbarung treffen muss, wenn er den Bestand des Vertrags daran knüpfen will, dass das Tier in jeder Hinsicht der physiologischen Norm entspricht. Bei einem hochpreisigen und vielfach untersuchten Pferd wird das möglich sein. Ob sich unter "normalen" Umständen der Verkäufer auf eine solche Zusicherung einlässt, erscheint aber angesichts der damit verbundenen Rückabwicklungsrisiken einigermaßen fraglich.
Roland Schimmel, Mangelgewährleistung beim Tierkauf: . In: Legal Tribune Online, 19.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25127 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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