Bei Gemeinschaftseigentum kommt es häufig zu Missverständnissen. Was passiert, wenn alle falsch liegen und es um viel Geld geht, hatte nun der BGH zu klären. Dominik Schüller zu einem, wie er findet, nur konsequenten Urteil aus Karlsruhe.
Beim Geld hört nicht nur die Freundschaft auf, sondern häufig auch die Nachbarschaft – jedenfalls, wenn man dem Sprichwort glaubt. Denn viele Streitigkeiten in Wohnungseigentümergemeinschaften haben wirtschaftliche Gründe.
Die Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums müssen von allen Sondereigentümern in dem in der Teilungserklärung (oder im Gesetz) festgelegten Abrechnungsgrundsätzen von ihnen anteilig getragen werden. Hierbei kommt es nicht selten zu Auseinandersetzungen über die Kostentragungspflicht, die in den vergangenen Jahren immer häufiger vom Bundesgerichtshof (BGH) entschieden werden mussten und müssen.
So hat am Freitag der für das Wohnungseigentum zuständige V. Zivilsenat entschieden, dass ein Eigentümer, der die Fenster seiner Wohnung auf eigene Kosten austauscht, von der Wohnungseigentümergemeinschaft später keine nachträgliche Kostenerstattung verlangen kann, selbst wenn alle Eigentümer bis dato einem Irrglauben hinsichtlich der Kostentragungspflicht unterlagen und es daher auch keinen Beschluss geben konnte (Urt. v. 14.06.2019, Az. V ZR 254/17).
Wem gehören Fenster?
Der Fall spielte in Hamburg und hat einen recht einfachen Sachverhalt. Die Eigentümer eines bereits seit 1972 nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) aufgeteilten Grundstücks gingen stets davon aus, dass die Fenster des Gebäude jeweils dem Sondereigentümer der räumlich betroffenen Wohnung gehörten bzw. zumindest von diesem die mit den Fenstern verbundenen Kosten (und eben nicht von allen Bruchteilseigentümern gemeinschaftlich) zu tragen wären.
Hintergrund war eine Regelung in der Teilungserklärung, deren Inhalt sich aus der Pressemitteilung des BGH, die er am Freitag zur Entscheidung veröffentlichte, nicht ergibt.
Ein Sondereigentümer tauschte daraufhin im Jahr 2005 die einfach verglasten Holzfenster seiner Wohnung durch neue und bessere Kunststoffrahmenfenster aus. Die Kosten trug er – entsprechend dem gemeinsamen Verständnis der Teilungserklärung – selbst.
Gemeinschaftseigentum bleibt Gemeinschaftseigentum
Sieben Jahre später stellt sich dieses rechtliche Verständnis – übrigens nach einer anderen Entscheidung des BGH – als falsch heraus. Tatsächlich wären die Fensterkosten von allen Eigentümern zu zahlen gewesen.
Dieses Fehlverständnis ist bei vielen Wohnungseigentümergemeinschaften anzutreffen. Häufig wird in der Teilungserklärung geregelt, welche Teile des Gebäudes allen Eigentümern gemeinsam (Gemeinschaftseigentum) oder dem einzelnen Sondereigentümer (Sondereigentum) gehören. Dabei definiert das WEG ziemlich genau, wie dieses Verteilung eigentumsrechtlich vorzunehmen ist.
Im Grundsatz steht das gesamte Grundstück mit allen baulichen Anlage im Eigentum aller (Bruchteils-)Eigentümer. Zum Sondereigentum (Alleineigentum) des Einzelnen gehören grundsätzlich nur die in § 5 WEG definierten Bestandteile und Gegenstände. Der BGH ist in ständiger Rechtsprechung der Auffassung, dass darüber hinausgehend nicht gemeinschaftliches Eigentum zu Alleineigentum der jeweiligen Sondereigentümer definiert werden kann.
Haufenweise fehlerhafte Teilungserklärungen
Trotzdem gibt es unzählige Teilungserklärungen, die Festlegungen darüber treffen, was zum Gemeinschafts- und was zum Sondereigentum gehört. Insofern sind Fehlvorstellungen in solchen Wohnungseigentümergemeinschaften vorprogrammiert und verständlich.
Mit dem Alleineigentum an einem Gegenstand ist üblicherweise nicht nur die Verantwortlichkeit hierfür verbunden, sondern natürlich auch die wirtschaftliche Kostentragungspflicht. Im vom BGH zu entscheidenden Fall hätte daher nicht der klagende Eigentümer, sondern alle Eigentümer gemeinsam die Kosten für die Fenstererneuerung zahlen müssen.
Als dieser Irrtum bemerkt wurde, verlangte der Wohnungseigentümer Kostenerstattung. Nachdem ihm diese verwehrt wurde, verklagte er die Wohnungseigentümergemeinschaft auf Zahlung. In den Vorinstanzen war er damit erfolglos geblieben. Das Landgericht war noch der Auffassung, dass wegen der gemeinschaftlichen Fehlvorstellung über die Kostentragungspflicht bzgl. der Fenster zwar grundsätzlich ein Erstattungsanspruch im Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag möglich gewesen wäre. Der klagende Mann habe jedoch die falsche Person in Anspruch genommen. Anspruchsgegner könne nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft sein, sondern nur die übrigen Bruchteilseigentümer (Bruchteilsgemeinschaft mit Ausnahme des Klägers).
Nach Ansicht des BGH kam es auf diese Frage jedoch gar nicht an. Denn anders als das Berufungsgericht hat er den Anspruch in seinem Urteil vom Freitag grundsätzlich verneint – und zwar gegen beide in Betracht kommenden Parteien.
WEG sticht BGB
Der V. Zivilsenat konnte sich daher der in der Tat häufig im Wohnungseigentumsrecht schwierige Frage entziehen und sich auf den materiellen Anspruch beschränken. In Betracht kam lediglich ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Dieser kann nach Ansicht des BGH jedoch nicht einschlägig sein, da das WEG in § 21 Abs. 4 und 5 eine spezielle Regelung für Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten und den damit einhergehenden Kosten trifft. Nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG kann jeder Eigentümer sodann die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen. Dass Fenster (und Türen) aufgrund ihrer Abschlussfunktion zum zwingenden Gemeinschaftseigentum gehören, hat der BGH bereits entschieden. Es verwundert daher nicht, dass er vom Sondereigentümer implizit verlangt, in jedem Fall zunächst einen Beschluss über eine solche Maßnahme von der Wohnungseigentümergemeinschaft einzuholen.
Außer im Falle der Notgeschäftsführung haben die Sondereigentümer nämlich bei feststehender Instandsetzungsbedürftigkeit des Gemeinschaftseigentums eine Entscheidungskompetenz über das "Wie" der auszuführenden Arbeiten – auch im Hinblick auf die entstehenden und von allen Eigentümern zu tragenden Kosten. Dieses Recht würde den übrigen Eigentümern abgeschnitten, wenn über die Geschäftsführung ohne Auftrag der selbst vornehmende Sondereigentümer einen Erstattungsanspruch gegen die anderen Eigentümer hätte, argumentierte der BGH.
Der verlangende Sondereigentümer muss daher nach Ansicht der KarlsruherRichter in jedem Fall einen Beschluss herbeiführen und - sofern dieser abgelehnt oder nicht zufriedenstellend beschlossen wird – Beschlussanfechtungsklage erheben.
Schutz der übrigen Eigentümer
Der V. Zivilsenat hält den Schutz der übrigen Eigentümer damit sehr hoch. Es liefe dem Schutz der anderen Sondereigentümer zuwider, wenn ein sich irrender Eigentümer im Nachhinein seine Instandhaltungs- oder Instandsetzungskosten erstattet verlangen könnte.
Insbesondere wenn die Teilungserklärung jahrelang falsch ausgelegt worden ist, käme es rückwirkend eventuell zu einer Vielzahl von Erstattungsverlangen. Die Entscheidung ist daher richtig und Ergebnis einer Interessenabwägung, die zulasten des sich irrenden Eigentümers ausgeht.
Der Autor Dominik Schüller ist Rechtsanwalt, Notar, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht und in der Kanzlei SAWAL & SCHÜLLER in Berlin und twittert regelmäßig zu immobilienrechtlich Themen unter www.twitter.com/ra_schueller.
BGH zu Modernisierungskosten für Gemeinschaftseigentum: . In: Legal Tribune Online, 15.06.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35941 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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