Mails von geklautem Laptop: "Bild" durfte aus privater Politiker-Korrespondenz zitieren

von Martin W. Huff

01.10.2014

2/2: Wirtschaftliche Verantwortung auf den Steuerzahler abgewälzt

Die unstreitig wahren Informationen über Speers Ex-Geliebte, das gemeinsame Kind und den nicht gezahlten Unterhalt haben nach Ansicht des Senats einen hohen “Öffentlichkeitswert”. Sie offenbarten einen Missstand von erheblichem Gewicht, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse bestehe. Als damaliger Minister und Landtagsabgeordneter gehörte der Kläger zu den Personen des politischen Lebens, an deren Verhalten unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle ein gesteigertes Informationsinteresse bestand.

Der Senat stellt darauf ab, dass Speer sich über viele Jahre der wirtschaftlichen Verantwortung für seine Tochter entzogen und diese auf den Steuerzahler abgewälzt hat. Er habe es „im eigenen persönlichen, wirtschaftlichen und politischen Interesse hingenommen, dass seine ehemalige Geliebte für die gemeinsame Tochter Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bezog, obwohl die Voraussetzungen für einen Leistungsbezug nicht gegeben waren“, weil sie den Politiker  pflichtwidrig nicht als Vater des gemeinsamen Kindes benannt hatte. Auch die Veröffentlichung verschiedener E-Mails in direkter oder indirekter Rede halten die Karlsruher Richter daher für zulässig. Die im Wortlaut veröffentlichten E-Mails dokumentierten „mit besonderer Klarheit“, wie Speer mit der Verantwortung gegenüber seiner nichtehelichen Tochter und der Mutter seines Kindes umgegangen sei-. Und damit mittelbar auch mit der Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit, die jedenfalls bis zur Veröffentlichung der streitgegenständlichen Informationen die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen tragen musste.

Wie schon Cicero: eine vorhersehbare Entscheidung

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes setzt damit seine medienfreundliche Rechtsprechung fort. Zum einen stellt er, in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) klar, dass die Presse  auch solche Informationen verwenden darf, die durch die Straftat eines anderen beschafft wurden, wenn sie an dieser nicht beteiligt war. Bereits in der sogenannten Cicero-Entscheidung aus dem Jahr 2007 hat das BVerfG klargestellt, dass ein Presseorgan sich selber nicht strafbar macht und kein  Publikationsverbot besteht.

Zum anderen – und hier verwundern die Entscheidungen der Berliner Vorinstanzen – bleibt der BGH seiner Linie der Abwägung zwischen der Pressefreiheit auf der einen und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auf der anderen Seite treu.

Zu Recht stellen die Bundesrichter klar, dass die Bild das – unter Umständen schließlich auch strafrechtlich relevante Verhalten – des Ministers, der sich vorsätzlich seiner Unterhaltspflicht entzog, aufgreifen durfte. Ein solches Verhalten offenbart eine Haltung eines Politikers und insbesondere eines Innenministers, der für die Strafverfolgung durch die Polizei verantwortlich ist, welche die Medien anprangern dürfen. Dabei ist es ihnen nicht verwehrt, auch aus den entsprechenden Dokumenten, hier den Mails, zu zitieren. Der Ausgang dieses Verfahrens war eigentlich vorauszusehen. Die Klarstellung der Richter gibt den Medien aber mehr Sicherheit bei der Frage, wann berichtet werden darf.

Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt bei LLR LegerlotzLaschet Rechtsanwälte in Köln, Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln und Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Fachhochschule Köln.

Zitiervorschlag

Martin W. Huff, Mails von geklautem Laptop: . In: Legal Tribune Online, 01.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13362 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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