Lärmsensible Mieter stoßen mit ihren Anliegen beim BGH oft auf taube Ohren. Ob dröhnendes Verkehrsrauschen oder klackende Stöckelschuhe – akustische Belästigungen sind nach der Rechtsprechung des Gerichts vielfach hinzunehmen. Auch am Mittwoch scheiterte ein Mieter, der plötzlich über sich neue Nachbarn hatte, mit seiner Mietminderung. Dominik Schüller über Ausbauten, Umbauten und Neubauten.
Da wird wohl jeder zustimmen: Wenigstens zu Hause sollte man eigentlich seine Ruhe haben. Für viele Mieter ist dies jedoch eher frommer Wunsch als Realität. Mal trägt eine Umleitung den Verkehrslärm von draußen ins Wohnzimmer, mal lassen einen zu dünne Wände zum unfreiwilligen Mithörer der nachbarlichen Indiskretionen werden. Ein besonders gängiges Problem ist die Trittschalldämmung, die vor allem bei Nachkriegsbauten in keiner Weise den heutigen Ansprüchen entspricht - eine Unzahl von Verfahren vor den Amts- und Landgerichten folgen auf dem Fuße.
In der Praxis sind vor allem jene Fälle problematisch, in denen der Grundstückseigentümer seine Dachgeschossräume ausbaut, um diese als Wohnungen zu vermieten. In Zeiten knapp werdenden Wohnraumes und fehlender Baugrundstücke in Ballungsgebieten werden immer mehr der sogenannten Dachrohlinge zu Wohnungen umfunktioniert. Erneuert oder verbessert der Vermieter in diesen Fällen die Trittschalldämmung der neuen Dachgeschosswohnung nicht, hört der im vormals obersten Geschoss lebende Mieter seine neuen Nachbarn künftig auf seinem Kopf herumtanzen.
Akustische Altlasten
So lag der Sachverhalt auch in dem am Mittwoch vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedenen Fall (BGH, Urt. v. 05.06.2013, Az. VIII ZR 287/12). Der Mieter bewohnte seit 1995 eine Wohnung im Obergeschoss eines Gebäudes, das nach dem 2. Weltkrieg im Jahr 1952 wieder aufgebaut worden war. 2003 ließ der Vermieter die Dachgeschosswohnungen ausbauen und vermietete diese. Beim Ausbau war der Estrich lediglich auf 12 Prozent der Bodenfläche erneuert worden; die Trittschalldämmung blieb im Wesentlichen unverändert. Nach einigen Jahren entschloss sich der Mieter, die seiner Auffassung nach mangelhafte Trittschalldämmung beim Vermieter zu bemängeln und minderte die Miete. Er argumentierte, dass die Schallisolierung weder 1952 noch im Jahr 2003 dem jeweils geltenden Stand der Technik entsprochen habe.
Die amtsgerichtliche Rechtsprechung vertritt bereits seit Jahren die Auffassung, dass der Mieter bei einer Verschärfung der technischen Anforderungen an den Schallschutz keine Baumaßnahmen vom Vermieter verlangen kann (zum Beispiel Amtsgericht Berlin-Schöneberg, Urt. v. 17.12.2002, Az. 15 C 528/01).
Auch der BGH selbst hat sich bereits mehrfach mit diesem Thema beschäftigt. Im Jahr 2005 entschied das Gericht, dass es bei der Aufstockung eines Wohngebäudes auf die technischen Vorgaben im Zeitpunkt der Aufstockungsarbeiten ankommt. Deren Beachtung könne der Mieter vom Vermieter einfordern (BGH, Urt. v. 06.10.2004, Az. VIII ZR 355/03). Diesem Gedanken folgend wäre es nicht fernliegend gewesen, auch die Qualitätsstandards für Ausbauarbeiten an dem Zeitpunkt festzumachen, zu dem die Maßnahme vorgenommen wurde.
Sechs Jahre später entschied der für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat jedoch, dass der Mieter lediglich denjenigen Schallschutz beanspruchen könne, der zum Errichtungszeitpunkt des Gebäudes dem Stand der Technik entsprochen habe. Dies gelte selbst dann, wenn sich die Lärmbelastung infolge eines späteren Austauschs des Bodenbelages weiter erhöhe (BGH, Urt. v. 17.06.2009, Az. VIII ZR 131/08).
Neubau ist nicht Umbau ist nicht Ausbau
Die Entscheidung vom Mittwoch füllt damit eine vom BGH bisher nicht berührte Lücke: Einerseits nämlich wurde im vorliegenden Fall tatsächlich neuer Wohnraum geschaffen, andererseits ging das jedoch nicht mit einer Aufstockung des Gebäudes einher. Für diese Konstellation bestimmt der für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Senat nun, dass der Mieter – jedenfalls, wenn der Boden der über ihm befindlichen Wohnung nicht in wesentlichem Umfang erneuert wird – keinen Anspruch auf den technischen Standard im Zeitpunkt des Ausbaus hat.
Eine nur 12 Prozent der Bodenfläche betreffende Baumaßnahme sei von der Intensität des Eingriffs in die Gebäudesubstanz weder mit einem Neubau noch mit einer Aufstockung vergleichbar. Der Mieter könne daher keinen erhöhten Schallschutz erwarten. Er müsse sich vielmehr mit dem Niveau zufrieden geben, welches bei der Errichtung des Gebäudes gegolten habe.
Der BGH trennt in seiner Entscheidung messerscharf zwischen Neubau, Umbau und Ausbau. Die Frage, ab welcher Fläche von einem wesentlichen Umbau ausgegangen werden kann, wird die Amtsgerichte aber wohl weiterhin beschäftigen. Zumindest, wenn beim Ausbau des Dachgeschosses annähernd der gesamte Boden ersetzt wird, dürfte diese Grenze jedoch erreicht sein.
Der Autor Dominik Schüller ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in der Immobilienrechtskanzlei SAWAL Rechtsanwälte & Notar in Berlin
Dominik Schüller, BGH zu Lärm in der Mietwohnung: . In: Legal Tribune Online, 05.06.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8856 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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