törerInternetriese Google darf heimlich aufgenommene Fotos von einer Sex-Party des Ex-Motorsportbosses Max Mosley nicht weiter in den Suchergebnissen seiner deutschen Webseite darstellen; das entschied das LG Hamburg am Freitag. Niko Härting sieht die Entscheidung kritisch. Durch das zugrundeliegende Prinzip der Störerhaftung würden Rechtssicherheit und freie Online-Kommunikation gefährdet.
Google.de darf sechs Fotos von einer privaten Sex-Party Max Mosleys nicht weiter anzeigen; bei Zuwiderhandlung droht dem Konzern ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro pro Einzelfall. Die Fotos verletzten Mosley schwer in seiner Intimsphäre, sagte die Vorsitzende der Pressekammer, Simone Käfer. Google befürchtet eine Verpflichtung zur Überwachung von Inhalten.
Der Konzern sprach von einem "beunruhigenden Signal" und kündigte Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) Hamburg an. Die Hansestadt ist der Unternehmenssitz von Google Deutschland. Nach Darstellung des Landgerichts war der Zivilprozess in Deutschland juristisches Neuland.
Die Hamburger Pressekammer äußerte sich nicht dazu, wie Google das Urteil technisch umsetzen soll. Bei früheren Verhandlungsterminen hatte Käfer etwa eine Filtersoftware ins Spiel gebracht. Google wehrt sich dagegen und kritisiert, aus der Suchmaschine werde dann eine "Zensurmaschine".
"Besonders schwerwiegender Intimsphärenverstoß" bei sechs Fotos
Nach Ansicht des Gerichts sind die umstrittenen Bilder "ohne Sprachkenntnisse oder weitere Textberichterstattung aus sich heraus verständlich". In diesem besonderen Fall sei es nicht vorstellbar, dass die Fotos in irgendeinem Kontext zulässig veröffentlicht werden könnten, erklärte Käfer. Ausnahmsweise werde ihre Verbreitung daher allgemein untersagt - das Verbot werde nicht, wie bei ähnlichen Verfahren üblich, auf einen bestimmten Kontext oder einen bestimmten Link beschränkt. Google hatte unter anderem argumentiert, die Bilder könnten in manchen Zusammenhängen legitim sein.
Der Umfang der Prüfpflichten hänge von der Schwere der Rechtsverletzung ab, betonte die Richterin. Bei sechs Fotos gebe es einen "besonders schwerwiegenden Intimsphärenverstoß". Bei vier weiteren Bildern, die Mosley ebenfalls beanstandet hatte, konnte das Gericht einen solchen schwerwiegenden Verstoß nicht erkennen - sie dürfen also weiter verbreitet werden.
Das Prinzip der Störerhaftung als "Sündenfall"
Juristisch fußt das Urteil auf dem Prinzip der Störerhaftung, welches in Deutschland seit dem Urteil "Internet-Versteigerung I" des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2004 auf Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche anzuwenden ist (v. 11.03.2004, Az. I ZR 304/01). Prof. Niko Härting, der einen Tätigkeitsschwerpunkt im Internetrecht hat, bezeichnet jenes Urteil als "Sündenfall", welcher der Rechtssicherheit und freien Kommunikation im Internet in Deutschland bis heute schade.
Für die Freiheit des Netzes sei die Verantwortlichkeit von Schrankenwärtern wie Google eine Gretchenfrage. Je mehr Verantwortung diese für fremde Inhalte trügen, desto engmaschiger würden sie ihre Ergebnisse filtern und Inhalte im Zweifel sperren. Der freie Informationsaustausch gerate dadurch in Gefahr.
Eigentlich, so Härting, habe der europäische Gesetzgeber diese Problematik schon sehr früh erkannt, und mit der E-Commerce-Richtlinie sinnvoll adressiert. Danach gilt: "Notice and take down" - Google und andere Provider sind nur dann handlungspflichtig, wenn sie von Rechtsverstößen Kenntnis erlangen. In seiner besagten Entscheidung erklärte der BGH jedoch, dass die deutsche Umsetzung der Richtlinie – das Telemediengesetz (TMG) – auf Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gerade nicht anwendbar sei.
Es regt sich Widerstand – aber nicht in Hamburg
Mit dieser Auffassung sind nicht alle deutschen Gerichte einverstanden: "Das Kammergericht Berlin hat dem BGH jüngst in einem ebenso mutigen wie lesenswerten Urteil (v. 16.04.2013, Az. 5 U 63/12, Anm. d. Red.) widersprochen, und möchte die Haftungsprivilegien des TMG auch auf Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche anwenden", sagt Härting.
Ganz anders das Urteil aus Hamburg, welches an die 60 Seiten dick sein soll, und sich auf die Seite des BGH schlägt. So oder so: Die Störerhaftung ist bereits seit "Internet-Versteigerung I" ein Dauerbrenner vor deutschen Gerichten.
"Die hohe Zahl der Streitfälle zeigt, dass der BGH durch seine Linie viel Unsicherheit geschaffen hat, obwohl das Bedürfnis nach Rechtssicherheit im Netz unverkennbar ist", meint Härting. "Man kann nur hoffen, dass er seine Rechtsprechung in Zukunft ändert, und wir uns nicht mit weiteren Verfahren um nackte Hinterteile früherer Sport-Funktionäre auseinandersetzen müssen. Damit wäre für Rechtssicherheit und freie Kommunikation im Netz in Deutschland ein großer Schritt getan."
cvl/LTO-Redaktion
Mit Material von dpa.
Max Mosley erzielt Teilerfolg gegen Google: . In: Legal Tribune Online, 24.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10779 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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