Vor dem BGH geht es heute um den Schutz von in Museen ausgestellten Kunstwerken. Ob man diese einfach abfotografieren und online stellen darf und was das Ganze mit Schloss Sanssouci zu tun hat, erklären Niklas Conrad und Lena Hocke.
In den Ohren von Museumsdirektoren klingt es wie eine Dystopie: Eines Tages könnte niemand mehr in ihre Ausstellungen kommen, weil alle Werke sich im Internet befinden – kostenlos und jederzeit abrufbar. Aber können Museen verhindern, dass Kunstfreunde bei ihren Besuchen Fotos machen und diese ins Netz stellen? Darüber verhandelt am heutigen Mittwoch der Bundesgerichtshof (BGH).
Im zur Entscheidung stehenden Fall hatte der Beklagte auf der Foto-Plattform Wikimedia Commons Bilder von Gemälden hochgeladen, die im Reiss-Engelhorn-Museum der Stadt Mannheim ausgestellt waren. Die Abbildungen waren einerseits Scans von Gemälde-Fotografien, die in einem Museumskatalog veröffentlicht worden waren, andererseits Bilder, die der Mann selbst im Museum abfotografiert hatte. Bei den abgebildeten Gemälden handelt es sich um sogenannte gemeinfreie Werke, die aufgrund ihres Alters keinen Urheberrechtsschutz mehr genießen.
Die Stadt Mannheim verlangte von dem Mann dennoch, die Veröffentlichung der Bilder zu unterlassen. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart gab ihr in fast allen Punkten Recht und untersagte dem Beklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes die Veröffentlichung.
Hält der BGH an seiner Sanssouci-Rechtsprechung fest?
Hinsichtlich der im Museum selbst gemachten Fotografien schieden urheberrechtliche Unterlassungsansprüche zwar aus, da die ausgestellten Kunstwerke inzwischen gemeinfrei waren. Dennoch hielt das OLG Stuttgart das Abfotografieren und die nachfolgende Verwertung im Internet für unzulässig. Es stützte sich dabei maßgeblich auf die vom BGH in der sogenannten Sanssouci-Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze: Dort hatte er in mehreren Entscheidungen geurteilt, dass einem Grundstückseigentümer das ausschließliche Recht zur Anfertigung und Verwertung von Fotografien der auf seinem Grundstück befindlichen Gebäude oder Gartenanlagen zusteht, sofern diese auch von seinem Grundstück aus fotografiert wurden (zuletzt Urteil vom 1. März 2013 - V ZR 14/12 – Sanssouci II).
Die Richter begründeten den Unterlassungsanspruch nicht nur hinsichtlich der Anfertigung der Fotografien, sondern auch hinsichtlich ihrer späteren Verwertung mit dem Eigentumsrecht des Grundstückseigentümers (§ 1004 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 903 S. 1 BGB). Dieses umfasse auch das Recht, die Erträge aus der Verwertung von Aufnahmen der Gebäude zu ziehen. Nur das Fotografieren von einer allgemein zugänglichen Stelle sei Dritten gestattet, da anderenfalls die urheberrechtliche Schranke für Werke an öffentlichen Plätzen (§ 59 UrhG, sog. "Panoramafreiheit") unterlaufen würde.
Das OLG Stuttgart hat diese Grundsätze nun auf die im Museum befindlichen Gemälde übertragen. Es hat, losgelöst vom Eigentum an den Räumlichkeiten argumentiert, das Recht des Eigentümers, nach seinem Belieben über seine Sachen (und deren wirtschaftliche Nutzung) zu verfügen, differenziere nicht zwischen beweglichen und unbeweglichen Gegenständen, und sei im vorliegenden Fall daher gleichermaßen einschlägig. Das Museum könne daher nicht nur das Fotografieren, sondern auch die öffentliche Zugänglichmachung der Aufnahmen untersagen. Ein entsprechender Unterlassungsanspruch ergebe sich laut OLG Stuttgart außerdem (auch hinsichtlich der Verwertung der Bilder) aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Besichtigungsvertrag.
Nun stellt sich die Frage, ob der BGH dem OLG Stuttgart in allen Punkten folgen wird. Dazu müsste er trotz zahlreicher Einwände aus der Literatur seine Sanssouci-Rechtsprechung aufrechterhalten, nach der das Recht des Sacheigentümers nicht nur das Fotografieren selbst, sondern auch die Verwertung der Fotografien und damit jede wirtschaftliche Vorteilsziehung der Sache erfasst. Zweitens müsste der BGH seine Rechtsprechung auf bewegliche (urheberrechtlich gemeinfreie) Sachen übertragen. In einem Urteil vom 19. Dezember 2014 hatte der BGH letzteres noch ausdrücklich offen gelassen.
Kritik: Grenzen zwischen Eigentum und Urheberrecht verwischen
In der Literatur wird dies kontrovers diskutiert – zu Recht, führte doch die Anknüpfung an das Eigentum an der fotografierten Sache selbst (und nicht an das Eigentum am Grundstück, von dem aus fotografiert wird) dazu, dass jede Ablichtung gemeinfreier Werke und deren Verwertung gegen das Recht des Eigentümers verstieße (sofern dieser seine Einwilligung nicht erteilt hat). Die Grenzen zwischen Sacheigentum und Urheberrecht verwischten damit weiter, die urheberrechtliche Gemeinfreiheit würde unterlaufen.
Der BGH hat in seiner bisherigen Rechtsprechung allerdings mehrfach betont, dass Urheberrecht und die Rechte aus Sacheigentum selbständig nebeneinander stünden. Seine Argumentation – ob man ihr nun folgen mag oder nicht – beschränkt sich dabei auch nicht zwingend auf unbewegliches Eigentum. Insofern liegt durchaus nahe, dass der BGH auch im vorliegenden Verfahren der urheberrechtlichen Gemeinfreiheit des Werkes keine das Sacheigentum einschränkende Wirkung beimessen wird.
Hinsichtlich der eingescannten Fotografien der Gemälde steht die Frage im Zentrum, ob die in dem Museumskatalog enthaltenen Fotografien der gemeinfreien Gemälde urheberrechtlich überhaupt geschützt sind. Der Schutz würde eingreifen, wenn es sich dabei jedenfalls um Lichtbilder im Sinne des § 72 Urheberrechtsgesetz (UrhG) handelte. Der Beklagte argumentierte vor dem OLG, die originalgetreue Reproduktionsfotografie müsse vom Schutz des § 72 UrhG ausgenommen werden. Dem muss man zugeben, dass, würde man auch solche Reproduktionsfotografien, die sich letztlich optisch nicht von den Originalwerken unterscheiden, urheberrechtlich schützen, die Gemeinfreiheit der fotografierten Werke mittelbar eingeschränkt würde. Dennoch spricht viel dafür, dass der BGH auch hier der Vorinstanz folgen wird, die die Fotografien für ebenfalls geschützt erklärte. Zum einen ist zwischen (gemeinfreiem) Originalwerk und der Reproduktion zu unterscheiden. Diesen separaten Werken kann sehr wohl ein unterschiedliches rechtliches Schicksal zuteilwerden. Der Schutz einer Reproduktionsfotografie remonopolisiert auch nicht die eigentlich gemeinfreien Werke, da die Gemeinfreiheit des Originals nicht beeinträchtigt wird.
Zum anderen würde eine Herausnahme von Reproduktionsfotografien aus dem Lichtbildschutz in der Praxis zu kaum überwindbaren Abgrenzungsschwierigkeiten und Wertungswidersprüchen führen. Denn warum sollte ein bloßer Schnappschuss (unstreitig) leistungsschutzrechtlichen Schutz genießen, während teils aufwendig hergestellte Reproduktionsfotografien von diesem Schutz ausgenommen sind? Lediglich bloße technische Reproduktionen (zum Beispiel durch Fotokopien oder die Herstellung von Diapositiven) sollen vom Schutz ausgenommen sein, da es laut BGH erforderlich ist, dass das Lichtbild als solches originär, also als Urbild, geschaffen worden ist. Diesen Urbild-Charakter besitzen die streitgegenständlichen Reproduktionsfotografien aber zweifelsohne.
Dr. Niklas Conrad ist Partner in der Praxisgruppe Litigation der internationalen Wirtschaftskanzlei Greenberg Traurig. Seine Beratungstätigkeit umfasst alle Aspekte der gerichtlichen und außergerichtlichen Streitbeilegung mit einem Schwerpunkt im Medien- und Technologiebereich.
Lena Hocke ist Associate in den Branchengruppen Medien, Technologie und Telekommunikation bei Greenberg Traurig. Sie berät zu allen Aspekten des Medien-, Urheber, Wettbewerbs-, Verbraucher- und Datenschutzrechts.
BGH verhandelt zu Veröffentlichung von gemeinfreien Kunstwerken: . In: Legal Tribune Online, 31.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31795 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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