Ein Kunstsammler wollte nicht, dass ein Gemälde von ihm in einer Datenbank für verschwundene NS-Raubkunst aufgeführt wird, schließlich geht es um viel Geld. Das muss er aber hinnehmen, hat der BGH entschieden.
Ein Kunsthändler ist vor dem Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Versuch gescheitert, einen Eintrag in einer Datenbank für potenzielles NS-Raubgut löschen zu lassen. Das Interesse früherer Eigentümer beziehungsweise ihrer Rechtsnachfolger und das allgemeine öffentliche Interesse an der Provenienz NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter überwögen die wirtschaftlichen Interessen des derzeitigen Eigentümers, so der BGH (Urt. v. 21.07.2023, Az. V ZR 112/22).
Der klagende Kunstsammler hatte das Gemälde "Kalabrische Küste" des Malers Andreas Achenbach 1999 in London bei einer Auktion erworben. In der Zeit von 1931 bis 1937 war es im Besitz der Galerie Stern in Düsseldorf, die der jüdische Kunsthändler Dr. Max Stern in dieser Zeit von seinem Vater übernommen hatte. Im September 1937 wurde er vom NS-Regime endgültig gezwungen, seine Galerie aufzugeben. Sein Nachlass wird heute von einem kanadischen Trust verwaltet.
Im Juni 2016 haben dessen Treuhänder eine Suchmeldung für das Gemälde auf der Internetseite der sogenannten Lost-Art-Datenbank veröffentlicht. Im Rahmen einer Ausstellung des Gemäldes in Baden-Baden wurde der Kunstsammler über die Suchmeldung und eine in Kanada veranlasste Fahndung nach dem Gemälde durch Interpol informiert. Er fühlt sich durch den Eintrag des Gemäldes in der Lost-Art-Datenbank und die Interpol-Fahndung in seinem Eigentumsrecht beeinträchtigt. Der Sammler verlangte deshalb juristisch von den Treuhändern, es zu unterlassen, sich des Eigentums an dem Gemälde zu berühmen.
Kunstsammler muss Verbreitung wahrer Tatsachen hinnehmen
Wie schon in den beiden Vorinstanzen, deren Entscheidungen Prof. Dr. Peter Raue und Dr. Felix Stang in aller Ausführlichkeit für LTO analysiert haben, blieb seine Klage aber auch vor dem BGH ohne Erfolg: Ein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestehe nicht, so der BGH. Es sei schließlich gerade Zweck der Lost-Art-Datenbank, die früheren Eigentümer bzw. deren Erben sowie die heutigen Besitzer bzw. Eigentümer zusammenzubringen, urteilte der BGH. Die Suchmeldung nehme lediglich Bezug auf das frühere Eigentum an dem Kunstwerk. Eine Aussage über das gegenwärtig bestehende Eigentum treffe sie gerade nicht, weswegen der klagende Kunstsammler in seinem Eigentumsrecht auch nicht beeinträchtigt sein könne.
Das Gleiche gilt nach Auffassung des BGH auch für die Eintragung des Gemäldes in der Fahndungsdatenbank von Interpol. Auch mit dieser Meldung sei keine Aussage darüber verbunden, dass sich die Treuhänder als Eigentümer des Gemäldes ansehen und darstellen. Selbst wenn die Treuhänder im Hinterkopf hätten, dass der Trust nach anderen Rechtsordnungen Eigentümer sein könnte, und die Treuhänder so Druck ausüben wollten, stelle ihre Meldung nach deutschem Recht trotzdem keine Eigentumsanmaßung dar.
Nicht nur eine Eigentumsanmaßung, auch eine Eigentumsbeeinträchtigung nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB schließt der BGH hinsichtlich der Eintragung in die Interpol-Fahndungsdatenbank aus. Der Kunstsammler könne deshalb nicht verlangen, dass die Meldung gelöscht werde. Eine bloße sachliche Information über den Verdacht des NS-verfolgungsbedingten Verlustes beeinträchtigt nach Auffassung des BGH die Rechte des Sammlers schon deshalb nicht, weil er die Verbreitung wahrer Tatsachen hinzunehmen habe. Entsprechende Nachteile habe er in Kauf zu nehmen, da das berechtigte Interesse früherer Eigentümer bzw. ihrer Rechtsnachfolger sowie das allgemeine öffentliche Interesse an der Provenienz NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter überwögen.
Ob dagegen eine Eigentumsbeeinträchtigung anzunehmen ist, wenn in Bezug auf die Sache unwahre marktrelevante Tatsachen behauptet werden, sei fraglich, bedürfe aber in diesem Fall auch keiner abschließenden Entscheidung, so der BGH.
Die Vorsitzende Richterin deutete aber an, dass der klagende Kunstsammler womöglich auf verwaltungsrechtlichem Wege Erfolg haben könnte, etwa indem er gegen die Betreiberin der Lost-Art-Datenbank - das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste mit Sitz in Magdeburg - vorgeht.
cp/LTO-Redaktion/dpa
Kunstsammler scheitert vorm BGH: . In: Legal Tribune Online, 21.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52306 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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