Seit ihrer Einführung zum 1. Januar 2008 wird die Verfassungsmäßigkeit der Zinsschrankenregelung heiß diskutiert. Diese beschränkt den Betriebsausgabenabzug von Zinsaufwendungen bei gewerblichen Unternehmen. Der BFH hat sich nun den Zweiflern angeschlossen und mehrere Steuerbescheide wegen verfassungsrechtlicher Bedenken vorläufig ausgesetzt. Die Finanzgerichte könnten nun in ähnlichen Fällen nachziehen, erklärt Gunnar Knorr.
Die so genannte Zinsschranke verhindert den vollständigen Abzug betrieblicher Zinsaufwendungen, um konzerninternen Fremdkapitalfinanzierungen mit dem Ziel der Gewinnverlagerung ins Ausland zu begegnen. Von diesem Ziel ausgehend gilt sie konsequenterweise grundsätzlich nicht, wenn der Betrieb nicht oder nur anteilsmäßig zu einem Konzern gehört ("Stand-alone-Klausel").
In dem Fall, der dem Bundesfinanzhof (BFH) vorlag, hatte eine Vermietungsgesellschaft die von ihr zu vermietende Immobilie finanziert und insgesamt zeitweilig einen Verlust nach Zinsaufwendungen gemacht. Da die Banken für die Finanzierung auch eine Bürgschaft der Gesellschafter gefordert hatten, wäre die Gesellschaft nicht zum Zinsabzug unter der Zinsschranke berechtigt gewesen, so dass sie in Verlustjahren hätte Steuern zahlen müssen.
Vorbeugung von Missbrauch bei der Unternehmensfinanzierung kein überzeugender Grund
Die Münchener Richter setzten den Vollzug des entsprechenden Steuerbescheids allerdings einstweilen aus. Begründung: Wenn einem Unternehmen in einem solchen, offenbar nicht missbräuchlichen Fall der Zinsabzug verwehrt bleibe, sei das problematisch. Der Grund dafür liege in der Ausdehnung des typisierenden Tatbestands, der ursprünglich zur Vermeidung einzelner Missbrauchsgestaltungen geschaffen wurde. Daher seien nun auch Fälle erfasst, in denen ohne das Vorliegen eines Missbrauchs Banken die Besicherung von Gesellschaftsforderungen durch die Gesellschafter verlangten. Hierdurch ergebe sich im Normalfall der Gesellschaftsfinanzierung aber eine unverhältnismäßige Belastung der betreffenden Unternehmen. Die Rückausnahmevorschrift von den Befreiungsnormen sei daher möglicherweise verfassungswidrig (Beschl. v. 13.03.2012, Az. I B 111/11).
Dabei musste der BFH aber nicht die Frage beurteilen, ob die Zinsschranke insgesamt verfassungswidrig ist. Viele Experten bejahen dies und verweisen auf einen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip: Echter Aufwand in Form von Finanzierungskosten eines Unternehmens kann wegen der Zinsschranke steuerlich nicht abgezogen werden. Nach der Begründung des aktuellen Beschlusses scheint es nun, dass die obersten Finanzrichter diese Bedenken teilen. Jedenfalls dürfte die Begründung des Gesetzgebers, Missbräuchen im Zusammenhang mit der Unternehmensfinanzierung vorbeugen zu wollen, insgesamt unzureichend sein, um damit den weitrechenden Eingriff in das objektive Nettoprinzip zu rechtfertigen.
Ob der BFH allerdings in einem solchen allgemeineren Fall ebenfalls die Aussetzung der Vollziehung gewähren würde, ist fraglich: Die Auswirkungen einer Aussetzungsentscheidung auf den Staatshaushalt wären in einem solchen Verfahren ungleich größer als im entschiedenen Fall. Insofern mag, je nach Umständen des Einzelfalls, das Interesse des Steuerpflichtigen an der Aussetzung der Vollziehung gegenüber dem Interesse des Staats an der geordneten Vollziehung der Steuergesetze zurücktreten. Wenn aber, wie im Streitfall, die Zinsschranke den Steuerpflichtigen in die Insolvenz zu treiben droht, dürften auch in anderen Fällen Unternehmen erreichen, dass die Vollziehung der Steuerbescheide ausgesetzt wird.
Dr. Gunnar Knorr ist Rechtsanwalt und Partner bei Oppenhoff & Partner.
BFH zur Unternehmensbesteuerung: . In: Legal Tribune Online, 16.05.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6211 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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