Rassismus-Vorwürfe gegen den Vizepräsidenten des VG Gera: "Derlei vul­gäre Äuße­rungen habe ich nicht getan"

von Dr. Christian Rath

28.06.2024

Die Autonome Antifa Freiburg hat migrantenfeindliche Aussagen des Vizepräsidenten des VG Gera aus Foren gesammelt. Der Richter Bengt Fuchs bestreitet, Urheber zu sein. Das Gericht ist für strenge Asylrechtsprechung bekannt.

In Thüringen wird im September der Landtag neu gewählt. Noch ist Bodo Ramelow (Linke) Ministerpräsident, doch nach der Wahl dürfte die AfD von Björn Höcke mit Abstand stärkste Partei werden. Vorgänge in Thüringen werden daher zur Zeit auch bundesweit genauer beobachtet als früher.

Das Verwaltungsgericht (VG) Gera, insbesondere seine Asyl-Rechtsprechung und der Asylrichter Bengt Fuchs, stehen schon seit geraumer Zeit im Mittelpunkt öffentlicher Debatten, die sich zunehmend zuspitzen. 

Das VG Gera im Blickpunkt

In der Enquete-Kommission des Thüringer Landtags zu Rassismus und Diskriminierung schlugen die Fraktionen von Linke, SPD und Grünen vor: "Die Spruchpraxis der Verwaltungsgerichte in Thüringen bei asyl-  und aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen soll rückwirkend und laufend begutachtet werden, insbesondere auf die Berücksichtigung vulnerabler Merkmale bei den Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, da mehrfach eine unterschiedliche Spruchpraxis und Defizite bei Entscheidungen beobachtet wurden." In der Anhörung im April 2019 wiesen Vertreter der Verwaltungsgerichtsbarkeit dies mit Verweis auf die Gewaltenteilung vehement zurück. 

Im April 2022 veröffentlichte der Flüchtlingsrat Thüringen gemeinsam mit neun weiteren Organisationen ein "Forderungspapier zur Justiz in Thüringen". Dort wird explizit auch Bengt Fuchs angesprochen, der am VG Gera über Asylklagen entscheidet: "Bei einem Rechtsanwälte Sozialarbeiter:innen-Treffen im Juni 2021 gaben alle fünf der anwesenden Rechtsanwält:innen an, noch nie ein Verfahren bei Vizepräsident Dr. Fuchs gewonnen zu haben. Dies deckt sich mit der Erfahrung aus der Beratungspraxis. Selbst Fälle, die bei anderen Gerichten mit großer Sicherheit gewonnen werden, werden abgelehnt."

Stattgabequote bei nigerianischen Asylverfahren unter einem Prozent

2023 fragen Abgeordnete der Linke, u.a. Clara Bünger, die Bundesregierung nach ergänzenden Informationen zur Asylstatistik, insbesondere auch zum VG Gera. Aus der Antwort der Bundesregierung (DrS. 20/8222) ergibt sich, dass das VG Gera, wie auch zahlreiche andere Verwaltungsgerichte, bei Klägern aus manchen Herkunftsstaaten deutlich unterdurchschnittliche Stattgabequoten hat. 

Dies führt zu Presseberichten u.a. im mdr und in der taz, in denen auch Richter Bengt Fuchs mit seiner Zuständigkeit für Klagen von Asylbewerbern aus Eritrea und Nigeria erwähnt wird. Seine Stattgabequote liege jeweils unter einem Prozent, im Vergleich zum Bundesdurchschnitt der Verwaltungsgerichte, der bei rund neun Prozent (Eritrea) bzw. rund sechs Prozent (Nigeria) liege. 

Die niedrige Stattgabequote von Richter Fuchs wird mit einer vermeintlichen AfD-Nähe von Fuchs in Verbindung gebracht. Fuchs werde immer wieder gemeinsam mit dem Geraer AfD-Landtagsabgeordneten Dieter Laudenbach gesehen, etwa bei AfD-Veranstaltungen, aber auch in Laudenbachs Restaurant. Fuchs räumt die Bekanntschaft ein, betont aber, dass sie schon vor Laudenbachs Eintritt in die AfD begann. 

Im Dezember 2023 erhoben Mitglieder des Thüringer Flüchtlingsrats unter Bezugnahme auf die Presseberichte Strafanzeige gegen Bengt Fuchs und einen weiteren Richter des VG Gera wegen Rechtsbeugung. Die Staatsanwaltschaft Gera sah jedoch nicht einmal einen Anfangsverdacht und lehnte mit Verfügung vom Januar 2024 die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ab. 

Das Communiqué der Antifa

In diese angespannte Lage hinein veröffentlichte die Autonome Antifa Freiburg (AAF) an diesem Freitag ein 30-seitiges Communiqué über Bengt Fuchs. Die AAF stellt darin Äußerungen zusammen, die Fuchs in geschlossenen Internetforen gemacht habe und kommt zum Schluss: "Der Grund für die niedrigen Anerkennungsquoten von Asylrichter Fuchs ist seine politische Gesinnung." Die AAF bezeichnet Fuchs als "kaltherzigen  Rassisten", "Schwulenfeind" und attestiert ihm eine "antiziganistische Gesinnung".

Fuchs ist Mitglied der Göttinger Studentenverbindung Salia Jenensis und hat dort den Status als Alter Herr (weil er nicht mehr studiert). Über diesen Status hatte er Zugang zum Internetforum "Tradition mit Zukunft", das von 2002 bis 2011 existierte. Nach AAF-Angaben posteten dort rund 15.000 Mitglieder insgesamt rund 1,5 Millionen Beiträge, die der AAF vollständig vorliegen. Fuchs soll dort als "Bengt-Christian Fuchs, Salia Jenensis Göttingen" in rund vier Jahren 2554 Nachrichten gepostet haben. 

Nach Schließung dieses eigenständigen Forums setzten die Mitglieder die Diskussion in mehreren Facebook-Gruppen fort. Fuchs war laut AAF-Recherche Mitglied in den Facebook-Gruppen "Tradition mit Zukunft", "TraMiZu | Das Politikforum", "TramiJUR", "TraMiPOL" und "Tradition mit Zukunft in der Berufswelt". Erst jüngst, wohl unter dem Eindruck von Medienrecherchen, sei er aus allen Gruppen ausgeschieden, so die AAF. In den Gruppen postete er mit seinem Facebook-Account "Fuchs Benedikt". Bengt ist die schwedische Variante des Vornamens Benedikt. 

Unter anderem soll Bengt Fuchs in den Foren folgende Äußerungen gemacht haben: 

  • [über Thüringen] "Wer den Quatsch mit den Migranten nicht haben will, zieht zu uns. keine 2 % Ausländer" (7. Mai 2009)
  • [über Neukölln] "Mir ist es ein Rätsel, wie man als aufrechter Deutscher überhaupt nur einen Tag sich und vor allem seine Kinder den in dem Video gezeigten Verhältnissen aussetzen kann." (7. Mai 2009)
  • "Kann das Weib nicht endlich in ihre Heimat zwangsverheiratet werden?" (8. September 2010)
  • [über gescheiterte Abschiebungen] "Meine Idee, die Typen im Überflug mit ner Transall über ihrer Heimat mit nem Fallschirm abwerfen zu lassen, wird von Mitarbeitern in Ausländerbehörden zwar begrüßt, dürfte aber an Voßkuhle und Consorten scheitern... ;-D" (1. Dezember 2012)
  • [über Klaus Wowereit] "Der Kosename dieses Herren ist 'Po-bereit'" (20. September 2009)
  • "Wenn ein Lehrer sich anschicken sollte, meinen Kindern vermitteln zu wollen, dass homo- oder transsexuelle Veranlagungen einem heterosexuellen Dasein gegenüber als gleichberechtigt und normal zu beurteilen sind, hat er mich ebenso am Hals wie jene Lehrer, die meinen Kindern zu vermittel[n] versuchen, dass es in der "DDR" nicht so schlimm gewesen sei" (23. Juni 2011)
  • [Vorschlag für eine alternative Bezeichnung für Sinti und Roma] "Rotationseuropäer mit Eigentumszuordnungsschwäche" (7. August 2019)

Bengt Fuchs bestreitet die Äußerungen

Bengt Fuchs bestreitet, dass er der Autor dieser Äußerungen ist: "Derlei vulgäre Äußerungen habe ich nicht getan, sie sind mir wesensfremd und weder inhaltlich, noch formal mein Ton. Derlei Ansichten vertrete ich grundsätzlich nicht. Jeder der mich kennt, wird Ihnen meine liberale und jederzeit menschliche Einstellung bestätigen können", antwortete er auf LTO-Anfrage. "Es muss sich aus meiner Sicht um einen - von wem auch immer - sehr üblen, 'gefakten' Angriff auf mich handeln."

LTO berichtet dennoch über das Communiqué, weil viel dafür spricht, dass die dortigen Darstellungen stimmen. 

So veröffentlicht die AAF bereits seit 2007 "Communiqués", in denen sie in der Regel Rechtsextremisten outet. Die ausführlichen Dossiers werden immer wieder auch von bürgerlichen Medien aufgegriffen, weil die Darstellungen faktensicher und gerichtsfest sind. 

Die AAF beschafft sich die Informationen mit nicht immer rechtsstaatlichen Methoden. Manchmal hat sie auch Helfer im anderen Lager. "Die Informationsbeschaffung bedarf jahrelanger Kontaktpflege unter Wahrung vollständiger Anonymität der Quellen", heißt es im aktuellen Communiqué. Die Methoden der AAF sind zwar oft zweifelhaft, bürgen aber für hohe Authentizität der Daten.

Hat sich jemand als Bengt Fuchs ausgegeben? 

Dass sich jemand in den Foren als Bengt Fuchs ausgibt und in seinem Namen postet, hält die AAF schon deshalb für unwahrscheinlich, weil bei der Foren Aufnahme die Zugehörigkeit zu einer Verbindung genau verifiziert worden sei. Vor allem aber seien die Äußerungen ja nicht im kleinen Kreis gefallen, sondern vor einem großen Publikum von mehreren tausend Personen. Bei "wesensfremden" Aussagen in den Foren wäre Fuchs sicher von Bekannten darauf angesprochen worden. 

Außerdem waren in den Tausenden geposteten Beiträgen immer wieder auch Hinweise auf Fuchs' aktuelle Tätigkeiten enthalten, etwa dass er ans Thüringer Justizministerium abgeordnet wurde, dass er "frisch gebackenes Mitglied einer großen Strafkammer" ist und - einige Jahre später -, dass er "langgedienter Asylrichter" sei. Um all dies punktgenau zu faken, wäre wohl schon eine größere geheimdienstliche Aktion nötig gewesen.

Beleg für Rechtsbeugung?

Doch auch wenn die im Communiqué enthaltenen Äußerungen wirklich von Bengt Fuchs stammen sollten, so würden sie nicht beweisen, dass Fuchs in seiner Asylrechtsprechung das Recht vorsätzlich falsch anwendet. Der Vorsatz zur Rechtsbeugung ergibt sich nicht schon aus einer bestimmten Weltanschauung, auch wenn das für manche Beobachter evident zu sein scheint. Auch private Äußerungen ohne Bezug zu konkreten Gerichtsverfahren reichen nicht für einen strafrechtlichen Verdacht.

Fuchs kann darauf verweisen, dass seine Entscheidungen - es seien rund ­tausend ­- bisher erst einmal vom Thüringer Oberverwaltungsgericht in Weimar aufgehoben wurden. 

Für den Thüringer Flüchtlingsrat zeigt das aber nur, wie geschickt Fuchs vorgehe. So nutze er sehr häufig abstrakte Textbausteine und verweise etwa auf den "detailarmen, vagen und unsubstantiierten" Vortrag der Kläger. Für sich genommen erwecken solche Formulierungen nicht den Verdacht, dass hier ein Rassist die Rechte von Flüchtlingen verletzen könnte. 

Die nun bekannt gewordenen mutmaßlichen Äußerungen von Fuchs könnten allerdings die Besorgnis der Befangenheit in Asylsachen auslösen. Flüchtlinge könnten den Richter dann für ihr Verfahren ablehnen.

Fuchs spricht von einer "Kampagne", die gegen ihn laufe. Dabei setze er sich sogar im Privatleben für bedrängte Ausländer ein. So hätten er und seine Frau sich im letzten Winter in einem Regionalzug bei Leipzig "mit besoffenen Glatzen angelegt", die eine Gruppe syrischer Frauen anpöbelten. Als Dank seien sie von den syrischen Frauen zum Abendessen eingeladen worden. Der Einladung seien er und seine Frau "gerne gefolgt", schreibt Fuchs. 

Zitiervorschlag

Rassismus-Vorwürfe gegen den Vizepräsidenten des VG Gera: "Derlei vulgäre Äußerungen habe ich nicht getan" . In: Legal Tribune Online, 28.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54884/ (abgerufen am: 30.06.2024 )

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