2/2: Einschränkung der Auskunft nur ausnahmsweise möglich
Der Informationsanspruch der Parlamentarier gegenüber der Regierung kann jedoch aus besonderen Gründen eingeschränkt sein, so das Münchener Gericht. Wichtig ist, dass diese Gründe sich aus den Umständen des konkreten Einzelfalles ergeben müssen. Es gibt insbesondere keine Ausnahmen vom parlamentarischen Informationsanspruch, die sich auf ganze Bereiche der Tätigkeit der Exekutive beziehen. Die Regierung kann also nicht pauschal behaupten, die Tätigkeit des Verfassungsschutzes sei insgesamt geheimhaltungsbedürftig, sondern sie muss stets im Einzelfall begründen, weshalb gerade die nachgefragte Information ausnahmsweise dem Parlament vorenthalten werden soll.
Der BayVerfGH stellt dabei drei Kategorien von Gründen fest: Zunächst muss die Regierung normalerweise keine Informationen neu beschaffen, um eine Anfrage zu beantworten. Liegen also die gewünschten Daten der Regierung nicht vor, weil sie etwa nicht in ihre Zuständigkeit fallen oder weil die entsprechenden Akten rechtmäßigerweise vernichtet wurden, müssen die Abgeordneten dies hinnehmen.
Die Regierung kann eine Information auch verweigern, weil funktionale Gründe dagegen sprechen, sie an die parlamentarischen Fragesteller weiterzugeben. So wollten die Antragsteller unter anderem wissen, wie viele V-Leute in Vorständen der NPD tätig waren. Die Aufstellung sollte nach Jahren und nach den Ebenen der Vorstände (Bundes-, Landes-, Kreis- und Ortsvorstände) aufgeschlüsselt werden. Weil daraus seitens der NPD auf die operative Tätigkeit des Verfassungsschutzes zurückgeschlossen werden könne, sah das Gericht eine Grenze des parlamentarischen Auskunftsanspruchs erreicht.
Funktionsinteresse des Verfassungsschutzes überwiegt Auskunftsinteresse
Letztlich hat der BayVerfGH hier abgewogen, ob es wichtiger ist, dass der Verfassungsschutz seine bestimmungsgemäßen Aufgaben erfüllen kann, oder dass das Parlament (und damit im Regelfall auch die Öffentlichkeit) informiert wird – und insoweit das Funktionsinteresse als bedeutender eingestuft. Allerdings können sich die Gewichte im Einzelfall wieder zugunsten einer Auskunft verschieben, wenn ein besonderes Interesse daran besteht. Dies seit etwa der Fall, wenn der Verfassungsschutz Mandatsträger überwacht. Zurecht sieht das Gericht darin eine besondere Gefahr für einen freien demokratischen Prozess, der ja darauf zielt, das Handeln der Exekutive durch das Volk und seine Vertreter zu bestimmen und zu kontrollieren. Es ist in diesem Zusammenhang offenkundig problematisch, wenn die Exekutive ihrerseits die Volksvertreter überwacht.
Anhand der Gefahr für enttarnte V-Leute haben die Richter in München dem parlamentarischen Auskunftsanspruch eine dritte Grenze gezogen: Die Regierung darf (und muss) auch dann schweigen, wenn andernfalls Grundrechte Dritter unverhältnismäßig beeinträchtigt würden. Auch aus diesem Grund durfte die Anfrage zu den V-Leuten in NPD-Vorständen unbeantwortet bleiben, deren Leben und Gesundheit sonst gefährdet worden wären.
Verweigerung der Auskunft muss stets konkret begründet werden
Insgesamt setzt das Urteil des BayVerfGH eine Serie von Urteilen des BVerfG und der Landesverfassungsgerichte fort, welche die Informationsrechte der Parlamente gegenüber den Regierungen genauer ausformen und stärken. Wichtig ist zunächst, dass die bayerischen Richter auch für die ten-denziell geheimhaltungsbedürftige Tätigkeit der Nachrichtendienste dabei bleiben, dass Ausnahmen vom parlamentarischen Informationsanspruch immer mit Bezug auf den Einzelfall begründet werden müssen. Mit dieser Absage an alle Pauschalbegründungen erhält das Gericht das Regel-Ausnahmeverhältnis von Information und Verweigerung aufrecht.
Weiterhin ist das Urteil auch für die Bundesebene interessant. Denn am 15. April wird vor dem BVerfG über die Informationsrechte der Abgeordneten gegenüber der Bundesregierung in Sachen Rüstungsexporte verhandelt. Auch hier fließen Informationen bislang eher spärlich. Vorschläge aus der Politik um die Lage zu verbessern, liefen häufig darauf hinaus, ein neues "Rüstungsexportgremium" des Bundestages einzurichten, das ähnlich wie das PKG operieren, also auch der Geheimhaltung unterliegen soll. Zu solchen Plänen empfiehlt sich die Lektüre der Entscheidung aus München, die trotz PKG an einem Informationsanspruch aller Parlamentarier festhält.
Der Autor Dr. Sebastian Roßner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Rechtstheorie und Rechtssoziologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Sebastian Roßner, BayVerfGH zu Informationsansprüchen des Landtages: . In: Legal Tribune Online, 21.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11405 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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