Während der Corona-Pandemie soll die Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungs- und Genehmigungsverfahren ins Internet verlagert werden können. Gut so, finden Jan Thiele und Maximilian Dombert. Aber warum nur während Corona?
Es sollte schnell gehen und das ist es nach deutschen Maßstäben bislang auch: Das Genehmigungsverfahren für den Bau der Tesla-Fabrik in der brandenburgischen Gemeinde Grünheide. Bereits im März hätte der öffentliche Erörterungstermin für das Vorhaben stattfinden sollen. Doch dann kam das Corona-Virus und mit ihm die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen. Sie machten eine Durchführung des Termins unmöglich.
Vor diesem verfahrensrechtlichen Problem stehen derzeit viele Behörden, wenn im Rahmen von Plan- oder Genehmigungsverfahren die Durchführung einer öffentlichen Erörterung vorgeschrieben ist. Auch die öffentliche Auslegung von Antragsunterlagen und Genehmigungsbescheiden ist nicht möglich, soweit Gemeindeverwaltungen im Zuge der geltenden Beschränkungen für den allgemeinen Publikumsverkehr gesperrt sind.
Daher hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf beschlossen, der die ordnungsgemäße Durchführung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sicherstellen soll. Er betrifft alle Bauleitplan- und Raumordnungsverfahren sowie Planfeststellungsverfahren genauso wie immissionsschutzrechtliche Genehmigungen und Verfahren, für die eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeschrieben ist.
Vorschläge nach dem Entwurf des PlanSiG
Mit dem Planungssicherstellungsgesetz (PlanSiG) soll nun die Öffentlichkeitsbeteiligung befristet ins Internet verlagert werden. Als Ersatz für zwingend durchzuführende Erörterungstermine, Antragskonferenzen und mündliche Verhandlungen besonderer Verwaltungsverfahren sind Online-Konsultationen, Video- und Telefonkonferenzen vorgesehen. Dort, wo Termine mit physischer Anwesenheit der Beteiligten in das Ermessen der Behörde gestellt sind, soll wegen der Covid-19-Pandemie auf die Durchführung verzichtet werden dürfen. Bekanntmachungen und Unterlagen sollen zudem über das Internet zugänglich gemacht werden.
Zwar soll die Entscheidung den zuständigen Behörden vorbehalten bleiben, ob sie von den Optionen der Online-Beteiligung im Einzelfall Gebrauch machen wollen. Hierauf deutet die fakultative Formulierung der Regelungsvorschläge hin: Sie sind sämtlich als „Kann“-Bestimmungen gefasst. Inwieweit die Behörden und Gemeinden diese Möglichkeiten im Rahmen von Planungs- und Genehmigungsverfahren nutzen werden, wird sich also erst zeigen. Allerdings ist bereits jetzt klar: Für die Digitalisierung von Verwaltungsverfahren kann das Planungssicherstellungsgesetz einen enormen Schub bedeuten.
Beteiligung analog muss parallel möglich bleiben
Aber es gibt auch kritische Stimmen: Sie befürchten, dass weniger technikaffine Bevölkerungsgruppen daran gehindert werden könnten, ihre Beteiligungsrechte wahrzunehmen, wenn die Öffentlichkeitsbeteiligung nur digital stattfindet. Deshalb sieht der Entwurf des Planungssicherstellungsgesetzes vor, dass die "analoge" öffentliche Auslegung zusätzlich erfolgen soll, soweit es den Umständen nach möglich ist. Ist es das nicht, muss die Behörde andere "leicht zu erreichende" Zugangsmöglichkeiten schaffen. Als Beispiel nennt die Begründung des Gesetzentwurfs etwa öffentliche Lesegeräte oder unter Umständen auch die Versendung der Unterlagen. Darüber hinaus ist ein "Zugang für die Abgabe von elektronischen Erklärungen" bereitzuhalten, eine Stellungnahme mit einfacher E-Mail ist daher möglich. Daneben bleibt die schriftliche Abgabe von Erklärungen unbenommen.
Versucht der Bund, den Ländern Vorgaben zu machen?
Als problematisch könnte sich allerdings erweisen, dass der Gesetzgeber die Behörden dazu anhalten will, auf Erörterungstermine, die in ihrem Ermessen liegen, aus Gründen des Pandemieschutzes zu verzichten. Damit steigt das Risiko, dass Vorhaben im Nachgang wegen einer vermeintlich unzureichenden Öffentlichkeitsbeteiligung angegriffen werden. Darüber hinaus ist diese Regelung im Gesetzesentwurf auch aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich: Denn der Bundesgesetzgeber erteilt damit den Landesbehörden in Planungsverfahren Vorgaben zur Anwendung von Bundesrecht – im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht unproblematisch.
Angesichts dessen hat auch der Deutsche Anwaltverein in seiner Stellungnahme Zweifel geäußert, ob der Bundesgesetzgeber insoweit tatsächlich eine Kompetenz zur Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens im Wege der Annexkompetenz beanspruchen kann. Für das Zustandekommen des Gesetzes wird es aber auch auf die Zustimmung der Länder im Bundesrat ankommen. Sie haben also ohnehin noch mitzuentscheiden.
Insgesamt setzt jedoch der Bundesgesetzgeber im Interesse einer auch weiterhin funktionsfähigen Verwaltung und der erforderlichen Investitionssicherheit schon an der richtigen Stelle den Hebel an, indem er statt Präsenzterminen Online-Konsultationen, Video- und Telefonkonferenzen vorsieht. Der damit verbundene weitgehende Ausschluss der Öffentlichkeit dürfte derzeit gerechtfertigt sein. Denn gerade weil die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie bereits jetzt schon erheblich sind, muss unbedingt vermieden werden, dass die ohnehin schon zeitintensiven Zulassungs- und Aufstellungsverfahren nicht auf unabsehbare Zeit hinausgezögert werden.
Digitalisierung der Planungs- und Genehmigungsverfahren nicht nur in Krisenzeiten
Der Gesetzgeber hat die Regelungen im Plansicherstellungsgesetz zunächst bis zum 31. März 2021 befristet. In der Entwurfsbegründung wird argumentiert, dass es vorrangig darum geht, die Verwaltungsverfahren für die aktuellen Herausforderungen der Pandemie zu ertüchtigen. Eine mögliche Vereinfachung durch die elektronischen Verfahrensabläufe spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Dabei bietet die aktuelle Krise jedoch durchaus die Chance, bestimmte Regelungen für die dauerhafte Anwendung zu erproben.
Das gilt besonders für die Auslegung der Unterlagen. Hier ist zwar bereits heute schon vorgesehen, dass diese ins Internet einzustellen sind. Allerdings ist das nur eine zusätzliche Möglichkeit der Einsichtnahme. Die analoge Offenlage ist nach wie vor die gesetzliche Regel. Für die Behörden würde es aber sicher das Verfahren erleichtern und Ressourcen schonen, wenn dieser Teil der Öffentlichkeitsbeteiligung dauerhaft ins Internet verlagert würde und sie nur noch auf Anfrage die Planungsunterlagen analog zur Einsicht herausgeben müssten.
Außerdem besteht bereits jetzt schon bei Beteiligungsverfahren – etwa in Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern bei der Festlegung von Gebieten für die Windenergienutzung – die Möglichkeit, alle Planungsunterlagen online einzusehen und anschließend Stellungnahmen über Online-Beteiligungsmodule digital hochzuladen.
Eine Ausnahme bilden hingegen Erörterungstermine. Sie sollten nach Abklingen der Corona-Pandemie vorrangig wieder mit physischer Anwesenheit aller Beteiligten stattfinden. Denn für die Akzeptanz eines Vorhabens in der Bevölkerung spielen sie eine hervorgehobene Rolle. Sie zeigen der Öffentlichkeit, dass in einem Genehmigungsverfahren alle Fakten auf den Tisch kommen und die Bedenken der Kritiker ernst genommen werden. Den Austausch der Argumente zwischen Vorhabenträger, Genehmigungsbehörde und Öffentlichkeit von Angesicht zu Angesicht kann eine Online-Konsultation nicht dauerhaft ersetzen.
Der Bundestag wird in den nächsten Wochen über den Gesetzentwurf beraten, eine Zustimmung des Bundesrats könnte dann schon am 15. Mai erfolgen. Damit wäre der Weg für Plan- und Genehmigungsverfahren auch in Corona-Zeiten geebnet.
Dr. Jan Thiele ist Partner bei der auf öffentliches Recht spezialisierten Kanzlei DOMBERT Rechtsanwälte in Potsdam.
Dr. Maximilian Dombert ist dort als Rechtsanwalt tätig. Beide beraten die Gemeinde Grünheide bei der Ansiedlung von Tesla.
Planungssicherstellungsgesetz für Bauprojekte: . In: Legal Tribune Online, 08.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41563 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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