Beratung von Anlegern: "Banken sollten Kun­den­ge­spräche auf­zeichnen müssen"

Interview mit Jens-Peter Gieschen

01.07.2014

2/2: "Datenschutz steht Aufzeichnung nicht entgegen"

LTO: Wie ließe sich das ändern?

Gieschen: Ein praktischer Ansatz besteht darin, sich einen Berater zu suchen, der auf Honorarbasis arbeitet und weder Zielvorgaben erfüllen muss, noch Provisionen dafür erhält, dass er bestimmte Produkte verkauft. Allerdings nehmen solche Berater meist nur solvente Kunden an, unterhalb von einem mittleren sechsstelligen Vermögen sind Sie für die eher nicht interessant.

LTO: Könnte eine Gesetzesänderung helfen? Bundesjustizminister Heiko Maas hat bereits angekündigt, dass er über Reformen nachdenke, um den Verbraucherschutz im Anlagebereich zu stärken.

Gieschen: Da gibt es vor allem einen sinnvollen Ansatz: Die Beratungen sollten vollständig aufgezeichnet werden müssen. Da werden die Banken natürlich aufschreien, aber mit den heutigen Speicherkapazitäten und Datenverarbeitungsmöglichkeiten ist das überhaupt kein Problem mehr. Und im Prozess hätte man dann eine exakte Wiedergabe dessen, was der Berater gesagt hat, anstelle eines unvollständigen oder überhaupt nicht angefertigten Protokolls.

LTO: Gegen diesen Vorschlag dürften sicher auch datenschutzrechtliche Bedenken laut werden.

Gieschen: Meines Erachtens aber zu Unrecht. Der Berater hat doch überhaupt kein schützenswertes Interesse daran, dass die Empfehlungen, die er dem Kunden gegenüber ausspricht, nicht aufgezeichnet werden. Die Kunden könnte zwar eine diffuse Sorge plagen, dass die Aufzeichnungen irgendwie in fremde Hände gelangen und Dritte Kenntnis über ihre Vermögenssituation erhalten könnten. Dieses Risiko besteht aber derzeit auch schon: Wenn jemand tatsächlich unbefugt Zugriff auf die Kundendaten einer Bank erhielte, dann wüsste derjenige sowieso genauestens über die Vermögenssituation der Kunden Bescheid, da machen ein paar zusätzliche Audiodateien dann auch keinen Unterschied mehr.

"Reformen werden so lang verwässert, bis sie wertlos sind"

LTO: Halten Sie es denn für realistisch, dass eine entsprechende Pflicht gesetzlich verankert wird?

Gieschen: Absolut nicht, und das gilt auch für jede andere, substantielle Änderung zu Gunsten der Anleger. Ich fürchte, dass die angekündigten Reformen reiner Aktionismus sein werden, genauso wie auch diese Studie schon reiner Aktionismus war. Man brauchte kein 500-seitiges Dokument, um zu belegen, was jeder Anwalt, der in dem Bereich tätig ist, längst wusste, nämlich, dass die Beratungsprotokolle den Anlegern rein gar nichts bringen.

Mit den angekündigten Reformen dürfte es ähnlich sein: Da werden jetzt erst einige Ideen diskutiert, die sich alle ganz toll anhören, und am Ende wird das Ganze mit so vielen Ausnahmebestimmungen versehen und so lasch überwacht, dass der Effekt gleich null ist.

LTO: Das klingt ziemlich pessimistisch.

Gieschen: Es ist einfach realistisch. Und kann auch niemanden verwundern, wenn man bedenkt, dass das Justizministerium zum Anfertigen der Reformentwürfe im Bankenrecht oft auf die Expertise von Großkanzleien zurückgreift – also von genau den Leuten, die die Interessen der Banken vertreten. Nehmen Sie nur die Umsetzung der AIFM-Richtlinie, die die Behandlung von Finanzprodukten in Europa vereinheitlichen sollte. Ursprünglich sollte damit auch der gesamte "graue Kapitalmarkt", also z.B. geschlossene Fonds, geregelt werden. Am Ende gab es zahlreiche Ausnahmen, sodass viele Anlageformen, wie etwa Schiffsfonds, nicht mehr darunter fallen; ihr Zweck war damit verfehlt. Mit einer Reform der Protokollpflicht wird es nicht anders sein.

LTO: Herr Gieschen, vielen Dank für das Gespräch.

Jens-Peter Gieschen ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Gründungspartner der Kanzlei für Wirtschafts- und Anlagerecht (KWAG) in Bremen. Die Kanzlei hat bereits zahlreiche größere Verfahren auf Anlegerseite geführt.

Das Interview führte Constantin Baron van Lijnden.

Zitiervorschlag

Beratung von Anlegern: . In: Legal Tribune Online, 01.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12403 (abgerufen am: 02.11.2024 )

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