BAG zu Statistiken im Diskriminierungsverfahren: "Ein Kind, 7 Jahre alt!"

2/2 Vergleichende Zahlen

Hartnäckig hält sich ja die Aussage, man solle nur den selbstgefälschten Statistiken glauben, obwohl nicht belegbar ist, dass der besagte britische Staatsmann sie je geäußert haben soll. Ungeachtet dessen werden primär Statistiken als wichtige Informationsquelle und Entscheidungshilfe herangezogen, um diese Vergleiche anzustellen und mittelbare Diskriminierungen aufzudecken. Spätestens seit dem Jahr 2010 ist die statistische Erhebung in AGG-Klagen als Beweismittel offiziell anerkannt. In dem Jahr hatte das BAG in der GEMA-Entscheidung (Urt. v. 22.07.2010, Az. 8 AZR 1012/08) klargestellt, dass eine Statistik ein geeignetes Indiz für eine Diskriminierung wegen des Geschlechts ist.

Mithilfe dieser Statistiken stellen Gerichte einen Vergleich an zwischen der Gesamtheit der Personen, die von einer potenziell diskriminierenden Regelung erfasst werden und der Gesamtheit der Personen, die durch die Regelung benachteiligt werden. Ergibt ein Vergleich dieser Statistiken beispielsweise, dass sich in der benachteiligten Gruppe mehr Angehörige eines Geschlechts finden als in der begünstigten, so ist  eine verbotene Schlechterstellung gegeben (LAG Hamm, Urt. v. 06.06.2013, Az. 11 Sa 335/13).

Es muss sich aber um eine aussagekräftige und für die umstrittene Fallkonstellation gültige Erhebung handeln. So ist zum Beispiel die bloße statistisch belegte Unterrepräsentanz des weiblichen Geschlechts in den Führungsetagen von Unternehmen kein erfolgreich geführter Beweis einer Benachteiligung wegen des Geschlechts. Denn ein solcher Beweis würde voraussetzen, dass sich immer gleich viele Frauen und Männer um eine Führungsposition bewerben. Wenn nicht, bleibt die Statistik graue Theorie und beweist keine verbotene Benachteiligung.

BAG: Nur einschlägige Statistiken zählen

Das LAG hatte die Auswertung des Mikrozensus 2010 durch das Statistische Bundesamt genutzt, um eine Benachteiligung wegen des Geschlechts zu vermuten. Das Amt hatte den Anteil von Ehefrauen mit Kind an der Gesamtzahl der Vollbeschäftigten untersucht. Da auch heute noch weitestgehend die Frauen die Betreuung minderjähriger Kinder im Grundschulalter übernehmen, sind sie sehr viel seltener (voll) erwerbstätig als Väter.

Obwohl der Radiosender sich ja für eine – kinderlose - Frau entschieden hatte, konnte er nicht nachweisen, dass das Geschlecht als Entscheidungskriterium positiv ausgeschlossen war. Aus der Statistik schloss das Landgericht daher, dass das Geschlecht als pönalisiertes Merkmal bei der Ablehnung der Bewerbung eine Rolle gespielt haben müsse. Denn wenn an das geschlechtsspezifische Kriterium der Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeknüpft worden ist, hätte der Arbeitgeber nachweisen müssen, dass ein hypothetischer männlicher Bewerber nach der Lebenserfahrung nicht wegen des Kriteriums "ein Kind, 7 Jahre alt" benachteiligt worden wäre.

Das BAG entschied aber nun, dass die vom LAG herangezogene Statistik keine Aussagen für eine potentiell gegenüber der Klägerin vorgenommene Benachteiligung nach §§ 1, 3 Abs. 2 AGG zulasse. Wie eine für diese Fallkonstellation aussagekräftige Erhebung aussehen könne, ließ es offen.

Vielleicht hat das LAG aber einfach viel zu kompliziert gedacht und es bedarf weder des Kriteriums der mittelbaren Diskriminierung noch einer neuen Statistik. Vielmehr legten die Erfurter Richter der Vorinstanz am vergangenen Donnerstag nahe, zu prüfen, ob nicht sogar eine unmittelbare Benachteiligung der abgelehnten Bewerberin als Frau zu sehen ist. Dazu müsse es dann nur den handschriftlichen Vermerk auf dem zurückgesandten Lebenslauf auslegen.

Der Autor Dr. Jan Tibor Lelley, LL.M. ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei Buse Heberer Fromm Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB.

Zitiervorschlag

Jan Tibor Lelley, BAG zu Statistiken im Diskriminierungsverfahren: . In: Legal Tribune Online, 22.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13263 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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