Im Gegenzug für eine Gehaltserhöhung eine dreijährige Kündigungsfrist? Das benachteiligt den Arbeitnehmer, so das BAG. Michael Fuhlrott erklärt, warum die Richter die lange Bindung für unangemessen hielten.
Planungssicherheit im Arbeitsverhältnis ist grundsätzlich nicht schlecht. Und eine einmal gewonnene und ausgebildete Fachkraft mit vertieften Kenntnissen von den betrieblichen Vorgängen womöglich auch für die Konkurrenz interessant. Ob dies die einzelnen Gedanken des Arbeitgebers waren, ist nicht bekannt. Jedenfalls vereinbarte eraber mit dem als Speditionskaufmann beschäftigten Arbeitnehmer im Juni 2012 eine Gehaltserhöhung von vormals 1.400 Euro brutto auf 2.400 Euro brutto nebst Provisionen.
Allzu großzügig wollte der Arbeitgeber damit nicht sein: In der Zusatzvereinbarung wurde vereinbart, das Gehalt für einen Zeitraum von drei Jahren einzufrieren. Zudem wurde dem Mitarbeiter eine leitende Stellung in einer Niederlassung übertragen.
Die hierzu abgeschlossene vertragliche Zusatzvereinbarung enthielt außerdem insbesondere eine Verlängerung der Kündigungsfrist auf drei Jahre zum Monatsende, die sowohl für den Arbeitgeber, als auch für den Arbeitnehmer galt. Schließlich wurde eine Vertragsstrafe für den Arbeitnehmer im Falle fristwidriger Kündigung vereinbart. Die Vereinbarung trug ferner den Hinweis, dass es sich um eine individuell ausgehandelte Absprache handele.
Überwachung mit Keylogger
Ende Dezember 2014 war der Arbeitnehmer aber nicht mehr glücklich in seiner Position und sprach eine "ordnungsgemäße und fristgerechte" Kündigung zum 31. Januar 2015 aus. Ab Februar 2015 nahm er sodann eine Tätigkeit bei einer Wettbewerberin seines vormaligen Arbeitgebers auf. Kurz vor der Kündigung hatte der Arbeitnehmer zudem erfahren, dass sein Arbeitgeber ihn – wie auch alle anderen Mitarbeiter – mit einer sogenannten Keylogger-Software ("PC Agent") überwachen ließ.
Dieses Programm arbeitet im Hintergrund und ist vom Benutzer des jeweiligen Computers im Rahmen der normalen Nutzung grundsätzlich nicht zu erkennen. Mit ihm können u. a. alle Tastaturanschläge, Mausklicks, Benutzer-An- und -abmeldungen, besuchte Websites, Formulardaten, empfangene und gesendete E-Mails sowie Passwörter und Authentifizierungen protokolliert werden. Eine Information der Mitarbeiter über die Installation des Programms erfolgte nicht – ein datenschutzrechtlich sehr fragwürdiges Vorgehen.
Der Arbeitgeber nahm die Kündigung seines Mitarbeiters nicht hin und verklagte diesen vor dem Arbeitsgericht Leipzig (Urt. v. 12.06.2015, 3 Ca 184/15) auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis weiter bestehe. Damit hatte er zunächst Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Sachsen (Urt. v. 19.01.2016, 3 Sa 406/15) und das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 26.10.2017, Az.: 6 AZR 158/16) sahen das jedoch anders.
Auf die Überwachung mit dem Keylogger kam es dabei allerdings im Ergebnis gar nicht an. Die sächsischen Landesarbeitsrichter erklärten, es könne dahinstehen, ob die Installation des Keyloggers einen wichtigen Kündigungsgrund für den Arbeitnehmer dargestellt habe. Jedenfalls lasse sich aufgrund dessen ausdrücklicher Erklärung im Kündigungsschreiben, "ordentlich und fristgerecht" kündigen zu wollen, keine außerordentlich fristlose Kündigung annehmen.
Dreijährige Kündigungsfrist benachteiligt den Arbeitnehmer
Im Ergebnis sei dies aber auch nicht relevant, da der Arbeitnehmer auch ordentlich fristgerecht zum 31. Januar 2015 habe kündigen können. Die Vereinbarung einer dreijährigen Kündigungsfrist erweise sich nämlich als unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers. Sie verstoße damit gegen § 307 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), da sie die grundgesetzlich in Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte Berufsausübungsfreiheit verletze.
Die Parteien hätten zwar im Vertrag von einer Individualvereinbarung gesprochen, welche einer AGB-Kontrolle nicht unterliege. Entgegen der wörtlichen Bezeichnung handele es sich hierbei aber tatsächlich um keine Individualvereinbarung. Diese sei vom Arbeitgeber vorformuliert gewesen, es sei nicht ersichtlich, inwieweit dem Arbeitnehmer tatsächlich ein Verhandlungsspielraum zugekommen sei.
Vielmehr sei anzunehmen, dass der Arbeitgeber die Gehaltserhöhung nur bei Einräumung einer langen Bindungsfrist zu gewähren bereits gewesen sei. Dies spreche aber gegen ein freiwilliges Verhandeln der Regelung zur Bindungsfrist.
Massive Verletzung der Berufsausübungsfreiheit
Dies sah auch das Bundesarbeitsgericht so. Eine vom Arbeitgeber vorformulierte Verlängerung der Kündigungsfrist sei unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere unter Beachtung der Berufsausübungsfreiheit, zu beurteilen.
Selbst eine Frist, die für beide Seiten gleichermaßen gelte, wie dies § 622 Abs. 6 BGB verlange und nicht über die gesetzliche Höchstgrenze des § 15 Abs. 4 TzBfG von 5 Jahren hinausgehe, könne sich daher als unangemessen erweisen. Dies sei hier der Fall, da der Nachteil für den Arbeitnehmer auch nicht durch die Gehaltserhöhung aufgewogen werde. Denn diese habe das Vergütungsniveau langfristig eingefroren, was ebenfalls als Umstand für eine Unangemessenheit der Regelung spreche.
Auf die Frage, ob der Einsatz des Keyloggers ebenfalls eine – sogar fristlose – Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer gerechtfertigt hätte, mussten die Erfurter Richter aber nicht eingehen. Aufgrund des gravierenden Eingriffs in das Datenschutzrecht und des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers spricht aber viel dafür, dass eine solche Vorgehensweise eines Arbeitgebers auch eine fristlose Lösung vom Arbeitsverhältnis rechtfertigt – die der Arbeitnehmer hier aber gar nicht anstrebte.
Der Autor Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Professor für Arbeitsrecht und Studiendekan des Bereichs Wirtschaftsrecht und Human Resources Management an der Hochschule Fresenius sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei der Römermann Rechtsanwälte AG in Hamburg.
Michael Fuhlrott, BAG zu Arbeitsvertrag: . In: Legal Tribune Online, 26.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25263 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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