Ein gekündigter Arbeitnehmer muss sich um einen neuen Job bemühen, auch wenn er gegen die Kündigung klagt. Der bisherige Arbeitgeber darf nun sogar Auskunft über unterbreitete Vermittlungsvorschläge verlangen, erläutert Stefan Lochner.
Das Ende eines Arbeitsverhältnisses folgt oft einem ähnlichen Schema: Der Arbeitgeber spricht eine Kündigung aus, der Arbeitnehmer erhebt hiergegen Klage. Es dauert dann bis weit über den Beendigungstermin hinaus, bis das Arbeitsgericht über die Wirksamkeit der Kündigung urteilt. In der Zwischenzeit erhöht sich für den Arbeitgeber monatlich das Annahmeverzugsrisiko bei einer unwirksamen Kündigung, ohne dass er dagegen viel tun konnte.
Mit seinem Urteil vom 27. Mai 2020 (AZ: 5 AZR 387/19) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine bisherige Rechtsprechung geändert und erkennt erstmals einen Auskunftsanspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer an, um dessen böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs besser beurteilen und erforderlichenfalls auch beweisen zu können. Für Arbeitgeber wird es dadurch einfacher, die Höhe der Annahmeverzugslohnansprüche zumindest zu begrenzen.
Böswilliges Unterlassen kaum beweisbar
Das Risiko für den Arbeitgeber liegt bisher darin begründet, dass im Falle einer unwirksamen Kündigung das Arbeitsverhältnis fortbesteht und der Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen ist. Darüber hinaus muss er rückwirkend für die Zeit zwischen dem Ablauf der Kündigungsfrist und dem Urteilsspruch die Vergütung nach den Grundsätzen des Annahmeverzugs gem. § 11 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nachzahlen.
Eine Möglichkeit zur Kürzung des Annahmeverzugs besteht gemäß § 11 Nr. 2 KSchG nur, wenn der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum entweder eine Vergütung aus einer anderen Beschäftigung tatsächlich erzielt oder wenn er dies böswillig unterlassen hat.
Letzteres lief bislang in der Praxis meist leer. Dass es ein Arbeitnehmer böswillig unterlassen hat, eine andere Beschäftigung einzugehen, ist für einen Arbeitgeber kaum zu beweisen. Ihm ist schlicht nicht bekannt, ob und welche Jobangebote der Arbeitnehmer während des laufenden Kündigungsprozesses möglicherweise erhalten hat und hatte er bislang keine Möglichkeit, dies in Erfahrung zu bringen. Gerade lang dauernde Kündigungsschutzprozesse bergen daher für Arbeitgeber ein erhebliches finanzielles Risiko, da sich das Annahmeverzugsrisiko monatlich erhöht. Dies führte oft dazu, dass Arbeitgeber "zu teure" Vergleiche abschließen, um das hohe Annahmeverzugslohnrisiko zu begrenzen.
Füße hochlegen und auf Angebote warten
Demgegenüber fanden sich die gekündigten Arbeitnehmer bislang nach einer Kündigung in einer vergleichsweise komfortablen Position: Schreibtisch ausräumen, Kündigungsschutzklage einreichen, Füße hochlegen und auf einen für sie positiven Ausgang des Kündigungsschutzprozesses oder ein lukratives Vergleichsangebot zu warten.
Aus dieser Komfortzone hat das BAG gekündigte Arbeitnehmer jetzt herausgeholt. Anders als bisher hat es dem Arbeitgeber gegen einen Arbeitnehmer, der Annahmeverzugslohn fordert, einen Auskunftsanspruch zugesprochen: Der Arbeitnehmer muss ihm die ihm von der Arbeitsagentur oder dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitsort und Vergütung mitteilen. Grundlage sei eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis nach § 242 BGB, entschieden die Erfurter Richter.
BAG: Auskunft aus Treu und Glauben
Das BAG begründet seine Entscheidung damit, dass der Arbeitgeber einen solchen Auskunftsanspruch benötige, um die in § 11 Nr. 2 KSchG normierten Einwendung durchsetzen zu können. Dies folge aus dem Grundsatz von Treu und Glauben.
Die für die Bejahung eines Auskunftsanspruchs notwendigen allgemeinen Voraussetzungen lägen laut BAG auch in diesen Fallgestaltungen vor: Dem Arbeitgeber fehlen die für eine Anspruchskürzung erforderlichen Informationen über einen anderweitigen Verdienst und erst recht über die böswillige Ablehnung eines Jobangebots seitens des gekündigten Arbeitnehmers. Der könne diese Informationen hingegen ohne Weiteres zur Verfügung stellen.
Auch die für die Anerkennung einer Auskunftspflicht notwendige Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Arbeitnehmer anderweitige Beschäftigungsgebote abgelehnt, anderweitigen Verdienst also böswillig unterlassen hat, liege vor. Denn sowohl die Agentur für Arbeit nach § 35 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) III, als auch das Jobcenter nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 SGB II seien verpflichtet, gekündigten Arbeitnehmern geeignete Jobangebote zu unterbreiten. Es sei deshalb im Regelfall davon auszugehen, dass solche Vermittlungsversuche erfolgt sind.
Unmöglichkeit der Informationsbeschaffung
Schließlich sei es dem Arbeitgeber unmöglich, sich die begehrten Informationen anders zu verschaffen. Insbesondere einem direkten Auskunftsverlangen an die Agentur für Arbeit oder das Jobcenter stehe das Sozialgeheimnis nach § 35 SGB I entgegen.
Die schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers gebieten es, dass er sein gesetzlich in § 11 Nr. 2 KSchG eingeräumtes Recht auch prozessual durchsetzen kann. Hierfür benötigt er einen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitnehmer. Nur dann, wenn er Informationen über erfolgte Vermittlungsvorschläge erlangt, könne er prüfen, ob der gekündigte Arbeitnehmer eine zumutbare anderweitige Beschäftigung abgelehnt und dadurch böswillig anderweitigen Verdienst unterlassen hat. Den Interessen des gekündigten Arbeitnehmers werde dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass er erforderlichenfalls begründen kann, warum die ihm unterbreiteten Vermittlungsvorschläge für ihn unzumutbar waren.
BAG fordert nicht mehr als Mitwirkung
Die Rechtsprechungsänderung des BAG, ist zu begrüßen. Sie bringt die gegenläufigen Interessen der Parteien in einen angemessenen Ausgleich und verlangt gekündigten Arbeitnehmer nicht mehr als das ab, wozu sie nach § 2 Abs. 5 SGB III nicht ohnehin verpflichtet sind: unabhängig von einem laufenden Kündigungsschutzprozess aktiv an der Vermeidung oder Beendigung einer Arbeitslosigkeit mitzuwirken. Durch die Anerkennung des Auskunftsanspruchs reduzieren sich die Annahmeverzugsrisiken von Arbeitgebern im Kündigungsschutzprozess daher zu Recht signifikant.
Allerdings dürfte künftig auch hier, wie so oft, der Teufel im Detail stecken. Böswillig kann das Unterlassen der Aufnahme einer anderweitigen Beschäftigung nämlich nur sein, wenn diese dem gekündigten Arbeitnehmer nicht zumutbar war. Welche Maßstäbe insoweit gelten, hat das BAG offengelassen.
Bessere Chancen für gütliche Einigungen
Nichtsdestotrotz dürfte aber bereits das Risiko einer Kürzung des Annahmeverzugslohns dazu führen, dass sich Arbeitnehmer intensiver mit Vermittlungsangeboten auseinandersetzen und nicht mehr per se auf eine volle Entgeltnachzahlung nach einem erfolgreichen Kündigungsschutzprozess spekulieren. Da somit künftig finanzielle Risiken nicht mehr nur auf Seiten des Arbeitgebers, sondern auch auf Seiten des Arbeitnehmers bestehen, dürfte dies auch die Chance gütlicher Einigungen zu akzeptablen finanziellen Konditionen erleichtern.
Arbeitgebern, die Kündigungsschutzprozesse führen ist deshalb zu empfehlen, gekündigte Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist regelmäßig zur Auskunft über einen anderweitigen Erwerb sowie erfolgte Vermittlungsversuche aufzufordern. Kommt der Arbeitnehmer dem nach, kann dies bei der Festlegung der Strategie im Prozess oder bei außergerichtlichen Verhandlungen bereits berücksichtigt werden. Anderenfalls können die erfolglosen Auskunftsbegehren als Begründung für die prozessuale Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs genutzt werden.
Der Autor Dr. Stefan Lochner ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Beiten Burkhardt in München.
Auskunftsanspruch des Arbeitgebers nach Kündigung: . In: Legal Tribune Online, 04.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42702 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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