Wer in den letzten zehn Jahren vor der Rente Teilzeit arbeitet, bekommt auch nur eine anteilige Betriebsrente - selbst wenn er davor Vollzeit gearbeitet hat, so das BAG. Tobias Neufeld und Anja Mehrtens zeigen: Das BAG bleibt sich treu.
Betriebliche Altersversorgung (bAV) und Teilzeitbeschäftigte sie stehen auf Kriegsfuß miteinander. Früher ging es meist um die Frage, ob Teilzeitler vollständig von der Altersversorgung ausgenommen werden durften. Bis Ende der 70er-Jahre war das laut BAG zulässig. Heutzutage drehen sich die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen dagegen maßgeblich darum, wie hoch die Rente für Teilzeitler ausfällt und welche Zeiten ihrer Erwerbsbiografie beim Arbeitgeber für Rentenleistungen zu berücksichtigen sind - insbesondere in solchen Fällen, in denen die Arbeitnehmer sowohl Teilzeit als auch Vollzeit gearbeitet haben.
Die rechtlichen Vorgaben scheinen eindeutig. § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) verbietet generell Benachteiligungen wegen der Teilzeitarbeit, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Daraus hat das BAG in mehreren Urteilen abgeleitet, dass teilzeitbeschäftigte Anspruch auf eine dem Verhältnis ihrer individuellen Arbeitszeit zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit entsprechende Versorgung haben (sogenannter pro-rata-temporis-Grundsatz), ihnen aber auch nicht mehr zusteht.
Eine Besonderheit kommt hinzu: Teilzeitarbeit ist weiblich geprägt, ca. 79 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten in Deutschland sind Frauen. Insgesamt liegt die Teilzeitquote von Frauen bei 49,0 Prozent, das heißt fast die Hälfte der abhängig beschäftigten Frauen arbeitet unterhalb der Vollzeitnorm; bei den Männern liegt die Quote bei 12,2 Prozent. Die Hauptgründe für Frauen, warum sie in Teilzeit arbeiten, sind Kinderbetreuung und/oder die Pflege von Angehörigen (32,5 Prozent) sowie andere familiäre oder persönliche Verantwortungsbereiche (38,1 Prozent). Juristisch ist das sehr relevant: Aufgrund des überwiegenden Frauenanteils der Teilzeitkräfte kann eine Benachteiligung von Teilzeitlern in der betrieblichen Altersversorgung damit eine geschlechtsspezifische mittelbare Diskriminierung darstellen.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nun mit seinem Urteil vom 20. Juni 2023 (Az. 3 AZR 221/22) die Kürzung von Betriebsrentenleistungen aufgrund von Teilzeitarbeit erneut bestätigt. Laut der Pressemittelung des Gerichts (die Urteilsgründe liegen noch nicht vor) stellt eine solche Kürzung keine unzulässige Diskriminierung dar, auch nicht wegen des Geschlechts der in diesem Fall klagenden Frau.
Die Gretchenfrage: Betriebsrente und Teilzeit – darf der Arbeitgeber kürzen?
Die klagende Frau war beim beklagten Arbeitgeber zunächst viele Jahre in Vollzeit und danach die letzten 15 Jahre vor ihrem Ausscheiden in Teilzeit beschäftigt. Der Arbeitgeber bot eine bAV an, an der die Frau teilnahm. Die entsprechende Versorgungsordnung sieht eine Altersrente vor. Deren Höhe ergibt sich aus einem Festrentenbetrag multipliziert mit den Dienstjahren der Teilnehmer. Der Festrentenbetrag ist wie folgt zu errechnen: "Rentenfähiges Einkommen/Beitragsbemessungsgrenze x Renteneckwert", wobei das "rentenfähige Einkommen" ein Zwölftel des Einkommens beträgt, das der Mitarbeiter im letzten Kalenderjahr vor Eintritt des Versorgungsfalles (z.B. Renteneintritt) bzw. dem vorzeitigen Ausscheiden bezogen hatte.
Der Knackpunkt in diesem Fall: War ein Mitarbeiter innerhalb der letzten zehn anrechnungsfähigen Dienstjahre ganz oder teilweise teilzeitbeschäftigt, veränderte sich der Festrentenbetrag in dem entsprechenden Verhältnis. Es wird also ein Beschäftigungsquotient gebildet (Teilzeit als Prozentsatz der Vollzeit). Anders gesagt: Bei der Berechnung der Betriebsrente zählten alle Jahre, die die Frau zunächst Vollzeit gearbeitet hatte, gar nicht mit.
Die Frau verklagte den Arbeitgeber entsprechend auf höhere Betriebsrente, die ihr wegen der früheren Vollzeitbeschäftigung ihrer Meinung nach zustehe. Dass der Arbeitgeber nur auf ihre Teilzeittätigkeit in den letzten zehn Jahren vor Ausscheiden abgestellt hat, diskriminiere sie als Teilzeitmitabeiterin und – aufgrund der maßgeblich für Frauen typischen Mischbiografie aus Voll- und Teilzeittätigkeit – als Frau. So erhalte sei bei der bloßen Berücksichtigung der letzten zehn Jahre Versorgungsleistungen in Höhe von rund 100 Euro, während bei Berücksichtigung ihrer Gesamtbeschäftigungszeit (inklusive der Vollzeitbeschäftigung) Leistungen in Höhe von rund 155,19 Euro an sie zu zahlen wären.
Arbeits- und Landesarbeitsgericht hatten die Klage der Frau bereits abgewiesen. Dem hat sich das BAG nun angeschlossen und die Frau auf die niedrigere Rente verwiesen. Eine Betriebsrentenzusage, die sich anhand des vor Austritt bezogenen Gehalts ermittelt (Endgehaltszusage), darf bei Teilzeitlern auf das zuletzt bezogene Teilzeitentgelt abstellen, auch wenn zuvor Vollzeit gearbeitet wurde, so das BAG – und zwar auch dann, wenn ein Beschäftigungsquotient über das gesamte Arbeitsverhältnis eine höhere Betriebsrente ergeben würde. Das stelle auch keine Diskrimierung der Frau dar, so das BAG.
Das BAG bleibt sich damit treu
Die Entscheidung ist keine Überraschung. Bereits in den Jahren 2013 und 2020 hat das BAG entschieden, dass § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG kein absolutes Benachteiligungsverbot enthält. Eine proportionale Kürzung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung eines Teilzeitbeschäftigten in einer Versorgungsordnung ist danach grundsätzlich zulässig. Die Gewährung von Arbeitgeberleistungen entsprechend dem Arbeitszeitanteil eines Teilzeitarbeitnehmers ist demnach eine erlaubte unterschiedliche Abgeltung von Teilzeit- und Vollzeitarbeit in quantitativer Hinsicht.
Dem Arbeitgeber ist laut BAG damit auch gestattet, eine Betriebsrentenleistung für Teilzeitkräfte entsprechend ihrer gegenüber vergleichbaren Vollzeitkräften verringerten Arbeitsleistung anteilig zu kürzen. Ein Arbeitnehmer, der Teilzeitarbeit leistet, kann nicht die gleiche Vergütung verlangen wie ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. Teilzeitkräfte können keine gleich hohen Leistungen aus einem Pensionsplan bzw. keine gleich hohe betriebliche Altersversorgung fordern wie Vollzeitkräfte. Versorgungsordnungen können regeln, dass solche Leistungen anteilig nach dem Beschäftigungsumfang im Vergleich zu einem Vollzeitarbeitnehmer mit gleicher Dauer der Betriebszugehörigkeit erbracht werden.
Bei der betrieblichen Altersversorgung ist nach der Rechtsprechung des BAG zu berücksichtigen, dass das Versorgungsniveau nicht durch bestimmte Dienstjahre quasi erdient ist, sondern durch die Betriebszugehörigkeit im gesamten Arbeitsverhältnis. Dies erlaube es, Kürzungen des erreichbaren Versorgungsniveaus nach den Verhältnissen während der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses vorzunehmen. Vor allem benachteilige es nicht teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG. Der Arbeitgeber müsse auch nicht die gesamte Erwerbsbiografie des Teilzeitlers berücksichtigen und einen Teilzeitquotienten für die gesamte Betriebszugehörigkeit bilden, der dann auf den Betriebsrentenanspruch des Vollzeitlers angewendet wird. Bei einer endgehaltsbezogenen Zusage sei es ausreichend, den Teilzeotquotoenten aus den letzten zehn Jahren zu ermitteln. Dies sei der Lebensstandard, auf den sich ein angehender Betriebsrenter eingerichtet habe und ein ausreichend repräsentativer Zeitraum.
Das BAG folgt im Urteil den Vorinstanzen. Das LAG München (Urt. v. 17.03.2022, Az. 7 Sa 588/21) hat im Detail ausgeführt, warum die Kürzungsregelung in der Versorgungsordnung keine Benachteiligung wegen des Geschlechts darstellt. Eine nach §§ 1, 3 Abs. 2, 7 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts liege nicht als unmittelbare Benachteiligung vor, da die Versorgungsordnung nicht an das Kriterium des Geschlechts anknüpft. Eine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liege demnach selbst bei höherem weiblichen Anteil der Teilzeitarbeitnehmer nicht vor, weil der pro-rata-temporis-Grundsatz gewahrt bleibe und es daher an einer Benachteiligung iSd § 3 AGG fehle. Das hat das BAG auch in der Vergangenheit so vertreten. Die Entscheidungsgründe zum aktuellen Urteil bleiben aber abzuwarten.
Sollten Arbeitgeber Versorgungszusagen fairer gestalten?
Arbeitgeber können ihre Versorgungszusagen zugunsten der Teilzeitbeschäftigten fairer gestalten, als es das BAG vorsieht. Insbesondere können sie Lösungen zu finden, die den Beschäftigungsgrad der Teilzeitler bei endgehaltsbezogenen Zusagen über die Gesamtdienstzeit bestimmen, sodass vollständige Erwerbsbiografien durch Teilzeitquotienten Eingang in die Ermittlung der Rentenhöhe finden.
Einige Arbeitgeber haben bereits zum Ausgleich von Teilzeitnachteilen (insb. bei Frauen) positiv die Einbeziehung von Abwesensheitszeiten (z.B. Elternzeit) in ihren Versorgungsordnungen abgebildet. Dieser Ansatz ist nicht nur personalpolitisch begrüßenswert, sondern berücksichtigt die immer stärker werdenden Forderungen an Unternehmen, eine ESG (Environmental Social Governance) und DEI (Diversity, Equity, Inclusion) genügende betrieblichen Altersversorgung anzubieten. Aufgrund der hohen Frauenquote unter den Teilzeitbeschäftigten trifft diese eine dauerhafte abgesenkte Vergütung und - folglich - geringere Betriebsrentenansprüche vorrangig (Teilzeitfalle). Dem können Arbeitgeber so begegnen.
Die Autoren Tobias Neufeld, LL.M. und Anja Mehrtens sind als Rechtsanwälte der ARQIS Pensions Group in Düsseldorf spezialisiert auf die betriebliche Altersversorgung. Beide beraten nationale und internationale Unternehmen an den Schnittstellen von Arbeitsrecht, Betriebsrentenrecht und M&A. Neufeld ist Partner, Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie Leiter der Pensions Group, Mehrtens ist Counsel und Head of HR-Transactions.
BAG zur Betriebsrentenhöhe bei Teilzeit: . In: Legal Tribune Online, 21.06.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52052 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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