Weniger Kinderkrankentage, Krankmeldung per Telefon, Hotlines für Whistleblower: Es gibt zahlreiche Neuregelungen, die für Arbeitgeber und Beschäftigte relevant sind. Hier die wichtigsten Änderungen im Überblick.
Die Kassen des Landes sind leer, die Büros und Arbeitsplätze bei aktueller Krankenwelle und zunehmendem Fachkräftemangel auch – die Bundesregierung muss etwas tun. Und das hat sie: Schon jetzt und auch für das kommende Jahr treten zahlreiche Neuregelungen in Kraft. Sie betreffen (werdende) Eltern, Arbeitgeber mit Inklusionsarbeitsplätzen und einige Regeln sind für alle Beschäftigten von erheblicher Relevanz. Wir haben die bereits beschlossenen Neuregelungen zusammengefasst:
Telefonische Krankschreibung
Seit dem 7. Dezember 2023 können sich Patient:innen wieder telefonisch krankschreiben lassen. Das gilt, sobald drei Voraussetzungen erfüllt sind: Es handelt sich lediglich um leichte Erkrankungen, Patient:in und Hausarzt sind einander bereits bekannt und eine Videosprechstunde ist nicht möglich. Dann ist eine Krankschreibung nach einem bloßen Anruf in der Praxis für bis zu fünf Tage möglich.
Auch Krankschreibungen per Videosprechstunde sind in geeigneten Fällen als Erstbescheinigung für bis zu sieben Tage (bzw. bei noch nicht persönlich bekannten Patient:innen für bis zu drei Tage) möglich.
Seit Einführung der elektronischen Krankschreibung (eAU) Anfang 2023 übermitteln die Ärzt:innen die Arbeitsunfähigkeitsdaten für gesetzlich versicherte Patient:innen grundsätzlich elektronisch an die Krankenkassen, wo sie von den Arbeitgebern direkt abgerufen werden müssen.
Unabhängig davon müssen Beschäftigte ihre Arbeitgeber aber weiterhin unverzüglich über eine bestehende Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche Dauer informieren, auch wenn sie wegen der eAU dem Arbeitgeber in der Regel keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ("gelber Schein") mehr vorlegen müssen.
Telefonischen Krankschreibungen waren bereits in der Pandemie (für die Dauer von bis zu sieben Tagen) möglich, die Regel lief jedoch zum 31. März 2023 aus. Nun hat der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken die Änderung der entsprechenden Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie beschlossen. Die Neuregelung ist von vorneherein unbefristet.
Whistleblowing-Meldestellen
Whistleblower sollen künftig vor Entlassung und anderen negativen Konsequenzen durch Arbeitgebende geschützt sein, der letzte Baustein trat am 17. Dezember in Kraft.
Das Hinweisgeberschutzgesetz gilt bereits seit dem 2. Juli 2023. Es soll Beschäftigte, die bei den dafür vorgesehenen Meldestellen Missstände melden, die ihnen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit bekannt geworden sind, umfassend gegen Repressalien der Arbeitgeber schützen. Zusätzlich zu den externen Meldestellen, die beispielsweise beim Bundesamt für Justiz eingerichtet wurden, verpflichtet das Gesetz Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten zur Einrichtung eigener Meldestellen.
Während diese Pflicht für größere Unternehmen schon seit Juli besteht, lief am 17. Dezember die Übergangsfrist zur Errichtung interner Meldestellen nun auch für kleinere Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten aus. Eine Verletzung der Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen kann seit 1. Dezember 2023 erstmals mit Bußgeldern belegt werden.
Für alle Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten, die bisher noch keine eigenen Meldestellen eingerichtet haben, ist es also höchste Zeit, tätig zu werden.
Erhöhung des Mindestlohns und neue Minijobgrenze
Zum neuen Jahr wird der gesetzliche Mindestlohn für alle Beschäftigten auf 12,41 Euro pro Stunde angehoben. Mit der Mindestlohnerhöhung steigt auch die Verdienstgrenze für Minijobs weiter an von bisher Euro 520 auf 538 Euro monatlich. Die Jahresverdienstgrenze erhöht sich entsprechend auf 6.456 Euro. Mini-Jobber (neu: 538-Euro-Kräfte) dürfen damit weiterhin bis zu 43,35 Stunden im Monat arbeiten. Arbeitsverträge, die noch einen niedrigeren Stundenlohn vorsehen, müssen gegebenenfalls entsprechend angepasst werden.
Auch der Mindestlohn für Auszubildende erhöht sich: So erhalten Auszubildende, die in 2024 eine Ausbildung beginnen, im ersten Lehrjahr eine monatliche Mindestvergütung von 649 Euro, sofern tarifvertraglich keine Abweichungen vorgesehen sind.
Weniger Tage Anspruch auf Kinderkrankengeld
Neue Regelungen gelten auch beim Kinderkrankengeld. Gesetzlich versicherte Eltern haben ab 2024 Anspruch auf 15 Tage Kinderkrankengeld (Alleinerziehende: 30 Tage) pro Kind und Elternteil. Insgesamt ist der Anspruch auf 35 Tage (Alleinerziehende: 70 Tage) pro Elternteil begrenzt.
Diese Anzahl ist erheblich gesunken im Vergleich zur aktuellen Regel: Derzeit und noch bis zum 31. Dezember 2023 konnte jeder gesetzlich versicherte Elternteil pro Kind bis zu 30 Tage Kinderkrankengeld beantragen, bei mehreren Kindern insgesamt maximal 65 Tage. Für Alleinerziehende besteht ein Anspruch auf 60 Tage pro Kind, bei mehreren Kindern sind es maximal 130 Tage. Diese Regelung bestand allerdings noch aus der Corona-Pandemie fort und läuft nun aus.
Die Regelung ab 2024 entspricht allerdings auch nicht wieder der aus Vor-Pandemie-Zeiten, vielmehr ist die Anzahl der Tage höher als vor 2020. Damals hatten Eltern Anspruch auf zehn Tage Kinderkrankengeld, Alleinerziehende auf 20 Tage. In der Pandemie hatte die Bundesregierung die Tage zunächst pro Elternteil von zehn auf 20, bei Alleinerziehenden von 20 auf 40 Tage verdoppelt. Die Regierung hatte die Anzahl der Tage für das Jahr 2023 noch einmal auf 30 bzw. 60 Tage erhöht.
Höhere Beträge für Nichtbesetzung inklusiver Arbeitsplätze
Arbeitgeber müssen ab dem 1. Januar 2024 mit erhöhten Ausgleichsabgaben von bis zu 720 Euro pro Monat und unbesetztem Pflichtarbeitsplatz rechnen. Das gilt nach der Neufassung des § 160 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX, wenn sie die gesetzlich vorgeschriebenen Quoten bei der Besetzung von Arbeitsplätzen mit schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten unterschreiten. Im Regelfall liegt diese Quote bei fünf Prozent der Beschäftigten. Dafür wird die Nichtbesetzung künftig nicht mehr mit einem Bußgeld geahndet. Für Kleinbetriebe mit weniger als 20 Beschäftigten gelten weiterhin Sonderregelungen.
Zusätzlich können Arbeitgeber künftig höhere Lohnkostenzuschüsse erhalten, wenn sie Beschäftigte einstellen, die bisher in Behindertenwerkstätten tätig waren. Möglich sind Zuschüsse von bis zu 75 Prozent des Lohns. Anders als bisher sind die Zuschüsse künftig nicht mehr gedeckelt. Durch den im Rahmen des Budgets für Arbeit möglichen dauerhaften Lohnkostenzuschuss soll es für Arbeitgeber attraktiver werden, Menschen mit Behinderungen einzustellen.
Geringere Einkommensgrenze beim Elterngeld
Auch beim Elterngeld gibt es Änderungen. Die Einkommensgrenze für den Bezug von Elterngeld wird schrittweise abgesenkt. Ab 1. April 2024 wird die Grenze des zu versteuernden Jahreseinkommens für Paare auf 200.000 Euro und für Alleinerziehende 150.000 Euro gesenkt. Damit werden nur noch Haushalte gefördert, die weniger als diese Beträge erhalten. Bisher lag die Einkommensgrenze bei 300.000 Euro für Paare und 250.000 Euro für Alleinerziehende. Ab 1. April 2025 wird die Einkommensgrenze für Paare weiter abgesenkt auf 175.000 Euro.
Die neuen Einkommensgrenzen gelten für Geburten ab dem 1. April 2024.
Eine Änderung gibt es auch bei den sogenannten Partnermonaten geben: Bei Betreuung durch beide Elternteile soll Elterngeld zwar auch weiterhin für bis zu 14 Monate (statt zwölf) gezahlt werden. Geändert wird aber, dass Eltern nur noch einen Monat parallel Elterngeld beziehen können. Mindestens einer der Partnermonate muss allein genommen werden. Das muss zudem innerhalb des ersten Lebensjahres des Kindes passieren. Bisher konnten beide Elternteile parallel in Elternzeit gehen und dabei den 14-monatigen Anspruch beliebig zwischen sich aufteilen.
Reformen bei Aus- und Weiterbildungsförderung
Ab dem 1. April 2024 treten Reformen im Bereich der Weiterbildungsförderung von Beschäftigen in Kraft. Die Förderbedingungen für Weiterbildungsangebote werden künftig erleichtert.
Vom Strukturwandel betroffene Arbeitgeber, deren Beschäftigte vom Verlust ihrer Arbeitsplätze bedroht sind, können künftig Qualifizierungsgelder von der Arbeitsagentur erhalten, wenn sie Beschäftigte zwecks Weiterbildung freistellen. Erfasst werden Betriebe, in denen strukturwandelbedingter Qualifizierungsbedarf für mindestens 20 Prozent der Beschäftigten besteht. Abweichend hiervon beträgt die Quote zehn Prozent bei kleineren Betrieben mit weniger als 250 Mitarbeitenden.
Weitere Voraussetzungen sind, dass die entsprechenden Arbeitnehmer:innen innerhalb der letzten vier Jahre nicht bereits an einer derart geförderten beruflichen Weiterbildung teilgenommen haben und die Weiterbildungsmaßnahme mindestens 120 Stunden in Anspruch nimmt. Der Arbeitgeber hat die Kosten der Weiterbildungsmaßnahme zu tragen.
Auch die bereits bestehenden Weiterbildungsförderungen wurden verbessert. So müssen sich beispielsweise kleinere Betriebe mit weniger als 50 Beschäftigten künftig nicht mehr an Lehrgangskosten beteiligen. Bisher lag die Grenze bei zehn Beschäftigten. Auch die bisherige Beschränkung der Weiterbildungsförderung auf vom Strukturwandel betroffene Tätigkeiten oder Engpassberufe entfällt, da Weiterbildungsbedarf mittlerweile in nahezu allen Wirtschaftsbereichen besteht.
Neu eingeführt wurde auch eine sogenannte Ausbildungsgarantie. Hier sollen vor allem die Agenturen für Arbeit und Jobcenter junge Menschen künftig noch stärker bei der beruflichen Orientierung und Aufnahme einer Berufsausbildung unterstützen. Gefördert werden können beispielsweise künftig auch Praktika. Auszubildende, die einen weiter entfernt liegenden Ausbildungsplatz annehmen, können Mobilitätszuschüsse erhalten.
Erleichterte Einwanderung für Fachkräfte
Angesichts das aktuellen Fachkräftemangels soll die Einwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten weiter erleichtert werden. Bereits seit November 2023 gelten einige gesetzliche Neuerungen, die primär die Blaue Karte EU betreffen. Die Blaue Karte EU ist ein spezieller Aufenthaltstitel für besonders hochqualifizierte Drittstaatsangehörige zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in Mitgliedstaaten der Europäischen Union. In Deutschland steht die Blaue Karte insbesondere akademischen Fachkräften offen.
So wurden die Mindestverdienstgrenzen für die Erteilung der Blauen Karte deutlich abgesenkt. So liegt die Verdienstgrenze in der Regel künftig bei einem Jahreseinkommen von 43.800 Euro brutto statt bislang 58.400 Euro brutto. In sogenannten Mangelberufen (hierzu zählten bisher insbesondere Berufe aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Ingenieurwesen und Humanmedizin) liegt die Verdienstgrenze künftig bei 45,3 Prozent statt wie bisher bei 52 Prozent der Beitragsbemessungsgrundlage in der Rentenversicherung (BBG), das heisst aktuell nur noch 39.682,80 Euro brutto. Auch wurde der Personenkreis, der eine Blaue Karte beantragen kann, erheblich erweitert. IT-Spezialistinnen und –Spezialisten beispielsweise können die Blaue Karte künftig auch ohne Hochschulabschluss beantragen, wenn sie über ausreichende einschlägige Berufserfahrung verfügen.
Zudem wurde die Liste der sogenannten Mangelberufe, denen unter erleichterten Bedingungen eine Blaue Karte erteilt werden kann, deutlich erweitert. Künftig können beispielsweise auch Führungskräfte aus den Bereichen Produktion, Bau, Logistik und aus der Informations- und Kommunikationstechnologiedienstleistungsbranche eine Blue Card beantragen, ebenso wie Lehrkräfte und Angehörige bestimmter Gesundheitsberufe. Auch wurde die bisherige strikte Kopplung der angestrebten Arbeitstätigkeit an die ursprüngliche Berufsqualifikation gelockert, so dass auch eine Tätigkeit in anderen Berufsfeldern möglich wird. Zusätzlich wird der Familiennachzug bei Inhaber:innen der Blauen Karte vereinfacht. Erleichterungen gelten außerdem u.a. für die Beschäftigung von ausländischen Berufskraftfahrern.
Im März und Juni 2024 Jahres treten weitere Gesetzesänderungen in Kraft. Ab März wird beispielsweise die Einreise zur Teilnahme an beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen zwecks Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen erleichtert. Durch die Verlängerung der bisher 18-monatigen Aufenthaltserlaubnis zur Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen auf 24 Monate und der Möglichkeit einer weiteren Verlängerung auf bis zu drei Jahre Höchstaufenthaltsdauer erhalten Arbeitgeber hier künftig mehr Flexibilität.
Ab Juni wird dann unter anderem die sogenannte Chancenkarte neu eingeführt, mit der qualifizierte Drittstaatsangehörige zur Arbeitssuche einreisen können. Die Westbalkanregelung, die Staatsangehörigen von Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien der Arbeitsmarktzugang in Deutschland in nicht-reglementierten Berufungen eröffnet, wird entfristet. Das Kontingent für diese mit Zustimmung der Arbeitsagentur möglichen Einwanderungen beträgt dann jährlich 50.000.
Dr. Ulrike Conradi ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Managing Partnerin am Berliner Standort der internationalen Arbeitsrechtskanzlei Ogletree Deakins International LLP. Jacqueline Piran ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei Ogletree Deakins. An 55 Standorten in Europa, den USA, Kanada und Mexiko unterstützen die über 950 Anwälte und Anwältinnen von Ogletree Deakins Unternehmen in allen arbeitsrechtlichen Belangen.
Das gilt künftig für Beschäftigte und Arbeitgeber: . In: Legal Tribune Online, 28.12.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53509 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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