Für viele ist das Glas Wein oder Bier in der Mittagspause völlig normal. Können Beschäftigte nun auch einen Joint rauchen, wo doch Cannabis weitgehend legal ist? Michaela Felisiak und Dominik Sorber zu Cannabis bei der Arbeit.
Menschen ab 18 Jahren dürfen seit dem 1. April in Deutschland legal Cannabis konsumieren. Diese Teillegalisierung wirkt sich auch auf das Arbeitsleben aus. Unternehmen müssen daher Regelungen aufstellen, wie mit der nun legalen Substanz während der Arbeitszeit umzugehen ist. Denn ohne eine klare betriebliche Regelung riskieren Unternehmen ihren Versicherungsschutz etwa bei Unfällen im Betrieb.
Mit der Cannabis-Legalisierung dürften Erwachsene 50 Gramm getrocknetes Cannabis besitzen. Im öffentlichen Raum ist der Besitz von bis zu 25 Gramm getrocknetem Cannabis jetzt straffrei. Für Minderjährige bleibt der Besitz von Cannabis verboten. Für alle Konsumenten ist der öffentliche Konsum beschränkt. So gilt beispielsweise ein Konsumverbot in Fußgängerzonen von 7 bis 20 Uhr.
Für den Konsum während der Arbeitszeit trifft das Cannabis-Gesetz keine ausdrücklichen Regelungen, auch nicht, dass der Konsum während der Arbeit verboten ist. Allein in Spezialgesetzen, zum Beispiel in § 4a Luftverkehrsgesetz (LuftVG), findet sich ein Konsumverbot für Piloten von psychoaktiven Substanzen.
Eine Flasche Bier und ein Joint in der Pause?
Für alle anderen Beschäftigten führt dies zu der absurden Situation, dass ein Bier in der Mittagspause verboten, aber ein Joint erlaubt sein kann. Dies gilt jedenfalls solange, wie sich der Cannabiskonsum nicht negativ auf die Arbeitsleistung auswirkt. Auch derzeit bestehende Betriebsvereinbarungen oder Betriebsordnungen dürften kein anderes Ergebnis bringen. Denn in den meisten aktuell gültigen betrieblichen Regelungen finden sich Verbote zu Alkohol und illegalen Drogen – aufgrund der Legalisierung ist Cannabis davon aber nicht mehr umfasst.
Damit sind wohl die meisten der derzeit geltenden betriebliche Regelungen veraltet. Unternehmen sollten in einem ersten Schritt eine Inventur ihrer derzeit gültigen betrieblichen Regelungen hinsichtlich Ge- und Verboten zu Alkohol und Drogen durchführen.
In einer uns vorliegenden Betriebsvereinbarung fand sich beispielsweise die Regelung, dass der erlaubte Alkoholkonsum auf eine Flasche Bier (0,5 l) pro Tag beschränkt ist. Von Drogen oder Cannabis war nicht die Rede. Sollten Sie vergleichbar Antiquiertes bei sich im Unternehmen finden, empfiehlt sich ein Update. Insoweit kann zwischen Regelungen zu Alkohol und Cannabis unterschieden werden. Beispielsweise kann jeglicher regelmäßiger Alkoholkonsum im Unternehmen ausgeschlossen werden. Ausnahmen für Betriebsfeiern oder bestimmten Anlässe können bei dieser Gelegenheit mitgeregelt werden.
Kein Rausch bei der Arbeit
Klar ist, dass Mitarbeiter sich im Betrieb nicht in einen Zustand versetzen dürfen, der die ordnungsgemäße Erfüllung der Arbeitsleistung stört. Dies ergibt sich aus der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers beginnt in diesem Zusammenhang jedoch nicht erst am Werkstor oder der Bürotür, sondern wirkt sich auch auf das Freizeitverhalten aus. Denn Mitarbeiter haben in einem arbeitsfähigen Zustand ihre Arbeitsleistung zu erfüllen, sodass auch der Cannabiskonsum unmittelbar vor der Arbeit untersagt ist. Für Unternehmen geht es hier nicht nur um Sucht- und Gesundheitsprävention bezogen auf den einzelnen Mitarbeiter, sondern auch um den Gesundheitsschutz der anderen Mitarbeiter.
In Bezug auf Cannabis sollten mindestens die folgenden Eckpunkte geregelt werden: Der Cannabiskonsum im Betrieb ist ausnahmslos verboten, auch auf Betriebsfeiern. Hierfür sollte es, anders als beim Alkohol, keine Ausnahmen geben. Zudem sollten das Mitführen und damit insbesondere das Weitergeben von Cannabis am Arbeitsplatz strikt verboten werden. Darüber hinaus sollte klar geregelt werden, dass das Arbeiten in einem bekifften Zustand verboten ist. Erst wenn im Betrieb klare Regelungen gelten, können arbeitsrechtliche Maßnahmen wie etwa Abmahnungen wirksam ausgesprochen werden.
| Was ist nun erlaubt und was verboten bei Cannabis. Das und Mehr in der aktuellen Folge des LTO-Podcasts "Die Rechtslage". Reinhören, abonnieren und mitreden – überall, wo es Podcasts gibt.
Gefahr des Verlustes des Versicherungsschutzes
Eine weitere andere Komponente ist in diesem Zusammenhang nicht zu unterschätzen: Der Versicherungsschutz. Unternehmen riskieren diesen, wenn sie keine Maßnahmen gegen den Konsum berauschender Mittel ergreifen. Besonders bei Tätigkeiten, in denen auch Kollegen gefährdet sein können, müssen Unternehmen alles tun, um Unfälle zu vermeiden. Gesetzlich regelt das § 15 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). Demnach dürfen Versicherte sich durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich oder andere gefährden. Daneben gibt es konkrete Pflichten für Unternehmer: Nach § 7 Abs. 2 DGUV dürfen sie Mitarbeiter nicht arbeiten lassen, die nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere zu verrichten. Andernfalls kann der Unfallversicherungsschutz entfallen und der Arbeitgeber trägt die Schadenskosten.
Auch die Konsumenten selbst haben höhere Risiken, denn auch mit Blick auf etwaige Wegeunfälle (§ 8 Sozialgesetzbuch VII) ist das Thema nicht zu unterschätzen. So entschied das Sozialgericht (SG) Duisburg im Falle eines Produktionsleiters, dass kein Wegeunfall – und damit ein von der gesetzlichen Unfallversicherung zu tragender Fall – vorliegt, wenn die Person auf ihrem Arbeitsweg unter Cannabis-Einwirkung steht (Urt. v. 25.05.2023, Az. S 36 U 366/22). Anknüpfungspunkt kann insoweit die Unfallkausalität sein, wenn ein Versicherter unter Einfluss von Drogen oder anderen die Fahrtüchtigkeit im Straßenverkehr beeinträchtigenden Substanzen steht und deren Wirkung maßgeblich für den Unfall ist. D.h. Cannabiskonsum kann auch zum Verlust des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes führen.
Rausch ohne Ausfallerscheinungen
Solange Mitarbeiter keine Ausfallerscheinungen erkennen lassen, wird es jedoch in der Praxis schwierig sein, festzustellen, welchen Umgang Mitarbeiter mit Cannabis vor oder während der Arbeitszeit haben. Auch insoweit sollten Unternehmen handeln: Vorgesetzte und Schichtleiter sollten geschult werden, wie sie Ausfallerscheinungen, die einen Rückschluss auf einen berauschten Zustand zulassen, erkennen können. Cannabiskonsum kann verschiedene Auswirkungen wie Stimmungsschwankungen, Schwindel, Mundtrockenheit, trockene und gerötete Augen, Muskelschwäche, Herzrasen und Blutdruckabfall haben. Bestehen Verdachtsmomente, dass Mitarbeiter unter dem Einfluss von Cannabis arbeiten, gibt es verschiedene Reaktionsmöglichkeiten, auf die Vorgesetzte ebenfalls vorbereitet werden müssen.
In einer vertraulichen Umgebung sollte der Vorgesetzte den Betroffenen direkt darauf ansprechen und nachfragen, ob Cannabis konsumiert wurde. Bestätigt dies der Mitarbeiter, ist er sofort unbezahlt nach Hause zu schicken, da er sich nicht in einem arbeitsfähigen Zustand befindet. Verneint der Mitarbeiter hingegen den Cannabis-Konsum, bestehen aber deutliche Verdachtsmomente für einen berauschten Zustand, sollte der Vorgesetzte den Mitarbeiter ebenfalls aufgrund der genannten Unfallverhütungsvorschriften unbezahlt nach Hause schicken. Das arbeitgeberseitige Risiko ist insoweit überschaubar: Selbst wenn der Mitarbeiter sein Gehalt einklagen sollte, hat er selbst zu beweisen, dass er trotz des Cannabis-Konsums arbeitsfähig war.
Für die Praxis empfehlen wir, dass zum Beispiel in einer (mitbestimmten) Betriebsvereinbarung, die ein absolutes Drogenverbot regelt, auch festgelegt wird, dass die Beweislast für die Arbeitsfähigkeit in allen Fällen der Arbeitnehmer trägt.
Schulungen und Vorsorge
Abschließend gilt: Die Führungskräfte und Schichtleiter sind zu schulen, da diese erkennen können sollten, ob Mitarbeiter arbeitsfähig sind oder nicht. Wie immer sind zu Beweiszwecken für den Ernstfall entsprechende Schulungsnachweise vorzuhalten. Wie bei allen neuen Regelungen sollten auch die Mitarbeiter entsprechend geschult und für dieses Thema sensibilisiert werden. Denn auch sie müssen wissen, was erlaubt und verboten ist, damit arbeitsrechtliche Maßnahmen wirksam sind. Insbesondere hinsichtlich des Versicherungsschutzes haben Unternehmen Maßnahmen zu ergreifen, damit Mitarbeiter nicht berauscht arbeiten. Auch das sollte dokumentiert werden.
Dr. Dominik Sorber ist Anwalt bei Pöllath, Dr. Michaela Felisiak ist Anwältin bei Eversheds. Beide arbeiten in München und sind auf das Arbeitsrecht spezialisiert.
Cannabis im Arbeitsleben: . In: Legal Tribune Online, 17.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54350 (abgerufen am: 20.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag