Nie war das Arbeitsrecht schnelllebiger als im vergangenen Jahr. Welche neuen Impulse das Arbeitsrecht in der Pandemie erhielt und welche Regelungen auch nach Corona bleiben bzw. bleiben sollten, zeigen Michaela Felisiak und Dominik Sorber.
Nie war das Arbeitsrecht schnelllebiger als im vergangenen Jahr. Durch zahlreiche Regelungen haben sich altbekannte Betriebsabläufe von heute auf Morgen geändert. Es haben sich neue Formen der Zusammenarbeit etabliert und Grenzen in flexibler Digitalisierung aufgelöst. Unternehmen nutzen neue Arbeitsformen, die Flexibilität und weitere Vorteile mit sich bringen. Der Arbeitsort tritt in den Hintergrund. Dies kann zu einem globalen Ansatz für das Recruiting bis hin zur Incentivierung der Mitarbeiter genutzt werden.
Die Flexibilität spiegelt sich auch in den neuen Formen der Zusammenarbeit des Betriebsrats wider. Zudem legen sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer gesteigerten Wert auf das Thema Gesundheitsschutz.
Flexiblere Arbeitsformen unabhängig vom Gesetz
Flexible Arbeitsformen wie Home-Office und Mobile Office zählen zu den absoluten Gewinnern des vergangenen Jahres. Viel wurde darüber geschrieben, ob Arbeitgeber während der Pandemie diese Arbeitsformen anordnen können bzw. müssen, ob Arbeitnehmer sogar einen Anspruch hierauf haben bzw. ob sie einer entsprechenden Anordnung folgen müssten.
Die pandemiebezogene Diskussion wird stets befristet in Bezug auf das aktuelle Infektionsgeschehen geführt. Erinnert man sich daran, dass das Kanzleramt den ersten Gesetzesentwurf zum "Mobilen-Arbeiten-Gesetz" aufgrund des massiven Widerstands gestoppt hat und auch die aktuellen Regelungen der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung bzw. des Infektionsschutzgesetzes (§ 28b Abs. 7 InfSG) befristet sind, spricht viel dafür, dass es – nach wie vor – in Deutschland auf Dauer keinen verbindlichen Rechtsanspruch für eine Tätigkeit außerhalb des Büros geben wird. Dies, obwohl nahezu sämtliche Unternehmen die Vorteile der flexiblen Arbeitsformen nutzen.
Unabhängig von einer gesetzlichen Regelung meldete jedoch u.a. die Deutsche Bank, dass Home-Office ein zentraler Bestandteil der Post-Corona-Arbeitswelt mit einer Quote von bis zu 40% sein soll. Die Verfügbarkeit der Arbeitnehmer vor Ort ist in den Hintergrund getreten und das Nutzen von Einsparpotentialen wird dank Desk-Sharing und Co. immer beliebter.
Arbeit im Ausland als Incentive
Dies schafft auch in anderen Bereichen neue Möglichkeiten, etwa die Internationalisierung des Recruitings, das Nutzen niedrigerer Sozialversicherungsbeiträge bei einer Beschäftigung von Mitarbeitern im Ausland oder die Einführung von neuen Incentivierungsformen, um nur einige aktuelle Themen zu nennen. Gerade Letzteres ist ein neu diskutiertes Thema.
Eine neue Incentivform kann darin liegen, dass Arbeitgeber die Möglichkeit bieten, für eine begrenzte Zeit anstatt von Deutschland aus im Ausland zu arbeiten und Mitarbeiter so die Möglichkeit haben, ihren Urlaub oder Auslandsauf-enthalt zu verlängern. Dies kann aus unterschiedlichen Gesichtspunkten interessant sein.
Auch das Zusammenstellen von Projektteams über Stadt- und Ländergrenzen ist selbstverständlicher denn je geworden. All dies kann sowohl für (agile) Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer verlockend sein und stellt neben den klassischen Vorteilen von Home-Office oder Mobile Office (Zeitersparnis, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf – soweit es die Räumlichkeiten zulassen) eine neue Perspektive dar.
Natürlich sind bei einer Tätigkeit aus dem Ausland die rechtlichen Voraussetzungen im Blick zu behalten. Insbesondere die arbeitsrechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen, steuerrechtlichen sowie ausländerrechtlichen Themen müssen berücksichtigt werden und Unternehmen sind gut beraten, die zwingend einzuhaltenden Leitplanken auszuloten.
Betriebsratsarbeit wurde digitaler
Eine Parallele in der Gesetzgebung findet sich auch im befristet eingeführten § 129 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) neu. Der Gesetzgeber revolutionierte damit die Digitalisierung im Betriebsverfassungsrecht quasi über Nacht und regelte pragmatisch, dass Betriebsratssitzungen einschließlich der Beschlussfassung mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen können. Voraussetzung ist nur, dass sichergestellt wird, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis erlangen und keine Aufzeichnung erfolgt. Dass dies funktioniert, haben die vergangenen Monate gezeigt.
Mit dieser Form der digitalisierten Betriebsratsarbeit ist es möglich, diese Aufgabe quasi vom Küchentisch aus erledigt werden kann. Eine ähnliche Regelung wurde auch für das digitale Durchführen von Einigungsstellen eingeführt.
Sämtliche Regelungen gelten jedoch nur noch bis zum 30. Juni 2021, obwohl gerade mit Blick auf die Einigungsstellen diese revolutionäre Möglichkeit längst überfällig war, wie ein Vergleich zwischen dem BetrVG und der Zivilprozessordnung (ZPO) zeigt. Bereits seit 2002 ist die ZPO schon mit einer entsprechenden Regelung zum digitalen Verhandeln (§ 128a ZPO) krisentauglich.
Künftige Regelung unnötig kompliziert
Umso mehr erstaunt der Regierungsentwurf zum Betriebsrätemodernisierungsgesetz, in dem die Möglichkeit, Einigungsstellen digital durchzuführen, nicht mehr zu finden ist. Auch die einfache
Regelung, dass Betriebsratssitzungen digital durchgeführt werden können, wird unnötig verkompliziert.
Sollte der Entwurf so umgesetzt werden, würde das Arbeitsrecht ins analoge Zeitalter zurückversetzt werden. Ebenfalls würden Betriebsräten Argumente an die Hand gegeben werden, um Entscheidungen unnötig auf die lange Bank schieben zu können – ganz nach dem Motto, wir würden ja gerne "wenn". Das passt weder zu agilen sowie flexiblen Arbeitsstrukturen noch zu einer Arbeitswelt 5.0, in der Künstliche Intelligenz für Innovation und Wirtschaftswachstum sorgen soll.
Enttäuschend ist weiter, dass nach dem aktuellen Entwurf auch Einigungsstellen nicht weiter in digitaler Form durchgeführt werden können. Dies obwohl die vergangenen Monate gezeigt haben, dass oftmals allein die theoretische Möglichkeit zur Einberufung einer "ad-hoc" digital durchgeführten Einigungsstelle zu einer Lösung zwischen den Betriebsparteien führen kann. Nach Corona soll dies wieder undenkbar sein?
Dies ist nicht nachvollziehbar. Die digitalen Möglichkeiten sollten auch über den 30. Juni 2021 hinaus bestehen bleiben.
Mehr Gesundheitsschutz dient allen Parteien
Corona brachte auch neue Arbeitsschutzstandards (wie z.B. Einhaltung des Mindest-abstands, Schutz durch Plexiglasscheiben, Einführung von Hygienekonzepten – da-runter z.B. das Aufstellen von Desinfektionsspendern). Desinfektionsspender, gründliches Händewaschen und regelmäßiges Lüften werden im beruflichen und geschäftlichen Alltag auch weiterhin eine zentrale Rolle spielen. Von Kunden wird dies künftig erwartet werden und auch aus Unternehmersicht ist ein reduziertes Infektionsgeschehen nach Corona mit Blick auf Krankheitstage zu begrüßen.
Zudem könnte die Bedeutung des Gesundheitsschutzes dazu führen, dass durch andere Gesundheitsangebote (wie z.B. Sport am Arbeitsplatz, Job-Fahrräder etc.) Arbeitgeber künftig dafür sorgen, dass in der Post-Corona-Zeit die Motivation und Gesundheit der Mitarbeiter stärker als vorher gefördert werden.
In arbeitsrechtlicher Hinsicht gibt es verschiedene Lernschritte, die die Unternehmen in den vergangenen Monaten machen mussten. Die positiven Erfahrungen sollten dabei auch Teil einer künftigen Unternehmensstrategie sein. Auf der anderen Seite hat die Pandemie aber auch gezeigt, dass soziale Events als willkommene Abwechselung im Arbeitsalltag fehlen und digitale Formate diese nicht ersetzen können. In Zukunft wird sich wohl eine Mischung aus dem Nutzen der digitalen Vorteile und der, (ggf. konzentrierten Wahrnehmung von persönlichen Kontakten etablieren.
Die Autoren sind Anwälte bei Beiten Burkhardt in München und Mitglieder Praxisgruppe Arbeitsrecht. Sie beraten Ihre nationalen und internationalen Mandanten auf dem gesamten Gebiet des Arbeitsrechts.
Regelungen nach Corona: . In: Legal Tribune Online, 07.05.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44907 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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