Wenige Tage vor der Entscheidung der Universität Düsseldorf, ob sie der Bundesbildungsministerin wegen Plagiaten den Doktortitel aberkennt, meldet sich die Allianz der Wissenschaftsorganisationen zu Wort. Deren Mitglieder hängen finanziell von Entscheidungen von Annette Schavan ab. Und auch inhaltlich liegt die Stellungnahme daneben, meint Joachim Wieland.
Am morgigen Dienstag steht auf der Tagesordnung des Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf die im Jahr 1980 verliehene Promotion der heutigen Bundesministerin für Bildung und Forschung Annette Schavan. Genauer gesagt wird es um die Frage gehen, "ob die von der Promotionskommission ermittelten Befunde als schwerwiegend genug betrachtet werden können, um das Verfahren zur Aberkennung des Doktortitels zu eröffnen".
Forschungsministerin zu sein hat Vorteile. Während Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sich mit dem Fremdschämen seiner Kabinettskollegin abfinden musste, als es um Plagiate in seiner Dissertation ging, findet Annette Schavan in ähnlicher Lage prominente Unterstützung durch die Allianz der Wissenschaftsorganisationen.
Der Zusammenschlusses der zehn wichtigsten deutschen Forschungsorganisationen von der Alexander von Humboldt-Stiftung über die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Max-Planck-Gesellschaft bis hin zum Wissenschaftsrat werden mit viel Geld vom Staat finanziert. Seit dem Jahr 2010 hat die Allianz bei der Umsetzung der "Hightech-Strategie 2020" der Bundesregierung, die dafür 27 Milliarden Euro zur Verfügung stellt, eine zentrale Aufgabe übernommen. Das hat ihr die Bundesministerin für Bildung und Forschung, mehrfach bescheinigt.
Die Allianz beschäftigt sich mit Wissenschaftspolitik, Forschungsförderung und strukturellen Weiterentwicklung des deutschen Wissenschaftssystems. Wenn sie sich jetzt nicht zur Forschungspolitik, sondern mit einer Presseerklärung vom 18. Januar zwar unter dem Titel "zu Grundsätzen der wissenschaftlichen Qualitätssicherung", aber doch ganz konkret zum Verfahren der Universität Düsseldorf über den Entzug des Doktortitels von Bundesministerin Schavan äußert, ist das bemerkenswert.
Um die Richtlinien der DFG geht es nicht
Noch bemerkenswerter ist aber der Inhalt der Äußerung. Die Allianz nimmt Bezug auf das am 16. Januar von der rheinländischen Universität veröffentlichte Rechtsgutachten eines Bonner Rechtswissenschaftlers zum Verfahrensablauf, demzufolge "[…] rechtlich relevante Verfahrensfehler nicht festzustellen" seien. Dazu stellt die Allianz fest, verfahrensrechtliche Korrektheit sei "keine hinreichende Bedingung, um die Entscheidung über die Aberkennung eines Doktorgrades zu begründen".
Diese Aussage verkennt die Eigenart eines Verwaltungsverfahrens, wie es die Universität Düsseldorf streng nach den rechtlichen Vorgaben durchführen muss. Die Ministerin kann die Rechtmäßigkeit des Verfahrens verwaltungsgerichtlich überprüfen lassen. Wenn die Allianz mit ihrer Erklärung weiter die "Verfahrensverantwortlichen" dazu auffordert, sich an den bewährten Standards zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis gemäß den einschlägigen Richtlinien der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zu orientieren, erweckt sie den Eindruck, diese Standards würden in dem Verfahren der Universität bislang nicht beachtet. Davon kann nicht die Rede sein.
Die Philosophische Fakultät der Universität Düsseldorf, die der CDU-Politikerin den Doktorgrad verliehen hat, muss nun in eigener Verantwortung feststellen, ob im Jahr 1980 irrigerweise vom Vorliegen wesentlicher Voraussetzungen für die Promotion ausgegangen wurde. Wenn Annette Schavan in ihrer Arbeit an vielen Stellen den Eindruck erweckt hat, Primärquellen zu rezipieren, während sie tatsächlich Textteile aus Sekundärquellen übernommen hat, lagen wesentliche Voraussetzungen für eine Promotion nicht vor. Dann kann die Promotionsleistung für ungültig erklärt werden.
Wie die Fakultät diese Prüfung vornimmt, muss sie nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden. Die Richtlinien der DFG, die sich nicht mit dem Entzug von Doktorgraden befassen, helfen dabei nicht weiter und können die rechtlichen Verfahrensanforderungen nicht modifizieren.
Besorgnis der Befangenheit
Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen sollte zudem vor ihrer nächsten Presseerklärung prüfen, ob sie sich nicht der Besorgnis der Befangenheit aussetzt.
Immerhin äußert der Zusammenschluss sich zu einem Verwaltungsverfahren, in dessen Mittelpunkt die Ministerin steht, welche Entscheidungen über die finanzielle Förderung der Allianzmitglieder trifft. Bei einem unbefangenen Betrachter könnte der Eindruck entstehen, die Vereinigung handle nicht unbefangen, sondern ihre Funktionsträger fühlten sich der Ministerin verpflichtet.
Bereits dieser Eindruck reicht für die Besorgnis der Befangenheit aus, ohne dass es auf die tatsächliche Befangenheit ankäme. Zu der Besorgnis trägt vorliegend bei, dass die Allianz sich ihre Pressemitteilung zwar betitelt mit "zu Grundsätzen der wissenschaftlichen Qualitätssicherung", sich im Text aber nur zu einem konkreten Verfahren äußert, ohne einen Bezug zu ihren eigentlichen Themen Wissenschaftspolitik, Forschungsförderung und struktureller Weiterentwicklung des deutschen Wissenschaftssystems herzustellen. Mit Wissenschaftspolitik und Forschungsförderung hat die Erklarung keinen anderen Zusammenhang als die Zuständigkeit der Ministerin für dieses Politikfeld.
Gerade Wissenschaftsorganisationen sollten die Freiheit der Wissenschaft achten. Zu dieser gehört auch die unabhängige und unbeeinflusste Entscheidung einer Fakultät über den Entzug eines Doktorgrades.
Der Autor Prof. Dr. Joachim Wieland, LL.M., ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer.
Joachim Wieland, Besorgnis der Befangenheit?: . In: Legal Tribune Online, 21.01.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8006 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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