Plagiatsschutz im Softwarebereich: OLG Karlsruhe lehnt Schutz von Look & Feel ab

Dr. Ingo Jung

27.05.2010

In vielen Wirtschaftbereichen haben Design-Aspekte einer Software, das so genannte "Look and Feel", für den Markterfolg große Bedeutung. Und was wirtschaftlich wichtig ist, ist natürlich auch streitbar: Das OLG Karlsruhe hatte über die Ausgestaltung zweier Bildschirmmasken von Reisebürosoftware zu entscheiden – und kommt zu durchaus überraschenden Ergebnissen.

Vom Display eines Mobiltelefons bis hin zu professionellen Anwenderprogrammen - je komplexer eine Software ist, umso wichtiger ist nicht nur das rein optische Design der Anwendung, sondern auch die intuitive Bedienbarkeit, damit sich die Anwender zurechtfinden und das Programm effizient nutzen können. Das OLG Karlsruhe hat sich nun in einer aktuellen Entscheidung intensiv mit diesem Themenkreis auseinandergesetzt.

Dem Urteil (Az. 6 U 46/09) lag ein Streit über die Ausgestaltung zweier Bildschirmmasken zugrunde. Gleich einer wetteifernden Nebenbuhlerin auf einem Maskenball, die um die Einzigartigkeit ihrer kostbaren venezianischen Maske fürchtet, ging die Marktführerin von Reisebürosoftware klageweise gegen ihre Konkurrentin vor. Diese hatte zwar nicht die Männerwelt, dafür aber die Fachwelt der Reisebüros unverblümt mit einer optisch ebenso schönen und nahezu identischen Bildschirmmaske für Reisebuchungen angesprochen.

Die Bildschirmmaske der Beklagten stelle, so der Vorwurf der Klägerin, nicht mehr als ein Abbild der älteren Bildschirmmaske der Klägerin und somit eine sklavische Nachahmung dar. Aus diesem Grunde machte die Marktführerin für Reisebürosoftware urheber- und wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegen die Konkurrentin geltend.

Die so diskreditierte Konkurrentin verteidigte ihr Vorgehen insbesondere damit, dass die Maske durch eine andere Programmiersprache entstanden sei. Ebenso beruhe der optische Aufbau der Bildschirmmaske vor allem auf den Vorgaben der Reiseveranstalter bezüglich des Buchungssystems. Die optische Vergleichbarkeit ergebe sich als logische Folge des typischen Arbeitsablaufs des Reisebüromitarbeiters beim Verkauf einer Reise an den Endkunden automatisch.

Rechtsprechungsänderung des Senats – Bildschirmmaske kein Computerprogramm

Die Klägerin stützt ihre geltend gemachten Ansprüche unter anderem auf § 69 a UrhG und ist dabei insbesondere der Ansicht, die Bildschirmmaske stelle ein Computerprogramm im Sinne der Vorschrift dar. Dieser Auffassung war bis zuletzt auch noch der erkennende Senat des OLG Karlsruhe selbst gefolgt.

Das Gericht revidiert nun jedoch seine bisherige Rechtsprechungspraxis und schließt sich der Ansicht in Rechtsprechung und Literatur an, wonach Ergebnisse, die durch ein Programm erzielt werden, nicht nach § 69 a UrhG geschützt werden. Hierzu zählen die Richter in Karlsruhe nunmehr auch Bildschirmmasken, deren Schutz nach der Spezialvorschrift für Computerprogramme damit entfällt.

Der Mut der Richter, der eigenen, alten Spruchpraxis eine Absage zu erteilen, verdient Beifall. Die Ansicht des Karlsruher Kartell- und Wettbewerbsenats überzeugt in diesem Punkt. Die Bildschirmmaske wird durch ein Computerprogramm erzeugt, stellt aber selbst kein Computerprogramm oder einen Teil dessen dar. Dies zeigt sich in der Praxis insbesondere daran, dass eine identische Bildschirmoberfläche ohne weiteres auch durch unterschiedliche Programme erzeugt werden kann.

Die Nutzung der unterschiedlichen Programme ist – was einleuchtet – auch zulässig. So kann sich jeder Computernutzer für die Art seines Text- oder Bildbearbeitungsprogramms entscheiden. Dürfen aber Programme nebeneinander genutzt werden, kann das Ergebnis, das mit dem neueren Programm erzielt wird, nicht mit der Begründung untersagt werden, es hätte identisch auch mit einem anderen Programm erzeugt werden können.

Kein urheber- oder wettbewerbsrechtlicher Schutz

Ebenso gewährt der Senat der Klägerin keinen urheberrechtlichen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG, wonach bestimmte Werke, insbesondere Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen oder Tabellen und plastische Darstellungen geschützt werden.

Den Richtern fehlt es hier an der für den Schutz notwendigen Schöpfungshöhe. Denn ein Formular, das zur Buchung einer Reise dient, muss zwangsläufig bestimmte Felder enthalten, so dass die grafische Gestaltung durch sachliche Erfordernisse vorgegeben ist. Die Bildschirmmaske beruhe damit nicht auf einer Leistung, die über das rein Handwerkliche hinausgeht. Auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche bestehen nach Ansicht des Senats für die Klägerin nicht.

Dennoch ist dieses Urteil – speziell für Softwareprogrammierer – mit Vorsicht zu genießen. Es bietet keinesfalls ein Einfalltor für die Legalisierung von grafischen Nachahmungen im Softwarebereich – auch nicht für den vermeintlich optischen „Nachbau“ von Bildschirmmasken.

Freibrief für die Übernahme von „Look and Feel“ erfolgreicher Softwareprodukte?

Ausdrücklich stellt das Gericht insoweit klar, dass es sich vorliegend um eine Einzelfallbetrachtung handelt und grundsätzlich auch eine wettbewerbsrechtliche Eigenart gegeben sein kann. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht stellt sich somit die Frage, ob für Abnehmer des Produkts die Software als Konkurrenzprodukt zu erkennen ist – was im vorliegenden fall bejaht wurde.

Weiter offen bleibt, ab wann wettbewerbsrechtlich unzulässige Rufausbeutung anzunehmen ist. Diese ist in der Entscheidung mit dem Argument verneint worden, dass die optische Annährung an die alte Software wechselwilligen Reisebüros die Umstellung auf das neue Produkt erleichtere.

Diese Sichtweise des erkennenden Gerichts mag auf seine Tätigkeit als Kartellsenat zurückzuführen sein – hat sie doch zur Folge, dass marktführende Unternehmen wohl eher eine Annährung an das für den Verkaufserfolg so wichtige "Look and Feel" ihrer Software hinnehmen müssen, als kleinere Unternehmen. Das Argument einer erleichterten Umstellung zur Rechtfertigung der Ähnlichkeit macht jedenfalls nur dort Sinn, wo der Markt unter dem Einfluss eines Quasimonopolisten steht. Ansonsten ist unverändert Vorsicht geboten, wenn man sich zu sehr an das „Look and Feel“ des Mitbewerbs annähern will.

Der Autor Dr. Ingo Jung ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Partner in einer großen deutschen Sozietät in Köln.

Zitiervorschlag

Ingo Jung, Plagiatsschutz im Softwarebereich: . In: Legal Tribune Online, 27.05.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/638 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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