Soll die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche weiterhin verboten bleiben oder soll den Ärzten zumindest eine sachliche Information erlaubt werden? Der Bundestag diskutierte am Donnerstag über die Zukunft des § 219a StGB.
Ein einzelner Fall hatte den Stein ins Rollen gebracht: Im vergangenen November verurteilte das Amtsgericht Gießen eine Frauenärztin zu einer Geldstrafe von 6000 Euro, weil sie auf ihrer Internetseite darauf hingewiesen hatte, dass sie auch Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Damit geriet eine Norm in den öffentlichen Fokus, die in den vergangenen Jahren eher ein Schattendasein gefristet hatte.
Nach § 219a Strafgesetzbuch (StGB) wird bestraft, "wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs (...) ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt."
Damit ist der Rechtsprechung zufolge auch die bloße Information darüber gemeint, dass Abtreibungen zum Leistungsangebot des Arztes gehören. Eben das hatte die Gießener Frauenärztin getan.
Union und AfD betonen Schutzpflicht des Staates für das ungeborene Kind
Die Fraktionen von Bündnis90/Die Grünen, Die Linke, FDP und SPD haben daraufhin in den vergangenen Monaten Gesetzentwürfe erarbeitet, nach denen § 219a StGB abgeschafft oder zumindest geändert werden sollte. Mit Ausnahme des SPD-Antrags, den die Fraktion nicht eingebracht hatte, weil sie, wie die Abgeordnete Eva Högl bereits am Dienstag mitteilte, "weiter auf Gespräche mit CDU/CSU, Grünen, Linken und FDP setzt, um fraktionsübergreifend eine Lösung zu erarbeiten, die im Deutschen Bundestag eine Mehrheit findet", wurden die Gesetzentwürfe am Donnerstagabend in erster Lesung im Bundestag beraten und anschließen zur weiteren Befassung in die Ausschüsse überwiesen. Die Federführung hat dabei der Rechtsausschuss.
Union- und AfD-Fraktion wollen alles beim Alten belassen Die CSU/CDU-Fraktion sieht dabei nicht nur keinen Änderungsbedarf beim § 219a StGB. Sie meint vielmehr, dass schon an dieser Stelle die Schutzpflicht des Staates für das ungeborene Kind beginne und dieser auch der Gesetzgeber nachzukommen habe. Die rechtspolitische Sprecherin der Union, Elisabeth Winkelmeier-Becker, bezog sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schwangerschaftsabbruch, als sie sagte, es gehe hier um ungeborenes menschliches Leben mit Menschenwürde und Lebensrecht von Anfang an.
Werbung, wie es sie beispielsweise von Kliniken im Ausland gibt, sei mit den Rechten des ungeborenen Lebens nicht vereinbar, meinte die frühere Richterin. Sie befürchtet eine Flut von Werbung, vergleichbar solcher für Schönheitsoperationen oder Nasenkorrekturen, sollte das Verbot fallen oder aufgeweicht werden. Auch die bloße sachliche Information über die Durchführung von Abbrüchen ist für Winkelmeier-Becker nicht akzeptabel, wenn wirtschaftliche Interessen – wie es bei Ärzten regelmäßig der Fall sein dürfte – potentiell eine Rolle spielen könnten.
Schärfere Geschütze fuhr die AfD auf: Ob die Abgrenzung zwischen reiner Information und Werbung nicht genauso willkürlich sei wie die Unterscheidung zwischen schützenswertem und nicht schützenswertem Leben, fragte Volker Münz, AfD-Abgeordneter aus Baden-Württemberg. Wenn das Werbeverbot herausgebrochen werde aus dem filigranen Konstrukt, drohe eine völlige Freigabe und Liberalisierung des Abtreibungsrechtes.
Grüne, Linke, FDP und SPD: Frauen sind auf Informationen angewiesen
Für Bündnis90/Die Grünen, Linke, FDP und SPD ist dagegen eine Reform dringend erforderlich. Die Gesetzentwürfe von Bündnis90/Die Grünen, Die Linke und auch der nicht eingebrachte Vorschlag der SPD sehen dabei eine komplette Streichung von 219a StGB vor.
Anders als Union und AfD legten die Befürworter der Streichung den Schwerpunkt ihrer Argumentation auf die schwierige Situation der betroffenen Frauen. Diese seien, so betonte es beispielsweise die SPD-Abgeordnete Eva Högl, auf gute und ausführliche Informationen angewiesen. Ärzte seien dabei diejenigen, die mit Sachverstand und Erfahrung kompetent über die medizinischen Aspekte eines Schwangerschaftsabbruches aufklären könnten. Auch ihr Fraktionskollege Johannes Fechner plädierte dafür, Schwangeren dabei keine Steine in den Weg zu legen. Es könne nicht sein, dass ein sachlicher Hinweis auf eine legale Handlung strafbar sei, so Fechner. Er glaubt auch nicht an eine Werbeflut nach einer Gesetzesänderung. Schließlich sehe das ärztliche Berufsrecht hohe Bußgelder bis zu 200.000 Euro für reißerische Werbung vor. Deshalb müsse, meint Fechner, der Gesetzgeber endlich Rechtssicherheit für die Ärzte schaffen.
Für einen Mittelweg hat sich die FDP entschieden: Sie will die erste Alternative des §219a S.1. StGB streichen, so dass als Straftatbestand nur noch die Werbung in anstößiger Weise übrigbleibt. Unabhängig von einer solchen Anstößigkeit wollen die Liberalen aber auch die Werbung für nicht-legale Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich weiterhin bestrafen, eine entsprechende Änderung sieht Abs. 2 im FDP-Entwurf vor.
Die Fraktion hatte zur Entscheidungsfindung vor einigen Tagen sogar einen Fachkongress durchgeführt, an dem Mediziner, Juristen, Ethiker und Kirchenvertreter teilnahmen. Angesichts der Bedeutung der Thematik wird der Rechtsausschuss aber wohl auch eine Sachverständigenanhörung durchführen, vermutete der FDP-Abgeordnete Stephan Thomae gegenüber LTO. Insofern ist mit einer baldigen Beschlussfassung des Parlaments kaum zu rechnen.
Möglicherweise setzt sich aber auch die SPD durch mit ihrem Vorstoß für eine fraktionsübergreifende Lösung. Während der Plenardebatte am Donnerstag kündigte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, jedenfalls an, dass eine Beratung über einen möglichen Gruppenantrag bereits für die nächste Sitzungswoche geplant sei.
Bundestag diskutiert über Abschaffung von § 219a StGB: . In: Legal Tribune Online, 23.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27183 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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