Arbeitnehmende können von ihren Arbeitgebern Auskunft über sämtliche gespeicherte Informationen verlangen – inklusive Kopien. Das BAG soll nun die Reichweite dieses Anspruchs aufzeigen. Worum es geht, erklärt Michael Fuhlrott.
Arbeitnehmer machen zunehmend vom datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch Gebrauch. Verschiedene Gerichte haben Beschäftigten bei einer Verletzung bereits Entschädigungsansprüche zugesprochen. Gleichwohl sind dessen Umfang und Grenzen bislang höchstrichterlich ungeklärt. Eine beim Bundesarbeitsgericht (BAG) am 27. April 2021 anstehende Entscheidung (Az. 2 AZR 342/20) könnte nunmehr für Klarheit sorgen – wenn die Parteien sich nicht noch kurzfristig vergleichen.
Datenschutz bezweckt den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten. Eines der sieben Grundprinzipien der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) ist dabei das in Art. 5 Abs. 1 lit. a DS-GVO normierte Gebot der Transparenz der Datenverarbeitung.
Eine Konkretisierung und besondere Ausformung dieses Prinzips stellen die Betroffenenrechte wie etwa der Auskunftsanspruch des Art. 15 DS-GVO dar. Danach hat die von der Datenverarbeitung betroffene Person ein Auskunftsrecht, welche personenbezogenen Daten von ihr verarbeitet werden. Darunter fallen insbesondere die Angabe der Verarbeitungszwecke, der Kategorien der verarbeiteten personenbezogenen Daten, deren Empfänger und Speicherdauer sowie Hinweis auf die Betroffenenrechte wie Berichtigung und Löschung oder bestehender Beschwerdemöglichkeiten (Art. 15 Abs. 1 DS-GVO).
Die Crux ist die Kopie der Daten
Neben der Auskunft ist dem Anspruchssteller überdies eine Kopie der verarbeiteten Daten zur Verfügung zu stellen (Art. 15 Abs. 3 S. 1 DS-GVO). Alle diese Daten sind unverzüglich, in jedem Fall aber innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags zur Verfügung zu stellen. Eine Verlängerung dieser Frist ist maximal auf insgesamt drei Monate möglich, etwa wenn es sich um besonders komplexe Auskunftsbegehren handelt (Art. 12 Abs. 3 S. 1 f. DS-GVO). Wird der Anspruch nicht, nicht rechtzeitig oder unvollständig bearbeitet, stellt dies einen Datenschutzverstoß dar. Dieser ist zum einen mit der Verhängung eines Bußgelds bis zu 20 Millionen Euro bzw. 4% des weltweiten Jahresumsatzes belegt (Art. 83 Abs. 2 i.V.m. 5 lit. b DS-GVO).
Zum anderen kann auch allein die infolge der Verletzung der Auskunftspflicht beim Betroffenen entstehende immaterielle Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts eine Schadensforderung nach sich ziehen (Art. 82 Abs. 1 DS-GVO).
Die Arbeitsgerichte legen hier durchaus einen strengen Maßstab an und haben in der Vergangenheit für eine fehlerhafte Bearbeitung des Auskunftsanspruchs wiederholt vierstellige Schadensersatzzahlungen ausgeurteilt (so z.B. Arbeitsgericht Düsseldorf, Urt. v. 5.3.2020, Az.: 9 Ca 6557/18: EUR 5.000).
Auskunft in welchem Umfang?
Wenn eine Rechtsverletzung derart folgenreich sein kann, dürfte man allein mit Blick auf das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot meinen, dass dem Adressaten der Handlungspflicht klar sein sollte, wie er denn genau agieren muss, um sich datenschutzrechtskonform zu verhalten. Allerdings: Trotz der dargestellten empfindlichen Konsequenzen ist bislang ungeklärt, in welchem Umfang der Verpflichtete zur Auskunfts- und Kopieerteilung verpflichtet ist.
Der Auskunftsanspruch geriet erstmalig durch eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg (Urt. v. 20.12.2018, Az.: 17 Sa 11/18) in den Fokus einer breiteren (Fach)Öffentlichkeit, als dieses auf eine Klage eines Arbeitnehmers hin den beklagten Arbeitgeber zur umfassenden Auskunftserteilung und Herausgabe sämtlicher im Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber verarbeiteten personenbezogenen Daten verurteilte.
Danach wäre der Arbeitnehmer über „alle“ über ihn gespeicherten Informationen einschließlich sämtlicher ihn betreffender E-Mails zu informieren und hiervon jeweils eine Kopie an den Auskunftssuchenden herauszugeben. Bei einem mehrjährigen Arbeitsverhältnis könnten so schnell Tausende an E-Mails zusammenkommen, die zudem noch mit Blick auf in diesen womöglich enthaltenen Daten unbeteiligter Dritten zunächst vor Herausgabe durch den Arbeitgeber noch zu lesen und entsprechend zu schwärzen wären.
Dieser Fall lag bereits aufgrund arbeitgeberseitiger Revision zur abschließenden Klärung dem Bundesarbeitsgericht (BAG) vor, wurde aber durch Vergleich der Parteien vor der Revisionsverhandlung erledigt (Pressemitteilung des BAG zum Az. 5 AZR 66/19). Dieses für den Rechtsfrieden der Parteien selbst positive Ergebnis ist mit Blick auf die gewünschte Rechtsklarheit indes misslich.
Kläger war Datenschutzbeauftragter
Allerdings könnte das könnte das Bundesarbeitsgericht (BAG) nunmehr am 27. April 2021 die damit weiterhin offenen Fragen klären und damit die erbetene Rechtsklarheit schaffen. Der vor dem BAG anstehenden Entscheidung liegt der Fall eines in der Probezeit gekündigten Mitarbeiters zugrunde. Dieser hatte sich gegen seine Kündigung unter Berufung auf seine Bestellung als Datenschutzbeauftragter mit daraus resultierenden Sonderkündigungsschutz zur Wehr gesetzt. Parallel dazu machte der datenschutzrechtlich versierte Mitarbeiter seinen Auskunftsanspruch gegen seine Arbeitgeberin geltend. Er verlangte dabei insbesondere, ihm auch entsprechende Kopien der verarbeiteten personenbezogenen Daten – einschließlich des gesamten E-Mail-Verkehrs seine Person betreffend – zu übergeben.
Das erstinstanzlich mit der Sache befasste ArbG Hameln (Urt. v. 26.6.2019, Az. 3 Ca 24/19) wies die Klage ab, nachdem die Parteien hinsichtlich der reinen datenschutzrechtlichen Auskunftserteilung seine Stammdaten betreffend übereinstimmend Erledigung erklärt hatte. Auf die Berufung des Klägers verurteilte das LAG Niedersachsen (Urt. v. 9.6.2020, Az. 9 Sa 608/19) sodann die Beklagte zur Übergabe einer Kopie (nur) derjenigen personenbezogenen Daten an den Kläger, die Gegenstand der Beantwortung seines Auskunftsbegehrens waren.
Einen Anspruch auf Übergabe weiterer Kopien, insbesondere von E-Mails, lehnte das Berufungsgericht hingegen ab. Der Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 DS-GVO spreche nur von Daten, die „Gegenstand der Verarbeitung“ seien, so die Entscheidungsgründe der landesarbeitsgerichtlichen Entscheidung. Ein allgemeines Auskunfts- und Herausgabeverlangen sei damit näher auf bestimmte Dokumente zu konkretisieren. Es sei zudem zu begründen, warum dem Anspruchssteller das begehrte Dokument nicht bereits vorliege.
Da der Kläger den von ihm selbst geführten E-Mail-Verkehr kenne, scheide ein weitergehender Anspruch auf Herausgabe aus. Sinn und Zweck der Auskunftserteilung und der Zurverfügungstellung einer Kopie sei die Ermöglichung einer Überprüfung der Datenverarbeitung, nicht aber des Erhalts einer vollständigen Kopie aller Unterlagen, in denen personenbezogene Daten über den Betroffenen enthalten seien. Die Landesarbeitsrichter aus Hannover ließen aufgrund des höchstrichterlich ungeklärten Umfangs des Herausgabeanspruchs aber die Revision zu.
Restriktive Auslegung oder Extensive Anwendung?
Sollte das BAG in der Sache entscheiden und sich die Parteien zuvor nicht vergleichen, so sind im Wesentlichen drei Optionen denkbar:
Das BAG könnte bei der Auslegung der Vorschrift des Art. 15 DS-GVO zum Ergebnis kommen, dass die dortigen Vorgaben unter Anwendung allgemeiner, auch unionsrechtlich anerkannter Vorgaben und Grundsätze wie dem von Treu und Glauben eine Begrenzung des Herausgabeanspruchs bejahen und ähnlich wie die Vorinstanz urteilen. Für diese praxisnahe Auslegung spricht, dass sie auch von vielen Instanzgerichten im Ergebnis geteilt wird, die andernfalls keine Möglichkeit einer praktikablen Handhabung des Auskunfts- und Herausgabeanspruchs als denkbar betrachten (so z.B. ArbG Bonn, Urt. v. 16.7.2020, Az. 3 Ca 2026/19; ArbG Düsseldorf, Urt. v. 5.3.2020, Az. 9 Ca 6557/18 oder auch LG Heidelberg, Urt. v. 21.2.2020, Az. 4 O 6/19).
Natürlich könnte das BAG sich auch – wie es das LAG Baden-Württemberg (Urt. v. 20.12.2018, Az. 17 Sa 11/18) tat – schlicht auf den Wortlaut der Vorschrift berufen und im Sinne einer unionsrechtsfreundlichen Auslegung zur Verschaffung ausreichender Geltung der europäischen Norm eine extensive Anwendung favorisieren und eine Herausgabepflicht hinsichtlich sämtlicher Unterlagen einschließlich E-Mails bejahen.
Vorabentscheidungsverfahren durch den EuGH?
Allerdings könnten die Erfurter Richter das Verfahren auch aussetzen und im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Beantwortung der Frage bitten, wie der Anspruch auf Kopieerteilung gem. Art. 15 Abs. 3 DS-GVO zu verstehen ist. Dafür spricht, dass die DS-GVO eine originär unionsrechtliche Materie ist. Zudem hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erst jüngst das mangels geringen Streitwerts rechtskräftige Urteil eines Amtsgerichts zur Frage einer Bagatellgrenze bei datenschutzrechtlichen Entschädigungsansprüchen aufgehoben (Beschl. v. 14.1.2021, Az.: 1 BvR 2853/19) und mangels Vorlage dieser ungeklärten Fragen zum EuGH dem Amtsrichter auf die dadurch vorgenommene Entziehung des gesetzlichen Richters iS. Art. 101 Grundgesetz (GG) hingewiesen.
Dabei ist es wahrscheinlich, dass das BAG dem EuGH einen Hinweis gibt, wie es selbst die Rechtslage bewertet, auch wenn der EuGH daran selbstverständlich nicht gebunden ist. Würde das BAG diesen Weg wählen, so würde es zwar am 27. April 2021 eine Entscheidung geben, jedoch weiterhin keine Klarheit für die Rechtspraxis, wie mit entsprechenden Auskunftsverlangen umzugehen ist.
Der Autor Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei FHM sowie Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg.
BAG zum datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch: . In: Legal Tribune Online, 23.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44793 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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