Der deutsch-amerikanische Maler, Grafiker und Karikaturist George Grosz gehörte zu den führenden Köpfen des "Dadaismus" in Deutschland. Eines seiner Gemälde sorgte für den wohl berühmtesten Künstlerprozess der Weimarer Zeit. Grosz wurde am 26. Juli 1893 in Berlin geboren.
Mit dem Namen George Grosz werden vor allem sozial- und gesellschaftskritische Gemälde und Zeichnungen in Verbindung gebracht. Sie entstanden vorwiegend in den 1920er-Jahren und zeichneten sich durch zum Teil äußerst drastische und provokative Darstellungen und häufig durch politische Aussagen aus. Im Mittelpunkt seiner Sujets standen häufig die Großstadt, ihre Rotlichtviertel und die Halbwelt mit ihren Abgründen und Klassengegensätze.
Grosz’ Bilder erinnern an Motive von Otto Dix, die ebenfalls in jener Zeit entstanden. Mit seinen Werken, oft Karikaturen, griff Grosz Wirtschaft, Politik, Militär und Klerus in der Weimarer Republik an. Und zwangsläufig geriet er mit seiner Kunst in Konflikt mit der Justiz. Schon 1921 war Grosz aufgrund einer auf der Dada-Kunstmesse 1920 ausgestellten Mappe "Gott mit uns" wegen Beleidigung der Reichswehr zu einer Geldstrafe von 300 Reichsmark worden.
Grosz war demnach bereits einschlägig vorbestraft, als er 1927 den Auftrag annahm, satirische Trickfilmsequenzen für eine Bühnenfassung des Romans "Der brave Soldat Schwejk" von Jaroslav Hašek zu erstellen. Das Bühnenstück entsprang einer literarischen Gemeinschaftsarbeit unter anderem von Max Brod und Bertold Brecht.
"Der brave Soldat Schwejk"
Die Uraufführung in der Inszenierung von Erwin Piscator fand 1928 an der Piscator-Bühne am Berliner Nollendorfplatz statt. Im Bühnenhintergrund war ein überdimensioniertes Papierband angebracht, auf das Grosz begleitend zur Handlung einzelne Szenenbilder und Schwejk-Texte gezeichnet hatte. Das Bühnenstück wurde ein großer Erfolg.
Wenige Wochen nach der Uraufführung erschienen im Malik-Verlag von Wieland Herzfelde in einer Auflage von 10.000 Exemplaren die 17 Blätter der Szenenbilder von Grosz in einer Mappe. Sie illustrieren Stationen aus Schwejks Abenteuern, verfremden diese aber gleichzeitig zu eindringlich anklagenden Sinnbildern der extremen Gräuel des Ersten Weltkriegs. Das größte Aufsehen erregte dabei eine Zeichnung, die Jesus Christus am Kreuz zeigte. Er trug eine Gasmaske und Soldatenstiefeln, die Zeichnung war untertitelt mit "Maul halten und weiter dienen".
Bei dem Ausspruch handelt es sich um ein Originalzitat aus dem Schwejk-Roman. Dort trifft Schwejk in einer Gefängniszelle auf Mitgefangene, die ihre Unschuld beteuern. Darauf entgegnet Schwejk: "Jesus Christus war auch unschuldig und sie ham ihn auch gekreuzigt. Nirgendwo is jemals jemandem etwas an einem unschuldigen Menschen gelegen gewesen. Maulhalten und weiterdienen! – wie mans uns beim Militär gesagt hat. Das is das Beste und Schönste."
Im wahrsten Sinne des Wortes: Ein Kreuzzug über fünf Instanzen
Grosz und der Verleger Herzfelde wurden nach einer Strafanzeige durch den Berliner Polizeipräsidenten vom Schöffengericht Charlottenburg 1928 zu einer Geldstrafe von je 2000 Mark wegen Gotteslästerung nach 166 StGB verurteilt. In der Hauptsache wurde ihnen dabei die besagte Christus-Zeichnung zur Last gelegt.
Die Zweite Große Strafkammer des Landgerichts Berlin III hob das Urteil in der Berufung wieder auf und sprach die Angeklagten frei. Es begründete seine Entscheidung damit, dass der besagten Zeichnung nicht zu entnehmen sei, dass Christus die in Rede stehenden Worte selbst geäußert habe. Das Gericht bewertete alle Blätter der Grosz-Mappe insgesamt als Satire. Der Künstler habe die Herabwürdigung der christlichen Lehre durch die kriegshetzerische Kirche zeigen, nicht aber selbst eine Herabsetzung der Kirche und ihrer christlichen Lehre vornehmen wollen.
Im Februar 1930 hob das Reichsgericht den Freispruch wiederum auf und verwies zur erneuten Entscheidung zurück an das Landgericht. Dieses habe in seiner ersten Entscheidung außer Acht gelassen, dass es nicht nur auf die Absichten des Künstlers ankomme, sondern auch auf die Wirkung seiner Kunst. Das Gesetz wolle auch das schlichte Gefühl des einfachen, religiös gesinnten Menschen schützen. Deshalb hätte u. a. geprüft werden müssen, ob schon die zeichnerische Darstellung der Christusfigur als besonders rohe Form der religiösen Missachtung empfunden werden musste.
Das Landgericht wiederholte im Dezember 1930 den Freispruch der beiden Angeklagten. Es führte aus, dass die Zeichnung "Christus am Kreuz mit Gasmaske" die Person Jesu’ nicht angreife oder gar beschimpfe. Auch einem Menschen mit schlichtem Sinn dränge sich nicht auf, dass das Zitat Christus selber zuzuordnen sei, dass dieser selbst ein Überwältigter und demzufolge auch kein Kriegshetzer sei.
Ein Freispruch von nur kurzer Dauer - "entartete Kunst", Emigration und die späte Rückkehr
In der Revision bestätigte das Reichsgericht am 5. November 1931 schließlich die Unschuld der Angeklagten. Es verfügte jedoch die Unbrauchbarmachung der inkriminierten Blätter und der Druckplatten.
Das Urteil war vor allem deshalb bemerkenswert, weil es bei der strafrechtlichen Würdigung von Kunst auf die Empfindungsfähigkeit und den Verständnishorizont des Kunstlaien abstellte und damit eine Liberalität offenbarte, die im heute geltenden Grundgesetz verfassungsrechtlich fundamentiert ist.
Grosz emigrierte am 12. Januar 1933 in die USA. Seine in Deutschland verbliebenen Werke fielen den Nationalsozialisten in die Hände, die sie unter Wert ins Ausland verkauften oder als "entartete Kunst" verbrannten. 1959 kehrte Grosz mit seiner Frau aus den USA nach Deutschland zurück, wo er wenig später am 6. Juli an den Folgen eines Treppensturzes starb.
Der Autor Jürgen Seul lebt als freier Publizist und Redakteur in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Er verfasste zahlreiche Publikationen u. a. zum Architektenrecht, Arbeitsrecht sowie zu rechtshistorischen Themen.
Jürgen Seul, Zum Geburtstag von George Grosz: . In: Legal Tribune Online, 26.07.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1061 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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