Tagsüber erfüllte er als gewissenhafter Kammergerichtsrat seine Arbeit als Richter, während er nachts mit ausufernder Phantasie Märchen und Spukgeschichten ersann. Ernst Theodor Amadeus Hoffmann wurde als renitenter Jurist wie auch als romantischer Erzähler berühmt.
Der dritte Vorname des am 24. Januar 1776 in Königsberg geborenen Hoffmanns lautete eigentlich Wilhelm, doch aus Bewunderung für sein musikalisches Idol Mozart änderte er ihn in Amadeus.
Der Vater war Advokat am Königsberger Hofgericht, ein Großvater war Anwalt, ein Onkel, von dem er nach der Scheidung der Eltern erzogen wurde, fungierte als Justizrat in Insterburg. Schon früh war für den Onkel klar, dass auch sein Neffe Jurist werden sollte.
Folgsam immatrikulierte sich dieser 1792 an der juristischen Fakultät der Universität Königsberg und beendete das Studium im Juli 1795 mit dem ersten Examen. Anschließend war er als Auskultator (damals der erste Grad eines juristischen Beamten) in Königsberg tätig, bis er im Juni 1798 das Zweite Examen ablegte und danach zum Referendar am Berliner Kammergericht berufen wurde. Im März 1800 bestand er das dritte Examen, das die Befähigung zum Richteramt verlieh. Anschließend ging der frischgebackene Assessor zur Regierung nach Posen.
Weil er dort in einer Karnevalssitzung vornehme Bürger der Stadt in Karikaturen verspottet hatte, versetzte man den Frevler im Februar 1802 für zwei Jahre in die Kleinstadt Plock, bis es ab März 1804 als Regierungsrat nach Warschau ging. In dem großstädtischen Flair der Stadt verlebte er bis zum November 1806 zwei glückliche Jahre. Als dort im November 1806 Napoleon einmarschierte, wurden die preußische Verwaltung aufgelöst und alle Beamten entlassen. Hoffmann kehrte nach Berlin zurück, fand jedoch keine Anstellung als Beamter.
Musikkritiker und Dichter
Er versuchte aus seinen vielfältigen künstlerischen Begabungen Kapital zu schlagen. Sein Debüt als Musikdirektor in Bamberg im Oktober 1808 scheiterte jedoch, weshalb Hoffmann die Stelle nach zwei Monaten wieder verlor. In der Folgezeit schlug er sich als Direktionsgehilfe, Theaterkomponist, Kulissenmaler und Kartenverkäufer durch und erteilte Musikunterricht. Seine Theaterkompositionen waren zwar nicht einträglich, aber dafür erhielt Hoffmann das Angebot eines Leipziger Verlegers Musikkritiken für dessen Blatt zu schreiben, nachdem er dort 1809 seine Erzählung "Ritter Gluck" veröffentlicht und sein literarisches Talent bewiesen hatte.
In dieser Zeit entwickelte der Jurist a.D. auch die fiktive Figur des Kapellmeisters Johannes Kreisler, der in der Leipziger "Allgemeinen musikalischen Zeitung" musikalische Neuheiten besprach. Neben diesen Musikkritiken schuf Hoffmann weitere Romane und Erzählungen wie "Der Magnetiseur" und "Die Elixiere des Teufels". Die Erzählungen sollten die literarische Grundlage für Hoffmanns Ruf als Dichter bilden. Das ganze 19. Jahrhundert hindurch galten seine Werke allerdings als Ausgeburten einer bizarren Exzentrik, als krankhaft und jugendgefährdend. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Wert seines Werkes erkannt. Gleiches gilt im Übrigen für seine musikalischen Stücke.
Die Rückkehr in die Juristerei
Im Oktober 1814 gelang es Hoffmann zum unbesoldeten Mitarbeiter am Berliner Kammergericht berufen zu werden. Zweieineinhalb Jahre später folgte die Beförderung zum Kammergerichtsrat. Im Oktober 1819 wurde er in die "Immediat-Commission zur Ermittlung hochverräterischer Verbindungen und anderer gefährlicher Umtriebe" berufen, deren Aufgabe es war, aufrührerische Tendenzen in Preußen zu untersuchen und in den so genannten "Demagogenprozessen" zu bekämpfen.
Der Richter E.T.A. Hoffmann zeigte sich stets als Praktiker durch und durch, der zielstrebig und ohne dogmatische Langatmigkeiten das Recht anzuwenden verstand. Wie er die Fakten feststellte, würdigte und niederschrieb, faszinierte Kollegen und Vorgesetzte gleichermaßen. Dabei kam dem hochbegabten Juristen sein literarisches Talent zugute. So formulierte er – um eine Stilprobe zu geben – in einem Gutachten über den Kaufmann S. wegen versuchten Giftmordes an dessen Ehefrau u. a.:
"Daß der Angeschuldigte wider seine Gewohnheit mehrere Gläser Rum getrunken hat, ist möglich, daß er aber davon bis zur Bewußtlosigkeit trunken geworden seyn sollte, ganz unbedingt gelogen."
Hoffmanns Berufsethos als Richter
Die Voten des Kammergerichtsrats Hoffmann waren aber nicht nur in der Form vollendet, sondern zeugten auch von höchsten richterlichen Tugenden, wie der Objektivität, der Skepsis gegenüber polizeilichem Übereifer und den Grundsatz, dass nur die nachgewiesene Tat staatlichem Strafen zugänglich sein durfte.
Mit seiner Haltung stieß Hoffmann allerdings gerade bei den "Demagogenprozessen" an die Grenzen einer Scheinrechtsstaatlichkeit. In seinen Voten kam es entgegen der Erwartung von König Friedrich Wilhelm III. zu häufig zu Freisprüchen der angeklagten vermeintlichen Aufrührer, da Hoffmann unbeirrbar darauf verwies, dass "bloße Gesinnungen, sind sie nicht als Tat ins Leben getreten, nicht Gegenstand der Kriminaluntersuchung sein können." Mit allen erdenklichen Willkürmitteln wurden Hoffmanns Entscheidungen umgestoßen.
Trotzdem wurde er 1821 noch in den Oberappellationssenat am Kammergericht berufen, denn seine juristischen Fähigkeiten waren anerkannt. Allein seine liberale Gesinnung blieb verdächtig, und als er sich in seiner Märchenerzählung "Meister Floh" über den Polizeidirektor Carl Albert von Kamptz lustig machte, wurde nicht nur das Manuskript 1822 beschlagnahmt und zensiert, sondern auch ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet.
Am 25. Juni 1822 starb E. T. A. Hoffmann im Alter von 46 Jahren an einer Erkrankung des Rückenmarks.
Der Autor Jürgen Seul lebt als freier Publizist und Redakteur in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Er verfasste zahlreiche Publikationen u. a. zum Architektenrecht, Arbeitsrecht sowie zu rechtshistorischen Themen.
Mehr auf LTO.de:
Jacob Grimm zum Geburtstag: Von der Poesie im Recht
Henri Matisse zum Geburtstag: Der Künstler und das Kleingedruckte
Joseph von Eichendorff zum Todestag: Der Spätromantiker in der preußischen Justiz
Jürgen Seul, Zum Geburtstag von E.T.A. Hoffmann: . In: Legal Tribune Online, 24.01.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2397 (abgerufen am: 23.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag