Ein Erlass des nordrhein-westfälischen Innenministers vom 31. Oktober 1946 trug dazu bei, dass verheiratete Beamtinnen wieder vermehrt aus dem Dienst entlassen wurden. Mit Blick auf die politischen Akteure war das eine seltsame Sache.
Die Volksschullehrerin aus Dortmund hatte zwei Motive, wegen ihrer Entlassung als Beamtin zu klagen: die Währungsreform des Jahres 1948 und das mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland erstarkte Bewusstsein für die Rechte der Frau.
Seit dem Jahr 1927 war die spätere Klägerin als Lehrerin beschäftigt gewesen, ab dem 1. April 1929 im Schulverband Dortmund. Nachdem sie im Jahr 1943 den Rektor ihrer Schule geheiratet hatte, blieb sie im Dienst. Daran änderte auch das Ende des Zweiten Weltkriegs zunächst nichts.
Zum 31. März 1947 verfügte schließlich der Regierungspräsident in Arnsberg ihre Entlassung aus dem Volksschuldienst auf der Grundlage von § 63 Abs. 1 Deutsches Beamtengesetz (DBG) vom 26. Januar 1937.
Geregelt war hier: "Ein verheirateter weiblicher Beamter ist zu entlassen, wenn er es beantragt oder wenn seine wirtschaftliche Versorgung nach der Höhe des Familieneinkommens gesichert erscheint. Die wirtschaftliche Versorgung gilt als dauernd gesichert, wenn der Ehemann in einem Beamtenverhältnis steht, mit dem ein Anspruch auf Ruhegehalt verbunden ist."
Am 20. Juli 1947 wurde der zum 31. März 1947 entlassenen Beamtin die nach dem Gesetz vorgesehene Abfindung ausgezahlt, mit der ihre unmittelbaren Ansprüche auf Versorgung als abgegolten galten. Diese gut 7.400 Reichsmark waren nach der Währungsumstellung vom 21. Juni 1948 nur noch knapp 500 Deutsche Mark (DM) wert. Zum Vergleich: Ein begabter Lehrling konnte es Anfang der 1950er Jahre auf 50 DM Vergütung im Monat bringen.
Schadensersatzklage scheitert in allen Instanzen
Nach wiederholten Versuchen, ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis abzuwenden bzw. ihre Wiedereinstellung als Lehrerin zu bewirken, klagte sie gegen das Land Nordrhein-Westfalen auf Schadensersatz nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit Artikel 34 Grundgesetz (GG) bzw. Artikel 131 Reichsverfassung (WRV) von 1919.
Sie argumentierte, dass die Vorschrift zur Entlassung weiblicher Beamter, § 63 DBG, als "Ausdruck nationalsozialistischen Gedankenguts und Verletzung des Grundsatzes der beruflichen Gleichstellung der Geschlechter", formuliert in Artikel 109, 128 WRV, "nicht mehr hätte angewendet werden dürfen".
Bereits bis dahin erfolglos, wies auch der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 19. März 1953 ihre Revision zurück (Az. III ZR 155/52).
Der BGH begründete seine Entscheidung damit, dass weder den Beamten des Regierungspräsidiums Arnsberg noch jenen des nordrhein-westfälischen Innenministeriums eine schuldhafte Amtspflichtverletzung anzulasten sei, als sie die Entlassung der Lehrerin auf der Grundlage von § 63 DBG veranlasst hatten.
Auf eine Erörterung der Frage, ob diese Vorschrift "Ausdruck nationalsozialistischen Gedankenguts" sei und mit dem Gleichberechtigungsanspruch der Geschlechter nach der Reichsverfassung von 1919 und des Grundgesetzes im Konflikt stehe, glaubte der BGH damit verzichten zu können.
Vereinfacht gesagt: Nach einigem Hin und Her, das durch Verordnungen und Erlasse zur Anwendbarkeit des sogenannten Beamtinnen- oder Lehrerinnenzölibats in Nordrhein-Westfalen herrschte und auf das gleich noch zu kommen sein wird, sei den Beamten jedenfalls keine schuldhafte Amtspflichtverletzung unterlaufen, als sie die Lehrerin entließen.
Verzicht auf zwingenden Beamtinnen-Zölibat im NS-Staat
Dass die Lehrerin nicht bereits aus dem Schuldienst entlassen worden war, nachdem sie am 29. Juli 1943 den Rektor ihrer Schule geheiratet hatte, war auf die Entwicklung der Rechte von Beamtinnen während des Krieges zurückzuführen.
Denn die Regelung des § 63 Abs. 1 DBG aus dem Jahr 1937, wonach verheiratete weibliche Beamte zwingend zu entlassen waren, wenn sie dies wünschten oder ihre "wirtschaftliche Versorgung nach der Höhe des Familieneinkommens gesichert erscheint", war durch § 2 der Zweiten Verordnung über Maßnahmen auf dem Gebiet des Beamtenrechts vom 3. Mai 1940 in der Fassung vom 9. Oktober 1942 abgeschwächt worden.
Dem Wunsch einer Beamtin, entlassen zu werden, musste die Behörde nach dieser Verordnung nur noch stattgeben, wenn sie über den sechsten Monat hinaus schwanger, mindestens ein Kind unter 15 Jahren vorhanden oder "die Fortsetzung des Dienstverhältnisses mit den Mutterpflichten nicht mehr vereinbar war".
Was die Entlassung auch gegen den Willen der Beamtin betraf, gab § 2 Abs. 2 der Verordnung vor: "Ein verheirateter weiblicher Beamter braucht nicht deshalb entlassen zu werden, weil seine wirtschaftliche Versorgung nach der Höhe des Familieneinkommens dauernd gesichert erscheint (§ 63 Abs. 1 DBG)."
Mit der Idee, dass Männer und Frauen frei und gleich an Rechten ausgestattet seien, hatte das alles natürlich nichts zu tun. Die Verordnung vom 3. Mai 1940 bzw. 9. Oktober 1942 verpflichtete insbesondere auch männliche Beamte zum Dienst, die die Altersgrenze von 65 Jahren überschritten hatten oder bereits in den Ruhestand getreten waren. Es ging hier erkennbar um die Besetzung der Dienststellen in Kriegszeiten.
Den Vorwurf, genuin nationalsozialistisches Unrecht zu sein, brauchte sich die sogenannte Zölibatsregelung jedoch nicht gefallen zu lassen. Schon nach Artikel 14 der "Verordnung zur Herabminderung der Personalausgaben des Reichs (Personal-Abbau-Verordnung)" vom 27. Oktober 1923 war die Entlassung weiblicher Beamter in das weitgehend freie Ermessen der jeweiligen Behörde gestellt worden – getragen auch von den Parteien der liberalen und sozialistischen Frauenrechtsbewegung, also DDP und SPD.
Wiederaufleben des alten Beamtinnenzölibats dank "Verfassungsvater"
Die Entlassung der Lehrerin aus Dortmund zum 31. März 1947 aufgrund der Regelung des § 63 Abs. 1 DBG zum Stand des Jahres 1937 folgte nun aus einer etwas kuriosen Regelungsgeschichte.
Dass verheiratete Beamtinnen aus dem Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen sowie anderer Dienstherren auf seinem Gebiet wieder zwingend, nicht mehr nach Ermessensausübung zu entlassen waren, beruhte auf einem Erlass des nordrhein-westfälischen Innenministers vom 31. Oktober 1946.
Mit diesem Erlass wurde angeordnet, dass die Zweite Beamtenrechts-Verordnung in der Fassung vom 9. Oktober 1942 nicht mehr angewendet werden sollte.
Davon waren zum einen Ruhestandsbeamte betroffen, die im Krieg wieder verwendet, sowie jene, die aus dem gleichen Grund mit 65 Jahren noch nicht in den Ruhestand versetzt worden waren. Zudem standen die sozial- und versorgungsrechtlichen Wohltaten, mit denen sich der NS-Staat nicht nur hier die Loyalität ihm genehmer Deutscher sicherte, mit dem Erlass des Innenministers in Frage. Und auch zum sogenannten Beamtinnenzölibat war nun damit die Regelung des Jahres 1937 wiederhergestellt.
Ob in der Folge die Entlassung verheirateter Beamtinnen in Nordrhein-Westfalen systematisch betrieben wurde, blieb unklar – die Lehrerin aus Dortmund bestritt dies, das Land behauptete, das Recht einheitlich angewendet zu haben.
Denkbar ist, dass der für sie zuständige Regierungspräsident in Arnsberg ein stärkeres Bemühen zeigte als seine Kollegen in den anderen Regierungsbezirken. Denn der am 1. Juni 1945 in dieses Amt eingesetzte Fritz Fries (1887–1967) war zwar Sozialdemokrat, verstand seine Haltung jedoch als christlich fundiert – was fremden- und frauenfeindliche Äußerungen einschloss.
Auch der Innenminister, dem die verheirateten Beamtinnen ihre Entlassung zu verdanken hatten, gehörte der SPD an. Walter Menzel (1901–1963), der als promovierter Jurist im republiktreu regierten Preußen der Weimarer Zeit zu den ehrgeizigen, gut vernetzten und erfolgreichen jungen SPD-Spitzenbeamten gehört hatte, war nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur irgendein Genosse, sondern zählte zu den führenden Mitgliedern seiner Partei im Parlamentarischen Rat – zum Jubiläum 2009 rühmte ihn die SPD als einen "unbestrittenen Verfassungsexperten", auch im Zusammenhang damit, das Rückwirkungsverbot des Artikel 103 Abs. 2 Grundgesetz (GG) in seiner damaligen Form durchgesetzt zu haben.
Keine anderthalb Jahre, nachdem Innenminister Menzel am 31. Oktober 1946 der neuerlichen Anwendung des Beamtinnenzölibats den Weg bereitet hatte, untersagte er die Anwendung des § 63 Abs. 2 DBG wieder, weil – so der BGH – "diese Bestimmungen angeblich mit den geltenden staatsrechtlichen Grundsätzen und den modernen demokratischen Grundgedanken nicht mehr vereinbar seien".
Für die Dortmunder Ex-Beamtin kam dieser Sinneswandel zu spät.
Anachronistische Einordnung vermeiden
Historisches Recht zu Geschlechterverhältnissen wird heute oft als Beleg für einen nie enden wollenden Opfergang nur einer Seite kolportiert. Oft wird z. B. erklärt, dass Gattinnen bis 1977 nach § 1356 BGB von der Willkür ihres Mannes abhängig gewesen seien, wenn sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen wollten.
Wie weit das im Vierecksverhältnis zwischen Gattin, Gatte, privaten Arbeitgebern und einem Gericht, das den Vertrag jeweils hätte vernichten müssen, jemals überhaupt lebendiges Recht war, nicht bloß eine affektive Störung seitens eines verfassungswidrig denkenden Zivilgesetzgebers, übersteigt meist den Twitter-Horizont. Auch beim "Lehrerinnenzölibat" gilt es, vorsichtiger zu urteilen.
Das alte Patriarchat soll hier nicht schöngeredet werden, doch erklären selbst ausgewiesene Kennerinnen wie die Bildungsforscherin Sabine Reh (1958–): "Selten ist Leiden am oder unter dem Heiratsverbot dokumentiert. Die Zeugnisse der Betroffenen betonen meist die Berufung zum Lehrberuf und die erwartete Unabhängigkeit. Im Verhältnis zum Leben der vorangegangenen Frauengeneration schien es vielen eine große Errungenschaft, selbstständig zu werden, aus dem Elternhaus zu kommen – das war ein 'Glück'." Perfekt war das nicht, doch weniger hässlich und eindeutig als oft beklagt.
Geschlechterdiskriminierung: . In: Legal Tribune Online, 31.10.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46513 (abgerufen am: 25.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag