Das Internet mag zur Hälfte aus Katzenbildern bestehen, Hunde mögen in Nachbarschaftsstreitigkeiten dominanter auftreten. Doch auch am Frosch hat das Recht immer wieder Gefallen gefunden. Ein Beitrag zum diesjährigen "Welttag des Frosches".
Theologen und Juristen des hohen Mittelalters hätten viel Verständnis für den Kläger im wohl prominentesten Frosch-Fall der jüngeren deutschen Rechtsgeschichte aufgebracht – ihm aber möglicherweise dazu geraten, den Prozessgegner im teuflischen Amphibium selbst zu sehen, und es – statt beim Bundesgerichtshof (BGH) – lieber mit einem Exorzisten zu versuchen.
Der Frosch nährt mitunter den Anwalt, darum kennt man diesen Fall: Mit Urteil vom 20. November 1992 (Az. V ZR 82/91) entschied der BGH über den Unterlassungs- bzw. Ausgleichsanspruch eines Klägers, der sich durch Froschlärm empfindlich in der Nachtruhe gestört fühlte. Sein Nachbar, der Beklagte, hatte sechs Jahre zuvor einen Gartenteich von stolzen 144 Quadratmetern anlegen lassen.
Vom Aussterben bedroht
Die alsbald in diesem domizilierenden Laub-, Grün- und Grasfrösche sowie Erdkröten machten sich mit 64 dB (A) Nachtlärm bemerkbar, weit jenseits dem Richtwert von 35 dB (A), und dies auch noch in Rufweite seines Schlafzimmers.
Als teils vom Aussterben bedrohte Wildtiere standen die Frösche bereits 1992 unter striktem Naturschutz, verboten waren menschliche Nachstellungen, Umsiedlungsversuche, selbstredend auch die Zerstörung ihres künstlich geschaffenen Habitats.
Der BGH entschied, dass der Teichbesitzer zwar einerseits als Störer für die Lärmabwehr in Haftung genommen, er aber zur Lärmabwehr durch Reduktion oder Beseitigung des Froschbestands nur verpflichtet werden könne, wenn eine entsprechende naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung in Betracht komme.
Auch einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch – ist der Frosch schon nicht zu liquidieren, mag der Teichanleger für den ungewollten Hörgenuss jedenfalls zahlen müssen – verneinte der BGH.
Frösche, von jeher schlüpfrige Gesellen
Seither geriet die verwaltungsrechtliche Vorfrage, wie die Amphibien nach einer naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung – beispielsweise durch Umsiedlung oder Geschlechtertrennung – zur Ruhe gebracht werden dürfen, ohne ihnen ganz den Garaus zu machen, immer wieder zum Gegenstand von Nachbarschaftsstreitigkeiten.
Dass dem Frosch mit den Mitteln der Justiz von jeher nur schwer Herr zu werden ist, wüsste man, wäre nicht auch auf diesem Feld ein gewisser Verfall abendländischer Rechtskultur zu beklagen: Frühe Hinweise auf die historischen Probleme des Froschrechts finden sich denn nicht im aktuellen juristischen Schrifttum, sondern in der großartigen Monographie des Kulturhistorikers Bernd Hüppauf: "Vom Frosch. Eine Kulturgeschichte zwischen Tierphilosophie und Ökologie."
Obwohl die mittelalterliche Justiz – ganz nach dem Geschmack der Firma PETA – Tiere durchaus als Rechtssubjekte kannte, mithin Pferden oder Schweinen, aber auch Heuschreckenschwärmen in Person gelegentlich den Prozess machte, wenn sie an Mensch, Feld oder Flur Schaden angerichtet hatten, zog die juristisch-theologische Dogmatik – so Hüppauf – eine Grenze gegenüber Wassertieren, die insoweit nicht in Betracht gezogen wurden.
Die amphibischen Kreaturen lebten auf der Grenze zwischen diesen Welten, galten auch darum als Zeichen der Anarchie, des Teufels. Ihre Funktion als Zutat im Hexentrank rührt hierher. Beeindruckt war der in dieser Beziehung selbst nicht unverzagte Mensch des Mittelalters von der Fruchtbarkeit der Frösche, die ihre unmoralische Sexualität unter Beweis stellte.
Der Zugriff der mittelalterlichen Justiz galt ob ihres merkwürdigen Zwischenstatus weniger den Amphibien selbst als dem Besessenen, dem – der Vorstellung nach – beim Exorzismus eine Kröte aus dem Leib fuhr. Lärmende Frösche waren gelegentlich durch amtlichen Fluch und Exorzismus zum Schweigen zu bringen. Bedauerlich, dass derlei nicht wenigstens im Kostenrecht noch vorgesehen ist, einen Markt hierfür würde es wohl geben.
Frosch als Objekt menschlichen Forschergeists
Mit der Neuzeit wandelte sich die Neugier beim Blick auf die Natur. Ein Beispiel für eine völlig pervertierte Form menschlichen Interesses am Frosch wird im Urteil des Landgerichts Koblenz vom 9. Juni 2005 (Az. 2030 Js 4046/02 - 2 Ks) dokumentiert.
Der hier wegen Mordes angeklagte junge Mann, der letztlich in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht wurde, zeigte eine ungute Neigung zum Tetrahydrocannabinol (THC) und eine äußerst hässliche zu Splatter-Filmen. Im Vorfeld der Tötung eines Menschen schritt er unter anderem am Frosch zur Tat. Das Quälen von Tieren betrieb er dabei offenbar mit einer gewissen Neugierde. So "sprengte er einen Frosch durch Einführen und Anzünden eines selbst hergestellten Zündsatzes".
So eindeutig heute die brutale Tötung eines Tieres als klarer Hinweis auf tiefgreifende Persönlichkeitsstörungen anerkannt ist, so fließend waren die Verhältnisse in der Mensch-Frosch-Beziehung im frühen Verlauf der modernen Wissenschaftsgeschichte.
An ihrem Beginn war die Naturwissenschaft noch ganz vom Staunen geprägt, weit entfernt von der klinischen Strenge heutiger Tage. Nachdem Otto von Guericke 1649 die Kolbenvakuumluftpumpe erfunden, Robert Boyle sie zehn Jahre später weiterentwickelt hatte, zählten Frösche zu den ersten und bevorzugten Kreaturen, die mittels Vakuum getötet oder verletzt, im Anschluss seziert wurden.
Geschichte einer Tierquälerei
Der Überlebenswille des Tieres machte unter den frühen Forschern das "Froschbrett" gängig – statt sie zu binden, wurden sie zu Sektionszwecken an ihren Gliedmaßen festgenagelt. Gustav Theodor Fechners (1801–1887) weit verbreitetes "Hauslexikon" hielt 1835 fest, dass dem Frosch Gliedmaßen amputiert und die Haut vom Leib gezogen werden könne, und er doch weiterlebe.
Inzwischen hatte sich im Lauf des 18. Jahrhunderts die Forschung zur (tierischen) Elektrizität am Frosch aufgehängt. Die Epoche begriff das Tier als Maschine, den Frosch als dem Menschen denkbar fremdestes Ding.
Einige Jahrzehnte nach Fechner differenzierte sich die forschende Neugier am Frosch aus: Seit dem späten 19. Jahrhundert gerät die Tierquälerei in den Blick der Kriminologie. Neugier bei der Tötung und Sektion des Frosches hingegen verlangt seither einen höheren Zweck und habituelle Kontrolle der Emotionen.
In diesem klinisch sauberen Setting ist der Frosch bevorzugtes Ding der Erkenntnis geblieben. Namentlich Medizinstudenten werden durch "weitgehend übliche Versuche an getöteten Fröschen" in die Lage versetzt "sich im Wege praktischer Anschauung methodische Grundkenntnisse über die Funktion von Nerven und Muskeln und entsprechende Fertigkeiten anzueignen" – so beispielsweise der Verwaltungsgerichtshof Hessen im Beschluss vom 12. Mai 1987 (Az. 6 TG 507/87), der die Freiheit des Medizin-Professors, wissenschaftliche Erkenntnis am Frosch zu vermitteln, höher wertete als den rührseligen Wunsch des Studenten, eine Ausbildung mit dem ruhigen Gewissen zu genießen, nicht ohne Not Tiere getötet zu haben.
Gekreuzigter Frosch – Humanexperiment an Juristen
Dass die Geschichte des Froschrechts mit juristischen Exorzismen, dem Nachbarschafts- und dem Tierschutzrecht noch kein Ende finden muss, ist das große Verdienst des jugendlich-tatkräftigen Ministerpräsidenten Bayerns, Markus Söder.
Die jüngste Entscheidung, im Eingangsbereich der bayerischen Landesbehörden Kreuze anbringen zu lassen, lässt hoffen, dass juristischen Anfängersemestern – nicht nur im Freistaat – demnächst Sachverhalte vorgelegt werden, in denen der Tatbestand der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole (§ 90a StGB) am berüchtigten "Gekreuzigten Frosch" des Künstlers Martin Kippenberger (1953–1997) zu prüfen sein wird. Für den Fall fehlender Subsumtionsoffenheit der Norm wird dann gewiss die klaffende Strafbarkeitslücke alsbald von Seiten des Bundesgesetzgebers zu schließen gefordert.
Über einen gelehrten Streit bayerischer Politiker, ob der Frosch, ein in der abendländischen Kulturgeschichte eindeutiges Symbol des Satans, ein nunmehr säkularisiertes Behördenkreuz entweihen kann oder vielmehr Kippenberger überhaupt erst das bayerische Behördenkreuz auf Augenhöhe trifft – immerhin war es einst ein anerkanntes Instrument der antiken römischen Justiz –, würde man sich jedenfalls sehr freuen, selbst wenn man wirklich etwas Gescheiteres mit seiner Zeit anfangen könnte.
Literatur: Bernd Hüppauf, "Vom Frosch". Eine Kulturgeschichte zwischen Tierphilosophie und Ökologie. Bielefeld (Transcript) 2011, 418 Seiten, 24,80 Euro. ISBN: 3837616428.
Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Ohligs.
Martin Rath, Save The Frogs Day: . In: Legal Tribune Online, 29.04.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28343 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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