Der Bewährungshelfer Peter Asprion: "Ich will die Sicherungsverwahrung abschaffen"

von Annelie Kaufmann

30.11.2012

Vergewaltiger in Freiheit – eine Schlagzeile, die Angst verbreitet. Land muss Ex-Sicherungsverwahrten Entschädigung zahlen – eine Meldung, die für Empörung sorgt. Wie geht man mit Menschen um, die die Gesellschaft eigentlich für immer wegsperren wollte, die nun aber doch in Freiheit sind? Annelie Kaufmann sprach mit einem Freiburger Bewährungshelfer, der sich für die Männer einsetzt.

Peter Asprion ist jemand, der sich mit den Tätern beschäftigt, nicht mit den Opfern. Jemand, der Männern hilft, die schwere Verbrechen begangen haben. Einer, der sich für die Menschenwürde von ehemaligen Sicherungsverwahrten einsetzt. Er vertritt, "nicht mehrheitsfähige Thesen", wie er selbst sagt. "Ich will die Sicherungsverwahrung abschaffen und wenn ich es genau durchdenke, auch den Strafvollzug." Stattdessen setzt er auf Resozialisierung – und auf eine Gesellschaft, die lernt, mit dem Risiko von Straftaten zu leben. Für sein Publikum ist das manchmal schwer auszuhalten. Die Debatte um den Umgang mit entlassenen Straftätern spaltet.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Mai 2011 die Vorschriften zur Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt hatte, mussten die Gerichte in zahlreichen Fällen die Entlassung von Sicherungsverwahrten anordnen. Die öffentliche Aufmerksamkeit war nicht immer so groß wie in dem sächsischen Dorf Insel. Dort protestierten Anwohner über Monate vor der Wohnung zweier ehemaliger Sicherungsverwahrter, oft beteiligten sich Neonazi-Gruppen an den Protesten. Mittlerweile ist der Bürgermeister der Gemeinde zurückgetreten.

Angst und Hilflosigkeit etwas entgegensetzen

Doch auch in anderen Fällen zeigte sich die Politik überfordert. Sie versprach Überwachung, wusste nicht wohin mit den Entlassenen, die meist Jahrzehnte im Knast verbracht hatten, und sah sich immer wieder mit Protesten der Nachbarn konfrontiert, wenn bekannt wurde, wo ehemalige Sicherungsverwahrte untergebracht werden sollten. Asprion will der Angst und der Hilflosigkeit etwas entgegensetzen. Er fährt nach Halle und Hamburg-Moorburg, redet auf Veranstaltungen, gibt Interviews und hat ein Buch geschrieben, mit dem Titel "Gefährliche Freiheit?"

Als Bewährungshelfer betreut Asprion zur Zeit rund 42 Ex-Häftlinge, darunter drei ehemalige Sicherungsverwahrte. "Das sind Männer zwischen 16 und 72 Jahren. Straftaten? Diebstahl, Drogen, Raub, Körperverletzung, Mord, Vergewaltigung, Nötigung. Das Strafgesetzbuch quer durch. Und auch bei denen, die nicht in Sicherungsverwahrung saßen, geht es teilweise um schwere Straftaten."

Asprions Aufgabe

Er hat eine halbe Stelle bei einem privaten Träger in Freiburg. Das Gericht teilt ihm zu, um wen er sich kümmern soll. Nachdem er die Akten bekommen hat, lädt er zum ersten Beratungsgespräch ein. Wie tritt man jemandem gegenüber, von dem man weiß, dass er schwere Verbrechen begangen hat? "Na, ich sag, Guten Tag, Herr Soundso, sind Sie gut her gekommen, kann ich Ihnen einen Kaffee anbieten... Und dann frag ich, was derjenige denn schon über Bewährungshilfe weiß und kläre ihn über meine Aufgabe auf."

Asprions Aufgabe steht in § 56d des Strafgesetzbuches: "Die Bewährungshelferin oder der Bewährungshelfer steht der verurteilten Person helfend und betreuend zur Seite. Sie oder er überwacht im Einvernehmen mit dem Gericht die Erfüllung der Auflagen und Weisungen". Zum einen Helfen, zum anderen Kontrollieren. Der Freiburger findet das spannend.

"Wenn er nur jemanden ermordet hätte, das wäre kein Problem"

Den entlassenen Straftätern steht er bei "allen möglichen Lebensproblemen" zur Seite: Wohnungssuche, Job, Familie, Beziehungen. Bei den ehemaligen Sicherungsverwahrten ist die Lage besonders schwierig. Das Medieninteresse ist groß, manche Täter werden anfangs von vier Polizisten rund um die Uhr begleitet. "So kriegen die keine Wohnung", sagt Asprion. Arbeit zu finden sei beinahe unmöglich. "Mir hat mal eine Mitarbeiterin einer sozialen Einrichtung gesagt: Wenn er nur jemanden ermordet hätte, das wäre ja kein Problem. Aber Sicherungsverwahrung das geht nicht."

Selbst die Bank weigert sich, ein Konto zu eröffnen. Diese Stigmatisierung empört den Bewährungshelfer. Manche der Männer sind ihm sympathisch, manche weniger, mit einigen hat er Mitleid. Manchmal ist es auch für ihn schwer, damit umzugehen, welche Taten sie begangen haben. "Aber die Menschenrechte gelten für alle."

Zitiervorschlag

Annelie Kaufmann, Der Bewährungshelfer Peter Asprion: . In: Legal Tribune Online, 30.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7681 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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