Die Briten gelten landläufig als die Teetrinker schlechthin. Dabei liegt die Hochburg des Heißgetränks im deutschen Norden: Ostfriesland hätte, würde man es in die Nationenfolge einreihen, den weltweit höchsten Pro-Kopf-Verbrauch. Wer dort zu Gast ist, erlebt eine eigenständige Teekultur und stellt fest, dass eine einzige Tasse des Getränks mehr als nur ein Geschmackserlebnis bietet
Sagenhafte 288 Liter pro Kopf und Jahr verbrauchen die Ostfriesen. Sie überbieten damit die Briten, die immerhin 240 Liter trinken, deutlich. Zum Vergleich: Im restlichen Deutschland liegt der Schnitt bei etwa 25,5 Litern. Zahlen wie diese sprudeln nur so aus Dr. Monika Beutgen, Geschäftsführerin des Hamburger Teeverbandes heraus. Schmunzelnd stellt sie fest, dass "in Ostfriesland der Tee das Bier als Nationalgetränk abgelöst hat."
Die eigene, seit rund 300 Jahren gepflegte Tee-Tradition beflügelt so nicht nur die regionale Wirtschaft. Die Friesen exportieren erfolgreich ihr blau-weißes Teegeschirr und in jedem halbwegs manierlich sortierten Tee-Regal findet sich eine Friesen-Mischung, dessen Hauptbestandteil nordindischer schwarzer Assam ist, neben Klassikern wie Pfefferminze oder Kamille. Dabei darf nur tatsächlich in Ostfriesland gemischter Tee die Bezeichnung Echter Ostfriesentee tragen.
Löffel beendet die "Teetied"
"Die Ostfriesen trinken den heißen Tee durch die kalte Sahne", erklärt Monika Beutgen. Was merkwürdig klingt, illustriert das friesische Tee-Brauchtum aber letztlich doch recht präzise. Die Tradition sieht vor, dass zuerst ein Stückchen Kandis ("Kluntje") in die Tasse gelegt wird, ehe der aufgebrühte Tee und ein Löffel kalter Rahm folgen. Umgerührt wird mit dem Löffel nicht. Ursprünglich sollte so der damals teure Kandis gleich mehrere Tassenfüllungen überdauern.
Die so befüllte Tasse offenbart gleich drei Geschmackserlebnisse: Zuerst einen durch den Rahm gekühlten, milderen Tee, anschließend den kräftigen Geschmack des dunklen Schwarztees, auf welchen ein zuckersüßer Abgang folgt. Dem Löffel kommt eine andere Aufgabe zu: "In der Tasse beendet er den gemeinsamen Tee", weiß Beutgen.
Dies ist für den Ostfrieslandbesucher wichtig zu wissen. Die Friesen laden gemäß der Tradition jeden Gast – vom Postboten bis zur Schwiegermutter - zur "Teetied" (Teezeit) ein. Und dabei befüllt der Gastgeber die Tasse seines Besuchers solange, bis dieser eben den Löffel als Schlusssignal platziert (oder wahlweise seine Tasse umdreht). Mit dreimaligem Nachschenken sollte aber jeder kalkulieren – alles andere empfinden die Ostfriesen als unhöflich.
Ostfriesen-Tee: . In: Legal Tribune Online, 31.05.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/406 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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