Katharina Feddersen: "Ich wäre ein begeisterter Tiefbauer geworden"

Gil Eilin Jung

09.05.2010

Die Top-Anwältin Katharina Feddersen hat nicht nur eine Leidenschaft für Baurecht, sondern auch  für Baustellen. Zwischen Betonmischern und Gerüsten fühlt sie sich pudelwohl. Mit Zielstrebigkeit und Willenskraft ist sie in eine Männerdomäne eingebrochen. Ein Portrait von Gil Eilin Jung.

Der ohrenbetäubende Lärm, der das Hanseviertel an diesem Tag erfüllt, ist im Konferenz-Raum der Hamburger Dependance der Sozietät Graf von Westphalen durchs geschlossene Fenster zu hören. Aus 50 Metern Entfernung dröhnt das dumpfe Stakkato eines Presslufthammers, dort, wo von der Alten Post – einem denkmalgeschützten Prachtbau aus dem 19. Jahrhundert – nur noch die venezianisch anmutende Fassade über geblieben ist. 2011 soll das schmucke Objekt kernsaniert sein und die oberen vier Etagen Firmensitz der renommierten internationalen Wirtschaftskanzlei.

Aber noch ist 50 Meter weiter alles laut und dreckig - ein Umstand, der Katharina Feddersen in helle Freude versetzt. Denn die Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht liebt nicht nur ihren Job, sondern auch den physischen Aspekt ihrer Materie, sprich Baustellen.

"Wann immer ich kann, fahre ich durch die Stadt und schaue mir Baustellen an", erzählt die 37jährige Top-Juristin. Mit leuchtenden Augen spricht sie über die Faszination von vierstockwerktiefen Löchern im Boden, die eigentlich zusammenfallen müssten und es doch nicht tun. Von Fahrstuhlgerippen, aus denen sich jeder Bau entwickelt, wie eine Familie aus einem Stammbaum. Von Kränen, Türmen, Dreck und Bau-Phasen, die sie fotografisch dokumentiert, selbst wenn es um wildfremde, nicht von ihr betreute Objekte handelt. "Ich finde das hoch spannend", erklärt Katharina Feddersen, "wie alle Facetten meines Jobs."

Den erfüllt die Absolventin der Leuphana-Universität in Lüneburg mit rund 60 Stunden in der Woche in einem engagierten Team von fünf Rechtsanwälten, die alle auf Baurecht spezialisiert sind. Derzeitiger Focus sind "Großprojekte in der Hamburger Innenstadtlage". Projekte, die sich in einer mehrstelligen Millionenhöhe bewegen dürften.

"Mein Beruf ist unheimlich konstruktiv"

Katharina Feddersen trägt ein dunkelblaues Etuikleid mit schmalem Jackett, wenig Schmuck, dezentes Make-up. Sie ist eine elegante Erscheinung, die man sich eher auf einer Vernissage, als am Fuße eines Baukrans vorstellt. Neben ihrem Job bei Graf von Westphalen ist die gebürtige Aachenerin in ihrer Wahlheimat Lehrbeauftragte der Universität, Dozentin der Handels- und Architektenkammer und Vorsitzende des Juristinnenbundes.

Was sie an ihrem Beruf schätzt, ist, dass er "unheimlich konstruktiv ist. Man hilft mit, wenn etwas Schönes und Ästhetisches entsteht, was vielleicht Jahrzehnte an Ort und Stelle vorhanden ist." Im Gegensatz zu ihrem Fachbereich gestalte das Gesellschaftsrecht zwar auch mit, "aber da hat man nichts, was sichtbar ist, was man anfassen kann oder was bleibt."

Als Katharina Feddersen vor knapp zehn Jahren ihre berufliche Laufbahn eingeschlagen hat, nach Stationen in den USA, Frankfurt, Hamburg, Berlin und Lüneburg (wo sie als Master of Law ihren Abschluss machte), war das Bau- und Architektenrecht noch reine Männerdomäne. "Es hieß, dass Bauträger nicht mit Frauen verhandeln und sich schon gar nicht von ihnen vertreten lassen", erzählt die Juristin. Skeptisches Verhalten und "gewisse Ressentiments" wären spürbar gewesen.

Aber Untergehen stand nicht auf dem Plan, also biss sich die älteste von vier Töchtern eines Akademiker-Ehepaares mit "extrem viel und harter Arbeit" durch. Schon damals wusste sie: "Man kann als Anwalt nicht der bessere Ingenieur seines Mandanten sein, aber die Bandbreite dessen, was man über Bau- und Architektenrecht wissen, kennen und lernen muss, ist enorm - und das musste ich packen."

"Fragen, die man für einen Mann als irrelevant erachtet hätte"

Unterschiedliche Maßstäbe wurden auch in Bewerbungsgesprächen deutlich, wo gezielt nach Kinderwunsch gefragt wurde und der Einstellung des Ehemannes zu einer jobbedingten Wochenendbeziehung. "Ich hielt das für einen Scherz", sagt Feddersen lachend, "das waren Fragen, die man für einen Mann als völlig irrelevant erachtet hätte."

Ist Ihr Aussehen jemals von Vorteil gewesen? "Das Aussehen nein, aber die bestimmte Ausstrahlung als ein Zeugnis der inneren Haltung und des Interesses." Das zeigt sich nicht unbedingt darin, "24 Stunden am Tag Akten lesen zu wollen", wie Katharina Feddersen sagt, "aber hier und da ein Buch, das sich mit Architektur befasst, ein Ausflug zu einer Baustelle, eine Kunstausstellung – das geht immer."

Warum sie nicht gleich Architektur studiert hat, lag an ihren "grottenschlechten Mathekenntnissen", wie sie schmunzelnd gesteht: "Die hätten nicht mal zum Bauzeichnen gelangt."

Katharina Feddersen verkörpert eine neue Generation von Juristinnen, die sich mit Leidenschaft, Sachverstand, Weiblichkeit und Können in einer noch von Männern dominierten Sparte bewegt ohne die gängigen Stereotypen zu bedienen. Emotionsneutrales Auftreten, Härte oder das Bestreben 'der bessere Mann' zu sein, sucht man bei ihr vergeblich.

"Mein Antrieb war mein Wille"

Was hat Sie anders gemacht, als Anwältinnen, die sich möglicherweise selbst zu schnell in die softe Ecke bugsieren lassen? "Schwer zu sagen", antwortet sie. "Das war nicht einfach, auf gar keinen Fall. Mein Antrieb war mein Wille und vielleicht auch meine Ungebundenheit."

Die Entscheidung gegen Kinder sei keine bewusste gewesen, betont sie, "eher unbewusst bewusst". Nach einer gescheiterten Ehe ("ich habe da wohl zu viel in die Arbeit investiert") ist sie heute mit dem Hamburger Architekten und Städteplaner André Poitiers liiert.

Beide sammeln Malerei von jungen Künstlern, lieben Hamburg, die Architektur – besonders puristische Nachkriegsbauten - und gehen auch schon mal am Wochenende ins Büro. Mit Kindern, sagt Feddersen, wäre das schwer machbar. Viele ihrer Mitstreiterinnen hätten früh den Wunsch nach Familie ausgelebt. Aber das könne hemmen und sei mit dem Beruf sehr schwer zu vereinbaren - auch in einer so fortschrittlichen Kanzlei wie Graf von Westphalen, wo Partnerschaften sogar auf Teilzeit-Basis angeboten werden.

Die Quote für Frauen in Aufsichtsräten hält Katharina Feddersen für eine vernünftige Sache, "weil unsere Gesellschaft in allen Bereichen wiedergespiegelt werden sollte – alles andere wäre unzeitgemäß." Sie geht "sehr stark davon aus", dass die Quote kommt. 40 Prozent wie in Norwegen hält sie nicht für ausgeschlossen. Die Frage, ob sie quotenunabhängig eine Partnerschaft bei Graf von Westphalen anstrebe, beantwortet Katharina Feddersen mit Lachen. "Ich würde hier gerne Partnerin werden, sehe auch Chancen, aber die Partner haben das zu entscheiden, nicht ich."

Als Kind, erzählt sie mit wachem Blick aus dem Fenster, habe sie mit Begeisterung im Schlamm gespielt. Jeden Tag, im Matschanzug. Bei Wind und Wetter. "Das war immer meins, da habe ich die schönsten Sachen gebaut. Wahrscheinlich wäre ich auch ein begeisterter Tiefbauer geworden."

Zitiervorschlag

Gil Eilin Jung, Katharina Feddersen: . In: Legal Tribune Online, 09.05.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/489 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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