Wenn man so manchen Gesetzesnamen wie "Alternative Investment Fund Manager – Umsetzungsgesetz" hört, kräuseln sich einem die Zehennägel. Doch Roland Schimmel findet zwischen nominalen Wortmonstern und verwirrenden Buchstabenkombinationen auch Witz, Sympathie und ungewollte Lyrik. Wer ihm in die bunte, freudige Welt der Abkürzungen folgen möchte, sollte das Bundesgesetzblatt zur Hand nehmen.
Juristen lernen in der Ausbildung, Gesetze zu lesen, zu verstehen und zu interpretieren. Wie man Recht aber setzt und Normen formuliert, spielt schon eine nur untergeordnete Rolle, meist in Form der Vertragsgestaltung. Über die Technik oder gar die Sprache der Gesetzgebung erfährt man im juristischen Studium hingegen überhaupt nichts. Und wenn doch, dann gewiss nichts über die Frage, wie das fertige Gesetz denn nun heißen solle. Darum kümmern sich dann einige wenige Spezialisten in Landes- und Bundesministerien.
Bestenfalls ist eine Gesetzesbezeichnung aussagestark, halbwegs kurz, unterscheidungskräftig, kann abgekürzt werden und ist leicht auszusprechen. Alle diese Anforderungen gleichzeitig zu erfüllen, ist nicht einfach. Selbst wenn es gelingt, haben die Ergebnisse teils eine eigenartig lyrische Qualität. Es gibt daher kaum eine unterhaltsamere und empfehlenswertere Lektüre als das Bundesgesetzblatt (BGBl). Man entdeckt die eigenartigsten Dinge darin.
In der LTO-Auswahl der besten Geschenke für Juristen findet sich ein Kartenspiel, in dem die ganze Familie raten darf, was sich wohl hinter Gesetzesabkürzungen wie GZtcuSk verbergen mag. Auch von sprechenden Gesetzesnamen war schon die Rede. Hier kommen ein paar neue Beispiele aus dem reichhaltigen Pool der jüngeren Gesetze.
Substantivquoten von 100 Prozent
Beginnen wir mit dem Unvermeidlichen, dem typischen Nominalstil. Ein anständiger juristischer Satz kommt auf eine Substantivquote von einem Drittel. Ein ordentlicher Gesetzesname schafft es schon auf gut die Hälfte, etwa das "Gesetz zur Neuregelung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonoraren" (v. 11.8.2009, BGBl. I, 2852).
Eine gelungene Kurzbezeichnung erreicht 100 Prozent, zum Beispiel das "Finanzmarktstabilisierungsfortentwicklungsgesetz" (v. 17.7.2009, BGBl. I, 1980). Weil’s der Kürze dient, nimmt man es hin – solange man es nicht aussprechen muss. Man kann es ja abkürzen. So wird dann aus dem Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz das FMStFG, ganz alltagstauglich und leicht aussprechbar.
Sympathische und unsympathische Gesetzesnamen
Die Mühe der Namensfindung kann aber auch Früchte tragen, etwa beim Mindestlohngesetz ("Gesetz zur Einführung eines allgemeinen Mindestlohns" v. 11.8.2014, BGBl. I, 1348). Dann weiß man sofort, was drin ist. Ob es auch funktioniert, wird man erst viel später sagen können, schon wegen der Ausnahmen und Übergangsregelungen. Zyniker wetten schon, wann dieses Gesetz in die Top Ten der meistumgangenen Vorschriften aufsteigen wird.
Mancher Gesetzesname gerät beinahe einschüchternd. In das "Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz" (v. 5.1.2007, BGBl. I, 2) möchte man lieber gar nicht erst reinschauen aus Sorge, detaillierte Regelungen zu verschärften Verhörmethoden oder Flugzeugabschüssen zu finden (für letzte Materie ist übrigens das "Luftsicherheitsgesetz" v. 11.1.2005, BGBl. I, 78, einschlägig). Als es in den 1970er Jahren zuletzt darum ging, den Terrorismus zu bekämpfen, bekamen die Gesetze noch so ehrliche Namen wie "Kontaktsperregesetz".
Andere Gesetze haben geradezu sympathische Namen, etwa das "Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken" (v.1.10.2013, BGBl. I, 3714). Hört sich das nicht irgendwie rührend hilflos an? Man sieht förmlich den Gesetzgeber mit der Faust auf den Tisch schlagen: "Kinners! Jetzt aber Schluss mit den unseriösen Geschäftspraktiken!"
Andererseits: Das "Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb" (UWG) klingt auch nicht viel souveräner. Nach über 100 Jahren läuft es den unanständigen Verhaltensweisen von Reform zu Reform immer wieder hinterher. Und die Generalklausel trägt es schon im Titel. Aber an das UWG hat man sich eben gewöhnt.
Roland Schimmel, Gesetzesnamen und –abkürzungen: . In: Legal Tribune Online, 19.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14408 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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