Friedrich Graf von Westphalen zum Siebzigsten: Entdecker rechtlichen Neulands

Ob Exportfinanzierung, Produkthaftung, AGB oder Leasing: Immer wieder hat Friedrich Graf von Westphalen die weißen Flecken auf der juristischen Landkarte geschlossen. Weniger bekannt ist, dass der Rechtsanwalt – Seniorpartner und Begründer der gleichnamigen Kanzlei – regelmäßig für eine christliche Wochenzeitung schreibt. Am Freitag wurde Friedrich Graf von Westphalen siebzig Jahre alt.

Wer weiß, ob Friedrich Graf von Westphalen statt auf den Rhein heute nicht auf den East River blicken würde, wäre da nicht diese Erkältung gewesen. Als frisch gebackener Jurist wäre er gerne in die Entwicklungshilfe gegangen und später vielleicht zu den Vereinten Nationen. Gewiss wäre aus Graf von Westphalen, der später auch als eine Art CCBE-Außenminister fungieren sollte, ein guter Diplomat geworden. Und kein Harry von Duckwitz, wie sein Onkel, der Schriftsteller Joseph Graf von Westphalen, die Diplomaten "Im diplomatischen Dienst" karikiert.

Manche Erkältungen sind jedoch alles andere als harmlos: Auch wenn sie nicht das Leben bedrohen, so können sie es doch ändern. Bei den Klausuren zum Assessorexamen hatte Friedrich Graf von Westphalen eine ganze Reihe an Medikamenten vor sich stehen, und nachher reichte die Note, im Unterschied zum Prädikat im Referendarsexamen, lediglich aus. Im Grunde aber hatte ihn schon das Referendariat ad nauseam gelangweilt, außerdem war er da bereits dem Journalismus verfallen. Im Prüfungsgespräch stellte der Graf gegenüber dem Vorsitzenden fest: "Das ist der letzte Tag Juristerei." Mit seiner Prognose sollte Graf von Westphalen jedoch ziemlich daneben liegen.

In der Tat war dem Grafen die Juristerei zunächst keine Herzensangelegenheit. Das Jurastudium begann er, weil ihm nichts anderes einfiel. Der politisch und historisch interessierte Student widmete sich nebenher noch den Politikwissenschaften und ein wenig der Geschichte. Auch die Philosophie kam nicht zu kurz, außerdem standen Französisch und Italienisch auf dem Stundenplan. Die Wahl fiel aber auf Jura, weil es dem Grafen schlicht standesgemäß erschien.

…der hat auf Glaube und Familie gebaut

Der am 23. Juli 1940 im böhmischen Aussig geborene Graf von Westphalen stammt von einem alten Adelsgeschlecht ab, dem nicht etwa die Familie Jenny von Westphalens zuzurechnen ist. Die Gedanken deren Ehemannes Karl "Religion ist das Opium des Volkes" Marx sind dem Grafen, einem ehemaligen Jesuitenschüler, denn auch eher fremd. Im "Rheinischen Merkur" vertritt Graf von Westphalen in der Regel entgegengesetzte Positionen. Der christlichen Wochenzeitung ist er seit Studientagen als ständiger Mitarbeiter verbunden. So schmückt sein Büro auch eine alte Druckplatte des "Rheinischen Merkurs".

Auf dem Schreibtisch steht ein Porträtfoto von Johannes Paul II. Kurz vor dessen Tod im Jahre 2005 erhielt Graf von Westphalen noch eine Audienz, die ihm sehr viel bedeutete. Man wird nicht fehlgehen in der Annahme, dass sein Leben auch auf dem Glauben gebaut ist.

Das andere Fundament im Leben des Grafen ist seine Familie: seine Frau, die vier Kinder und vier Enkelkinder. Graf von Westphalen ist ein ausgesprochener Familienmensch, er ist auch dadurch geprägt worden, dass er inmitten einer Großfamilie in Paderborn aufgewachsen ist. Das war für ihn ein großes Geschenk.

Ein leidenschaftlich neugieriger Hachenburg

Diese Fundamente waren für Friedrich Graf von Westphalen sicherlich eine Stütze, als er aufbrach, um neue Rechtsgebiete zu entdecken und zu "erobern". Nachdem er sich 1973 als Anwalt niederließ, blieb neben der anfangs spärlichen Zahl an Mandaten Zeit für wissenschaftliche Veröffentlichungen. So wurde Graf von Westphalen mit der Zeit zum Pionier auf den Gebieten der Exportfinanzierung, der Produkthaftung, des AGB-Rechts und des Leasings.

Angesichts des umfangreichen wissenschaftlichen und doch zugleich praxisnahen Werks ist Graf von Westphalen nicht zu Unrecht mit Max Hachenburg verglichen worden. Dieser gilt als Vater des modernen Handels- und Aktienrechts und zeichnete sich dadurch aus, dass er die Theorie mit der Praxis vorzüglich zu verbinden wusste. Für Graf von Westphalen ist Max Hachenburg durchaus ein Vorbild.

Wie viele der großen Entdecker alter Zeiten ist Graf von Westphalen mit einer besonderen Neugier ausgestattet, die ihm sein akademischer Lehrer Heinrich Kronstein sowie der damalige Chefredakteur des "Rheinischen Merkurs" Anton Böhm mitgegeben haben. Mit dieser Eigenschaft ausgerüstet, war es Graf von Westphalen ein Leichtes, immer wieder rechtliches Neuland zu betreten.

Bei der Musik ist der gräfliche Geschmack etwas konservativer. Der nach eigener Einschätzung begabte Musikhörer bevorzugt die Zeit von der Klassik bis zur späten Romantik – außer Wagner, den er nicht mag. Aktiv dilettierte der Graf auf der Geige, wie etwa auch Einstein.

Womöglich hat Friedrich Graf von Westphalen wie Albert Einstein keine besonderen Talente. Sondern ist einfach leidenschaftlich neugierig.

Zitiervorschlag

Jean-Claude Alexandre Ho, Friedrich Graf von Westphalen zum Siebzigsten: . In: Legal Tribune Online, 23.07.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1039 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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