Am Dienstag wird einer der Kenner und Könner der juristischen Materie 85 Jahre alt. Wie der Ausnahmejurist Egon Schneider zur aktuell heiß debattierten Frauenquote steht, weiß Doris Kloster-Harz nicht. Seinen Geburtstag aber nimmt sie zum Anlass, die Entwicklung der Gleichberechtigung im Familienrecht nachzuzeichnen. Eine sehr persönliche Hommage an einen großen Kenner der Frauenseele.
Susette Borkenstein heiratet Jacob Friedrich Gontard am 9. Juli 1786. Sie ist 17 Jahre alt. Als Heiratsgut erhält sie 10.000 Reichsmark. Das Geld wird an den Ehemann ausgehändigt, der es verwaltet. Beide Ehepartner sind zum Zeitpunkt der Hochzeit wohlsituiert und verfügen in etwa über das gleiche Ausgangsvermögen.
Gontard wirtschaftet gut und hat innerhalb weniger Jahre aus den 20.000 Reichsmark 500.000,00 Reichsmark gemacht. Er kann sich einen Mann wie Hölderlin als Hauslehrer und Hofmeister leisten. Hölderlin ist für die Erziehung der Kinder da. Dabei bleibt es nicht. Natürlich ist der Ehemann mit Geschäften und Hausmädchenaffären beschäftigt und ausgelastet, die einsame Susette verliebt sich in den sensiblen und hochgebildeten Hölderlin, der mehr Zeit für sie hat als ihr Mann. Als ruchbar wird, dass zwischen dem armen Dienstboten Hölderlin und Susette mehr als eine Dienstbotenbeziehung bestehen könnte, wird er gefeuert.
Susette weint sich die Augen aus, steht am Fenster und wartet, ob der Geliebte vielleicht erscheint, sucht heimlich einen Postillion d’Amour für harmlose Briefchen und trauert. Hölderlin ist gekränkt, hilflos. Seine wirtschaftliche Situation erlaubt es nicht zu heiraten, geschweige denn eine Frau aus der Gesellschaftsschicht, bei der er "dient". Beide sind sehr unglücklich und leiden. Hölderlin wandelt sein Liebesleid in die wunderbare Dichtung "Hyperion", die aber erst Jahrzehnte später Anerkennung findet.
Susette stirbt mit 31 Jahren vor Kummer als reiche Frau. Hölderlins befallen Schwermut und Wahnsinn. Die Geschichte von seinem Leben mit der roten Mütze im Turm ist hinlänglich bekannt. Jacob Friedrich Gontard , der Ur-Ur-Großvater meines Ehemannes, verheiratet sich noch 2 Mal.
Die Ehe im Jahr 1900: Der Mann ist das Oberhaupt
Noch als das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) im Januar 1900 in Kraft, trat galten folgende Spielregeln zwischen Mann und Frau:
- Der Mann war das Oberhaupt der Familie.
- Sein Name wurde automatisch Familienname.
- Er entschied in allen das Eheleben betreffenden Angelegenheiten.
- Er verwaltete und nutzte das Vermögen der Frau.
- Ihm stand die elterliche Gewalt über die Kinder zu (Vermögenssorge und gesetzliche Vertretung).
- Die Frau leitete das gemeinschaftliche Hauswesen.
Nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes (GG) entsprach das geltende Recht in vielen Fällen nicht dem Gleichberechtigungsgebot des Artikels 3 Abs. 2 Grundgesetz. Die Verfasser des Grundgesetzes, denen das bewusst war, räumten dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. März 1953 ein, um das Recht anzupassen. Anpassung des Rechts. Aber erst am 18. Juni 1957 versuchte man, durch das Gleichberechtigungsgesetz den Verfassungsauftrag zu erfüllen.
Das bisschen Haushalt in den Anfängen der Gleichberechtigung
- Der Ehename blieb zwingend der Familienname des Mannes. Die Ehefrau konnte allerdings ihren Mädchennamen anhängen.
- Die ehelichen Pflichten waren nach wie vor nach Geschlecht verteilt. Der Frau war der Haushalt zugewiesen, den sie jetzt allerdings in "eigener Verantwortung" führte.
- Zwar hatte der Mann in der Ehe kein „Weisungsrecht“ mehr, aber die Frau sollte nur dann erwerbstätig sein dürfen, wenn dies mit ihren häuslichen Pflichten vereinbar war.
- Immerhin wurde die Zugewinngemeinschaft eingeführt.
- Für die Scheidung galt das Verschuldensprinzip. Wer schuldig aus einer Ehe ausbrach, hatte keine Unterhaltsansprüche und konnte das Sorgerecht für die Kinder verlieren. Das Schicksal von Effie Briest und deren kummer- und jammervolles Dahinsiechen hat uns Fontane deutlich vor Augen geführt.
1977: Das Ende des Verschuldensprinzips und die 0-8-15-Regel
Mit der Gesetzesreform im Jahr 1977 trat an die Stelle des Verschuldens- das Zerrüttungsprinzip. Ehen konnten geschieden werden, wenn das Gericht feststellte, dass die Ehe zerrüttet war. Diese Zerrüttung wurde nach einem Jahr vermutet.
Spannend wurde es beim Unterhalt: Gemäß § 1569 BGB a.F. hatte ein Ehegatte gegen den anderen einen Anspruch auf Unterhalt, wenn er nach der Scheidung nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen konnte.
- Betreute man ein Kind, galt nun die 0-8-15-Regelung, nach der die Frau bis zum achten Lebensjahr ganz zu Hause bleiben konnte. Zwischen dem achten und 15. Lebensjahr des Kindes wurde ihr eine Halbtagstätigkeit zugemutet, danach sollte sie für sich selbst sorgen, soweit nicht ein anderer Unterhaltstatbestand vorlag.
- Gleiches galt, wenn die Frau erwerbslos war oder den ehelichen Lebensstandard nicht halten konnte.
Das Maß des Unterhalts bestimmte sich gemäß § 1578 BGB a.F. nach den ehelichen Lebensverhältnissen, das heißt Chefarztgattin blieb Chefarztgattin.
Die 2007-er Reform: Jeder ist für sich selbst verantwortlich
Die Unterhaltsrechtsreform, die 2007 in Kraft trat, betonte mit der Vorschrift des § 1569 BGB n.F. den Grundsatz der Eigenverantwortung. Es heißt dort: Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Nur wenn er dazu außerstande ist, hat er einen Unterhaltsanspruch zum Beispiel wegen Betreuung gemeinsamer Kinder oder wegen Erwerbslosigkeit.
Der Unterhaltsbedürftige kann jedoch nach § 1574 BGB darauf verwiesen werden, eine angemessene Erwerbstätigkeit aufzunehmen, die seiner Ausbildung, seinen Fähigkeiten und seiner früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand entspricht. Neu war auch, dass der Unterhaltsanspruch wegen Unbilligkeit herabgesetzt und zeitlich begrenzt werden kann, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhalts auch unter Wahrung der Belange des dem Unterhaltsberechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig ist.
Der Ehegatte, der Unterhalt geltend macht, muss nun darlegen, inwieweit er in der Ehe berufliche Nachteile hatte, die ausgeglichen werden müssen.
Keine Angst mehr vor gebrauchten Männern
Wer vor der Gesetzesreform einen geschiedenen unterhaltspflichtigen Mann heiratete, musste davon ausgehen, dass Unterhaltsansprüche der Ex-Frau nach einer neuen Eheschließung den eigenen. Es war also riskant, einen "gebrauchten Mann" zu heiraten.
Das gilt nicht mehr: Die Rangfolge der Unterhaltsberechtigten wurde in § 1609 BGB zu Gunsten der minderjährigen unverheirateten Kinder sowie der Mütter geändert, die gemeinsame Kinder betreuen. Es ist also kein großes Risiko mehr, einen geschiedenen Mann zu heiraten und eine neue Familie zu gründen.
Ausdrücklich führt § 1579 BGB n.F. auf, dass der Unterhalt zu versagen oder zu beschränken ist, wenn der Brechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt. Den berühmten Chefarzt, der den Studenten und Lover seiner Exfrau mit ernähren muss, gibt es also nicht mehr, wenn Exfrau und Geliebter nicht trickreich genug sind, ihre verfestigte Lebensgemeinschaft zu verschleiern, etwa durch ein angebliches Untermietverhältnis.
Der "Baustein Liebesheirat" 220 Jahre nach Susette
Innerhalb von 2 Jahrhunderten hat sich die Rolle der Frau grundlegend geändert: Frauen entscheiden selbst, ob und in welchem Umfang sie berufstätig sein wollen. Die Ehepartner müssen zusammen entscheiden, wie sie mit der Erziehung gemeinsamer Kinder umgehen. Sie können wählen, welchen Güterstand sie eingehen. Auch bei Trennung und Scheidung bleibt es beim gemeinsamen Sorgerecht für die Kinder.
Der ursprüngliche Ausdruck "elterliche Gewalt" ist zum verpönten Terminus geworden. Lange Zeit galt der Satz: "Den Müttern die Sorge, den Vätern das Recht". Heute wissen Männer, dass die Verwaltung des Vermögens eines Paares besser bei der Ehefrau aufgehoben ist, weil Frauen weniger Zockermentalität aufweisen.
220 Jahre nach Diotima heiratet ihre Ur-Ur-Schwiegertochter. Sie ist berufstätig, wählt sich bewusst den 3. Ehemann aus, der seinerseits seine 2. Scheidung hinter sich hat. Es entsteht eine Patchwork-Familie.
Natürlich gibt die Frau ihren Beruf nie mehr auf. Was eine Scheidung bedeutet, weiß sie als moderne Frau genau. Für ihr eigenes Vermögen und ihr Fortkommen im Beruf ist sie selbst verantwortlich. Von ihrem Mann verlangt sie vor Eheschließung einen Ehevertrag. Seinen Inhalt bezeichnen die Notare als "Baustein Liebesheirat". Jetzt verlangt die Frau von ihrem Mann einen nachehelichen Unterhaltsverzicht. Sie vereinbaren Gütertrennung und den Ausschluss des Versorgungsausgleichs, schließlich will sie ihre Rente für sich selbst behalten. Sie verlangt einen Erbverzicht, weil das von ihr erarbeitete Vermögen auf ihre Brut und nicht auf die nächste Frau und Geliebte ihres Mannes übergehen soll.
Der Status quo: Wenn Quotenfrau Diotima Hölderlin heiratet
Es gibt keine gemeinsamen Konten mehr. Jeder verwaltet sein Geld selbst. Wer für welche Kosten des gemeinsamen Haushalts aufkommt, wird klar geregelt, wie zwischen fremden Dritten. Wenn diese moderne Diotima ihren Hölderlin heiraten will, dann kann sie es jeden Tag tun.
Ihr Hölderlin wird sie dann fragen: "Kannst du mich auch ernähren, Schätzchen?..." Demnächst wird sie als Quotenfrau in den Vorstand einer großen Aktiengesellschaft als gewählt - aber das hat sie eigentlich gar nicht mehr nötig… Ob sie sich dann einen noch jüngeren Geliebten nimmt?
Welche Gesetzesreform kommt als nächste? Natürlich die Verrechtlichung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, zum Schutz des Mannes, damit der abgelegte Geliebte doch noch einen Unterhaltsanspruch gegen seine gut verdienende, erfolgreiche Partnerin hat, die ohnehin das bessere Staatsexamen hat. Natürlich erhält er auch das Sorgerecht für die die gemeinsamen außerehelichen Kinder kraft Gesetzes.
Doris Kloster-Harz, Egon Schneider zum Geburtstag: . In: Legal Tribune Online, 03.04.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5918 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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