Wie weit sind die Länder mit dem E-Examen?
Die Weichen für das E-Examen sind gestellt. Ermöglicht hat dies eine Gesetzesänderung im Sommer 2021 in § 5d Abs. 6 Deutsches Richtergesetz (DRiG): Danach kann das Landesrecht bestimmen, dass die Leistungen in den staatlichen Prüfungen elektronisch erbracht werden dürfen. Richtig, "kann" –kein Land muss davon Gebrauch machen. Doch welche Länder wollen es und wie weit sind sie mit dieser Regelung, die das Leben des juristischen Nachwuchses deutlich erleichtern könnten?
Das E-Examen – "ein Quantensprung wie vom Federkiel zur Schreibmaschine"
Von Anfang an Vorreiter in Sachen E-Examen waren Sachsen-Anhalt und Sachsen. Sachsen-Anhalt führt das E-Examen in der zweiten Staatsprüfung bereits seit April 2019 durch. "Hierbei handelt es sich nicht um ein Pilotprojekt, denn das Verfahren ist zwischenzeitlich etabliert", so das Justizministerium gegenüber LTO. Es betont, dass nach seinem Rechtsverständnis die elektronische anstelle der handschriftlichen Anfertigung nicht erst seit Inkrafttreten der Änderungen des DRiG zulässig ist, sondern auch ohne ausdrückliche landesrechtliche Regelung. Dennoch sei eine solche geplant. Auch das erste Examen soll künftig elektronisch möglich sein. Insbesondere wegen der erheblich größeren Teilnehmerzahl sei jedoch die Programmierung neuer Prüfungssoftware notwendig. Dementsprechend sei noch nicht abzuschätzen, wann das E-Examen den Jurastudierenden erstmals angeboten werden kann – nach aktuellem Stand aber spätestens im Frühjahr 2025.
In Sachsen steht eine landesrechtliche Rechtsgrundlage für beide Examina, das bis Dezember 2022 laufende Pilotprojekt betreffe das zweite Examen. Aufgrund des großen Zuspruchs sei geplant, das Angebot fortzusetzen und zu verstetigen. Die Ausweitung auf das erste Examen und auch die Möglichkeit der elektronischen Korrektur soll dann geprüft werden.
In Nordrhein-Westfalen (NRW), dem Bundesland mit den meisten Referendar:innen, ist das E-Examen rechtlich bereits seit Mitte Februar 2022 eingetütet, Realität wird es dort ab dem 1. Januar 2024 – und zwar sowohl für das erste als auch das zweite Staatsexamen. Sehr weit fortgeschritten in den Planungen ist auch Rheinland-Pfalz. Dort konnte das E-Examen zumindest im zweiten Examen schon in einem Pilotprojekt ausgetestet werden. Die europaweite Ausschreibung der elektronischen Prüfung werde derzeit vorbereitet, so das Justizministerium gegenüber LTO. Die staatliche Pflichtfachprüfung – also das erste Staatsexamen – soll ab August 2023 elektronisch möglich sein. "Es handelt sich hierbei um einen Quantensprung wie vom Federkiel zur Schreibmaschine", so der Justizminister des Landes Herbert Mertin gegenüber LTO.
BaWü und Hessen wollen auch mitmachen – irgendwann
Sein Kollege Georg Eisenreich aus Bayern äußert sich ähnlich. "Für die bayerische Justiz steht fest: Wir wollen die Chancen der Digitalisierung nutzen, ohne die Risiken aus dem Blick zu verlieren". Die Einführung des E-Examens sei Teil der Digitaloffensive der bayerischen Justiz. Konkret ist laut Pressestelle des bayerischen Justizministeriums die Einführung ab 2024 geplant – zumindest für die Prüflunge des zweiten Examens. Die erforderliche landesrechtliche Regelung werde rechtzeitig vorher erfolgen, die technischen Vorbereitungen liefen.
Berlin und Brandenburg sind ebenfalls gut dabei. In Berlin stehe die Rechtsgrundlage schon, in Brandenburg werde sie vorbereitet, wie die Pressestellen des Berliner Justizsenats und des Brandenburger Justizministerium der LTO mitteilten. Das Gemeinsame Juristische Prüfungsamt der Länder Berlin und Brandenburg (GJPA) plane, die elektronischen Klausuren in den Staatsprüfungen in Kooperation mit dem Center für Digitale Systeme der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin (CeDiS) abzunehmen. Bis Ende 2023 sollen demnach die Klausuren des Zweiten Examens elektronisch möglich sein und auf Grundlage der daraus gewonnenen Erfahrungen dann auch ggf. das Erste.
Noch nicht ganz so weit in den Planungen fortgeschritten ist das ebenfalls sehr bevölkerungsreiche Bundesland Baden-Württemberg, aber auch dort soll das E-Examen kommen. Zunächst müssten jedoch die Mittel im Staatshaushaltsplan im Laufe der aktuellen Legislaturperiode bewilligt werden, wie das Justizministerium LTO erläutert. Auch dann sollen erst die Referendar:innen die Möglichkeit des E-Examen bekommen. Entsprechendes sei bereits im Koalitionsvertrag der Landesregierung festgehalten.
Hessen möchte sich erst einmal mit einem Probedurchlauf Mitte 2022 an das E-Examen herantasten. Auch abhängig von den Erfahrungen dort sei nach dem derzeitigen Stand die hessenweite Einführung des E-Examens für das Jahr 2023 angestrebt – auch das voraussichtlich für das zweite Examen, für das erste Examen sei es aber perspektivisch ebenfalls wünschenswert, "aber insbesondere von der Ausgestaltung der vorausgehenden universitären Ausbildung und Prüfungspraxis der Hochschulen abhängig. " Auch in der konkreten Umsetzung versucht es Hessen zunächst mit einem Stufenkonzept: Auf der ersten Stufe soll die Prüfung zwar elektronisch erstellt, aber dann ausgedruckt werden. Auf der zweiten Stufe sei aber eine papierlose Weiterverarbeitung vorgesehen.
Doch auch die kleineren Bundesländer sind gut dabei. So beschloss der Landtag des Saarlandes am 16. März eine entsprechende Rechtsgrundlage, die das E-Examen möglich machen soll. In Thüringen befinde sich der Entwurf dazu im Justizausschuss. Unter dem Vorbehalt, dass die notwendigen Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden, sei die erstmalige elektronische Anfertigung der Klausuren des zweiten Staatsexamens samt elektronischer Korrektur im Dezember 2022 geplant. "Darüber freue ich mich besonders, denn dadurch werden unsere jungen Juristinnen und Juristen in Thüringen auch in Zukunft praxisgerecht auf die Herausforderungen in der juristischen Arbeitswelt vorbereitet", so Thüringens Justizminister Dirk Adams zur LTO. Einen Probedurchlauf hat es laut Pressestelle bereits gegeben. Auch das erste elektronische Staatsexamen soll perspektivisch folgen.
Norddeutschland steht vor Raumproblemen
Etwas schwerer bei der Einführung des E-Examens tun sich die norddeutschen Bundesländer. Mecklenburg-Vorpommern prüfe die Einführung. Konkrete Schritte könnten noch nicht benannt werden. In Niedersachsen sei es bisher ebenfalls noch nicht möglich. Ein Rahmenplan für elektronische Prüfungen im zweiten Examen existiere zwar, aber die Mittel in dem gerade verabschiedeten Doppelhaushalt 2022/2023 seien dafür noch nicht bereitgestellt. Demnach werde die Einführung nicht vor 2024 erfolgen. Zudem sieht das Justizministerium des zweitgrößten Flächenlandes organisatorische und finanzielle Probleme, schließlich würden die Klausuren an acht Standorten geschrieben. Zudem sei eine Umsetzung ohne zusätzliches Personal und notwendiger Hardware nicht denkbar – und damit nur mit erheblichen Kosten. Selbst bei einer Reduzierung der Standorte könnte sich dieser Aufwand auf einen siebenstelligen Betrag pro Jahr belaufen, den der Haushaltsgesetzgeber bereitstellen müsste.
"Leider haben wir das E-Examen noch nicht einführen können, stehen aber absolut hinter der Idee", so ein Pressesprecher des Bremer Justizsenats. Dieser hofft, in 2023 zunächst mit dem zweiten elektronischen Staatsexamen starten zu können und anschließend auf das erste auszuweiten. Die Prüfungskandiat:innen müssten sich keine Sehnenscheidenentzündung mehr "erschreiben", die Korrektor:innen keine Graphologie mehr betreiben. Allerdings stehe das Bundesland bei der tatsächlichen Umsetzung vor Problemen. Das zweite Staatsexamen werde für Bremen durch das Gemeinsame Prüfungsamt (GPA) der Bundesländer Bremen, Schleswig-Holstein und Hamburg (mit Sitz in Hamburg) durchgeführt. Deshalb müsse es in Sachen E-Examen auch eine Abstimmung mit Hamburg und Schleswig-Holstein geben.
Dort gebe es vor allem ein Raumproblem zu lösen, wie aus den Antworten der Pressestellen aller drei Bundessländer an LTO hervorgeht. So seien die Räume der Bremer Justiz und Verwaltung schlicht zu klein und würden zudem dauerhaft anderweitig genutzt. Hamburg hat laut Bremer Justizpressestelle vor Corona die Einrichtung eines eigenen Prüfungszentrums mit 200 technisch voll ausgestatteten Prüfungsplätzen geplant – allerdings reiche der angedachte Raum für Prüfungen unter Coronabedingungen nicht aus, sodass der Plan auf Eis liege. Bremen führe derweil Gespräche mit Anbietern von Prüfungszentren. Schleswig-Holstein setzt aufgrund des Raumproblems den Fokus auf das zweite Staatsexamen, schließlich seien wegen weniger Prüflinge auch weniger Plätze notwendig als im ersten Staatsexamen.
Bremen: Kann Software den Anforderungen gerecht werden?
Hamburg hofft, die Raumfrage in Kürze geklärt zu haben. Die aktuellen Räumlichkeiten seien nicht geeignet für IT-gestützte Klausuren. "Nach geeigneten Räumlichkeiten wird intensiv gesucht, was aufgrund des Hamburger Immobilienmarktes und der baurechtlichen Vorgaben herausfordernd ist", so die Pressestelle des Hamburger Justizsenats. Dieser plant dennoch eine ausdrückliche Verankerung der Möglichkeit von E-Klausuren im zweiten oder dritten Quartal 2022. Im Rahmen eines Projekts würden derzeit verschiedene Software-Lösungen in den Blick genommen.
Die Bremer sehen auch dort Probleme. "Es gibt auf dem Markt zwar bereits entsprechende Angebote. Diese sind aber meistens auf Multiple-Choice -Prüfungen zugeschnitten und weniger auf lange zusammenhängende ‘Freitext-Aufgaben‘. Deshalb wären, selbst, wenn wir uns für eine schon etablierte Software entscheiden würden, einige Anpassungen für unsere Zwecke nötig", so der Pressesprecher. Es müsse geklärt werden, ob die Anforderungen überhaupt abgebildet werden könnten und mit welchen Kosten. Eventuell schließe man sich aber auch einem Projekt unter Federführung von NRW an, bei dem gerade eine Open-Source-Software an die Anforderungen juristischer Staatsexamina programmiert werden.
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2022 M03 22
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