VG Düsseldorf bestätigt Präsenzpflicht

Refe­ren­darin muss an AG vor Ort teil­nehmen

von Pauline DietrichLesedauer: 3 Minuten

Um durch Corona besonders gefährdete Familienmitglieder zu schützen, verlangte eine Referendarin, den Arbeitsgemeinschaften an ihrem Gericht weiterhin digital statt vor Ort beiwohnen zu dürfen. Damit kam sie in Düsseldorf aber nicht durch.

Eine Rechtsreferendarin am Landgericht (LG) Mönchengladbach in Nordrhein-Westfalen (NRW) wollte an ihren Arbeitsgemeinschaften nicht im Präsenzbetrieb teilnehmen, da sie ihre im selben Haushalt lebenden Eltern nicht gefährden möchte. Mit ihrem Antrag, den Präsidenten des für sie zuständigen Oberlandesgerichts dazu zu verpflichten, sie von der Präsenzpflicht zu befreien, scheiterte sie jedoch am Dienstag vor dem Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf (Beschl. v. 07.10.2020, Az. 10 L 1954/20). Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.

Konkret ging es um die Befreiung von der Präsenzpflicht für Arbeitsgemeinschaften (AG) des juristischen Vorbereitungsdienstes nach § 43 Abs. 1 Juristenausbildungsgesetz (JAG) NRW. Nachdem per Schreiben im September 2020 die Präsenzpflicht zu den Veranstaltungen wieder eingeführt wurde, beantragte die Rechtsreferendarin die Befreiung von eben dieser. Sie argumentierte, dass im Falle einer Ansteckung mit Covid-19 ihre Eltern einem unzumutbar hohen Infektionsrisiko ausgesetzt seien. Sie seien Risikopersonen und mit schweren bis tödlichen Krankheitsverläufen sei daher zu rechnen, falls sie sich bei ihrer Tochter anstecken sollten. 

Ihr eigenes Risiko, sich anzustecken, sei auch wegen der An- und Abreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu den Arbeitsgemeinschaften erhöht, argumentierte die Frau. Zudem könne die ordnungsgemäße Ausbildung über die Fortsetzung der digitalen AG-Teilnahme gewährleistet werden. Die Referendarin verwies in ihrem Eilantrag außerdem auf ihre familiären Obhuts- und Fürsorgepflichten und auf "mit der allgemeinen Präsenzpflicht verbundenen schwerwiegenden Eingriffe in die Berufs- und Wissenschaftsfreiheit".

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Antrag unzulässig, aber auch in der Sache ohne Aussicht auf Erfolg

Das VG hielt den Eilantrag allerdings schon für unzulässig. Die Antragstellerin hätte zuerst den OLG-Präsidenten anrufen müssen, um die Befreiung vom Präsenzunterricht zu beantragen. Sie habe sich stattdessen aber nur beim Ausbildungsleiter des LG erkundigt, ob es eine Möglichkeit zur Befreiung von der Präsenzpflicht oder alternative Ausbildungsoptionen gebe. Nachdem der verneint hatte, hätte sie nach Auffassung des VG erst einmal einen förmlichen Antrag beim OLG-Präsidenten stellen müssen, was sie versäumt habe.

Abgesehen davon hätte der Antrag nach Auffassung des Gerichts aber auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg gehabt, wie das VG durchblicken ließ. Das LG Mönchengladbach habe die Unterrichtsräume nämlich unter anderem mit Plexiglaswänden zwischen den Sitzplätzen ausgestattet sowie ein umfangreiches Hygienekonzept entwickelt. Das sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausreichend, um das Risiko einer Infektion mit dem Corona-Virus ausreichend zu reduzieren. 

Ist die Juristenausbildung noch zeitgemäß?

Der Beschluss des VG Düsseldorf mag zwar einzelfallbezogen sein. Allerdings rückt er auch die grundsätzliche Frage in den Vordergrund, ob die Juristenausbildung noch zeitgemäß ist. Müssen etwa Arbeitsgemeinschaften wirklich als Präsenzveranstaltungen stattfinden? Hat nicht gerade die Corona-Pandemie dazu beitragen, dass - wie in vielen anderen Bereichen auch - die Digitalisierung der Juristenausbildung vorangetrieben wird? 

Diese übergreifenden Fragen beschäftigen die Referendarin zusätzlich. In einer von ihr veröffentlichen Pressemitteilung erklärt sie, dass es durchaus einen Unterschied mache, ob man noch zur Schule gehe oder sich im juristischen Vorbereitungsdienst befindet. Schließlich seien Referendare examinierte Juristen, deren Eigenverantwortung durchaus gestärkt werden sollte. Digitale Lehrinhalte und das Selbststudium im Allgemeinen könnten dazu beitragen. Die Strukturen in der Juristenausbildung seien zu eingefahren und würden den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Sie führten zu Dauerstress und gesundheitlichen Problemen wie Burnout, Depressionen, Rückenbeschwerden oder Kurzsichtigkeit. 

Bekannte Fragen, keine Antworten?

Neu sind diese Überlegungen nicht. Die Juristenausbildung in ihrer derzeitigen Form soll reformiert werden. Wie und wann, das ist allerdings seit Jahren unklar. Konkreter wurde erst kürzlich das Justizministerium NRW, als es eine Reform seiner Juristenausbildung angekündigte. Unter anderem soll das Abschichten der Examensklausuren abgeschafft, dafür die Notenverbesserungsmöglichkeiten flexibilisiert werden. Außerdem soll das Studium internationaler werden. 

Die Liste an Änderungsvorschlägen für alle Bundesländer reicht noch weit darüber hinaus. Seit 2016 beschäftigt sich der von der Justizministerkonferenz eingerichtete Koordinierungsausschuss zur Harmonisierung und Angleichung der Juristenausbildung (KOA) mit solchen Fragen. Insbesondere das Schwerpunktbereichsstudium steht dabei in der Kritik, es provoziere erheblichen (Verwaltungs-)Aufwand an den rechtswissenschaftlichen Lehrstühlen und sei schon zwischen verschiedenen Universitäten in ein und demselben Bundesland nicht vergleichbar, geschweige denn auf Bundesebene.

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