Wahlstation beim Bundespatentgericht

Eigenes Büro mit Blick über den juristischen Tellerrand

von Jens KahrmannLesedauer: 6 Minuten
Am Bundespatentgericht in München ist vieles etwas anders: Der Samtbesatz der Richter ist blau, ein Teil von ihnen kennt juristische Staatsexamina nur vom Hörensagen und Referendare werden mit überaus offenen Armen empfangen. Christopher Illig rundete mit seiner exotischen Wahlstation dort sein Referendariat ab und schwärmt von seiner Zeit am Münchener Gericht.

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Das seit 1961 existierende Bundespatentgericht (BPatG) fristet im Vergleich zu den anderen Bundesgerichten eher ein Schattendasein. Werden die herkömmlichen Bundesgerichte namentlich in Art. 95 Abs. 1 Grundgesetz erwähnt, muss sich das BPatG mit einer Fußnote im Sartorius zufriedengeben. Die mangelnde Popularität resultiert vor allem aus der speziellen Materie, mit der die Richter befasst sind: Sie befinden insbesondere über die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) und über die praktisch sehr bedeutsamen Klagen, mit denen die Nichtigkeit eines erteilten Patents geltend gemacht wird. Das Gericht ist unterteilt in 29 Senate. Tätig sind in diesen etwa 120 Richter, von denen ungefähr die Hälfte einen technischen oder naturwissenschaftlichen Hintergrund hat. Christopher Illig war als Referendar dem Landgericht Frankfurt am Main zugeteilt und drei Monate im 28. Senat des BPatG verbracht - einem Marken-Beschwerdesenat, dem ausschließlich Juristen angehören.

"Mein Schwerpunkt lag immer im gewerblichen Rechtsschutz"

Gefragt, wie er auf diese exotische Wahlstation gekommen sei, wird das fachliche Interesse des gebürtigen Hessens deutlich: "Schon im Studium lag mein Schwerpunkt im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes – ich hatte also seinerzeit schon mit dem Markenrecht, Patentrecht und verwandten Rechtsgebieten zu tun." Das kann man so sagen: Während seines Studiums absolviert Illig ein Praktikum beim DPMA, seine Rechtsanwaltsstation verbringt er ebenfalls in einer entsprechend ausgerichteten Kanzlei und bearbeitet dort vor allem Markensachen. "Der gewerbliche Rechtsschutz zog sich also wie ein roter Faden durch meine Ausbildung", erklärt Illig. "Deswegen kam mir die Idee, dass ich am Ende ja auch nochmal die gerichtliche Perspektive kennenlernen könnte, um das Rechtsgebiet von allen Seiten betrachtet zu haben." Sein Bewerbungsverfahren verlief unspektakulär und insofern nicht untypisch. "Ich habe mir einfach auf der Homepage den für die Ausbildung zuständigen Richter herausgesucht und ihm meine Bewerbung geschickt, wobei ich auch angegeben habe, dass ich gerne in einen Markensenat möchte", berichtet er. Die Bemühungen des Referendars waren von Erfolg gekrönt: Er wurde mit offenen Armen empfangen und bekam seinen Wunschposten.

Gerichtsbibliothek mit Motorradzeitschriften

Die Bedingungen am BPatG sind für einen Gerichtsreferendar durchaus annehmlich. Es gibt ein eigenes Büro, das mit einem Computer, Kommentaren und Literatur ausgestattet ist. Wenn das nicht reicht, hilft ein Besuch der umfangreichen Gerichtsbibliothek, die auch viel nicht-juristisches anzubieten hat. So finden sich in den Regalen unter anderem Computermagazine und Motorradzeitschriften. "Für Recherchen im Markenrecht ist das äußerst hilfreich", erläutert Christopher Illig, "denn es kann etwa darauf ankommen, ob ein bestimmter Begriff in den Fachzeitschriften lediglich beschreibend verwendet wird, also bloß auf eine bestimmte Eigenschaft hinweist, oder ob der Begriff wirklich im Sinne eines Herkunftshinweises verstanden wird." Angesichts der üppigen Arbeitsplatzausstattung verwundert es kaum, dass der Referendar aus Hessen jeden Tag im BPatG anzutreffen ist. Anwesenheitspflichten im engeren Sinne gibt es allerdings keine: "Die Zeiteinteilung ist sehr frei: Feste Vorgaben gibt es nicht, aber da mir die Arbeit Spaß macht, bleibe ich natürlich auch gerne mal länger."

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2/2: Entschieden wird immer per Beschluss

Der Arbeitsalltag von Christopher Illig besteht aus dem Formulieren von Beschlüssen – in den Beschwerdesenaten gibt es nämlich gar keine andere Entscheidungsform. "Inhaltlich geht es häufig darum, dass die Eintragung einer Marke abgelehnt wurde, was zum Beispiel passieren kann, wenn die Marke nicht geeignet ist, die Produkte als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen - sie also keine hinreichende Unterscheidungskraft besitzt. So stellt sich beispielsweise die Frage, ob für Kfz-Treibstoffe wirklich ein bestimmter Blauton als Marke eingetragen werden kann", schildert der Referendar. "Eine andere Fallgestaltung ist die, dass die Löschung einer Marke begehrt wird – etwa, weil jemand eine ältere Marke hat, die durch die Eintragung einer neuen verletzt wird." Der Senat arbeitet immer sehr genau und achtet vor allem darauf, dass eine einheitliche Terminologie in den Entscheidungen verwendet wird und die Formulierungen im Beschluss mit den bisherigen Entscheidungen harmonieren. "Wenn ich also einen Entwurf schreibe, wird dieser sehr genau überprüft, denn die Wortwahl kann manchmal entscheidend sein." Wie für Referendare in der Pflichtstation üblich, bespricht Christopher Illig seine Arbeitsergebnisse mit seiner Ausbilderin, der Vorsitzenden Richterin am BPatG Elisabeth Klante. Sie - wie auch die anderen Mitglieder des Senats - steht ihm im Alltag zur Seite.

Mündliche Verhandlung mit Bildschirmpräsentationen

Auf die Frage, welche Unterschiede ihm zu seiner Zivilstation am Landgericht in Frankfurt am Main aufgefallen sind, fällt Christopher Illig sofort das Arbeiten mit moderner Technik ein: "In einigen Gerichtssälen gibt es Monitore mit Laptopanschlüssen, um in Bildschirmpräsentationen einzelne Punkte besser verdeutlichen zu können." Auch laufen Sitzungstage am BPatG anders ab als am Landgericht: "Es gibt pro Tag eher weniger Verhandlungen als am Landgericht. Dafür sind diese dann in der Regel intensiver - vor allem im Patentnichtigkeitsverfahren kann eine Verhandlung praktisch den ganzen Sitzungstag dauern."

Einziger Referendar und doch nicht einsam

Christopher Illig war während seiner Station zwar der einzige Referendar am BPatG. Gleichwohl musste er sich nicht einsam fühlen, denn er trifft immer auch mit den Patentanwaltskandidaten zusammen, die jeweils für sechs Monate am Gericht ausgebildet werden und über einen naturwissenschaftlichen oder technischen Hintergrund verfügen. "Für die Patentanwaltskandidaten gibt es ein Rahmenprogramm mit Vorlesungen, die von Richtern am BPatG gehalten werden. Thematisch geht es beispielsweise um Patentverfahrensrecht oder Widerspruchsverfahren in Markensachen. An den Vorlesungen darf ich auch teilnehmen und habe das auch schon getan – allerdings habe ich natürlich auch meine eigenen Akten zu bearbeiten und somit ist meine Zeit leider begrenzt." Den Patentanwaltskandidaten fühlt sich der Referendar geistig nahe. "Genau wie für mich ist das für sie die letzte Station vor der abschließenden Prüfung." Wenn der Referendar aus Frankfurt mal wieder keine Zeit für den Besuch von Vorlesungen hat, trifft er die Patentanwaltsanwärter auf einen Café in der Kantine. "Die ist übrigens kein Vergleich zu den Mensen oder auch zur Cafeteria an unserer Landgerichtsbibliothek. Der Koch am BPatG tischt gerne auch exotische Gerichte auf, die bei allen gut ankommen."

"Am meisten gefallen hat mir der Blick über den Tellerrand"

Das positive Fazit, das Christopher Illig am Ende seiner Wahlstation zieht, hat jedoch weniger mit dem guten Essen als vielmehr mit den guten Erfahrungen zu tun. "Am meisten gefallen hat mir an dieser Station die Möglichkeit, über den rein juristischen Tellerrand hinauszuschauen und sich mit der einen oder anderen technischen Frage zu beschäftigen. Es ist auch interessant, durch Gespräche mit den technischen Richtern oder den Patentanwaltskandidaten andere Herangehensweisen an Probleme kennenzulernen. Wir Juristen blicken meist zurück und schauen auf vergangene Fehler. Die Naturwissenschaftler richten ihren Blick gern nach vorn und lösen Konflikte zukunftsorientiert." Christopher Illig empfiehlt die Station ausdrücklich jedem Referendar, der sich für gewerblichen Rechtsschutz sowie für technische Sachverhalte interessiert. Die Chancen, einen Wahlstationsplatz zu ergattern, stehen derzeit äußerst gut: In der jüngeren Vergangenheit waren beim BPatG nur ein bis zwei Referendare pro Jahr beschäftigt, sodass eine Selektion nach Examensnoten oder ähnlichen Kriterien zumindest bislang nicht erfolgt. Der Station am exotischen Bundesgericht im Süden der Republik steht also nichts im Wege.

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