Mecklenburg-Vorpommern startet Nachwuchskampagne

Junger Jurist zum Bleiben gesucht

von Constantin KörnerLesedauer: 4 Minuten
Unter Urlaubern ist Mecklenburg-Vorpommern sehr beliebt, den juristischen Nachwuchs kann das Flächenland weniger begeistern, insbesondere der Justiz fehlt es an Nachwuchs. Das soll eine groß angelegte Kampagne jetzt ändern.

Die Kreidefelsen auf Rügen, die malerische Altstadt von Rostock oder die Seenplatte: All das lockt alljährlich viele Besucher nach Mecklenburg-Vorpommern, um Urlaub zu machen. Im Gegensatz dazu verlassen die meisten Jurastudenten wie selbstverständlich sofort nach ihrem Abschluss das Bundesland wieder, um ihr Referendariat woanders zu absolvieren.  "Ab 2021 werden wir in Mecklenburg-Vorpommern wie nahezu in ganz Deutschland im Bereich der Richter und Staatsanwälte hohe Altersabgänge haben. Im Kampf um die Besten müssen wir jedoch einen Tick besser als die anderen sein. Darum gilt es, die Jurastudierenden als auch die Referendare und Juristen hier im Land zu behalten", sagte die Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU) zum Start ihrer Kampagne zur Nachwuchsgewinnung. "Mecklenburg-Vorpommern ist das beliebteste Urlaubsland in Deutschland, das sich auch als guter Referendariatsstandort einen Namen machen möchte. In der Justiz unseres Landes werden voraussichtlich allein bis zum Jahr 2025 rund 25 Prozent, bis zum Jahr 2030 schätzungsweise 45 Prozent der derzeit aktiven Richter und Staatsanwälte das Pensionsalter erreichen", ergänzt ihr Pressesprecher Tilo Stolpe. Ähnliche Probleme hat zum Beispiel Thüringen.

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Großes Land mit wenig Einwohnern – und kleinen Arbeitsgemeinschaften

"Klein, aber fein" heißt es nun etwa auf der Titelseite einer Informationsbroschüre an Referendare. Ein Imagefilm, der insbesondere über die sozialen Netzwerke verbreitet wird, soll demnächst folgen. "Das Motto bezieht sich auf die Größe der Arbeitsgruppen. In Mecklenburg-Vorpommern können sich die AG-Leiter mehr um die Referendare bemühen als es Erfahrungsberichte aus anderen Ländern schildern. Das motiviert sowohl AG-Leiter als auch Referendare. Betont werden soll zugleich, dass auch bei wenigen Referendaren ein attraktives Ausbildungsangebot aufrechterhalten wird", erläutert Stolpe. Zunächst habe man anhand von Umfragen und Einzelgesprächen unter Referendaren ermittelt, wo man aktuell stehe. Dabei seien insbesondere die Höhe der Unterhaltsbeihilfe, die längeren Anfahrtswege in einem Flächenland sowie die Examensergebnisse angesprochen worden. Bei letzteren liegt das Bundesland im Vergleich weit hinten, was die Anzahl der Prädikatsexamina angeht.

Höhe der Unterhaltsbeihilfe soll "wettbewerbsfähig" werden

"Um für junge Juristen attraktiver zu werden, soll zum einen die Unterhaltsbeihilfe auf ein Niveau erhöht werden, das im Bundesvergleich 'wettbewerbsfähig' ist. Zum anderen wurde die Vorbereitungszeit auf die schriftliche Prüfung durch eine Verschiebung der Prüfung um einen Monat verlängert. Das inhaltliche Ausbildungsangebot soll durch Zusatzveranstaltungen ergänzt werden. Hier soll Raum entstehen, neben Themen, die nicht unmittelbar zum Pflichtstoffkatalog gehören, aber von praktischer Bedeutung sind, wie etwa Internetkriminalität und Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, auch aktuelle rechtspolitische Fragen anzusprechen. Zudem ist die Einführung einer Klausurenklinik für eine, wenn notwendig, besonders intensive fachliche Betreuung der Referendare angedacht", fasst Stolpe die Eckpunkte der Kampagne zusammen. Zusätzlich stelle man den Referendaren neben Juris auch Beck online kostenlos zur Verfügung. Auch wolle man den Klausurenkurs online ermöglichen.

Wenig Perspektive für international ausgerichtete Juristen

Bislang sei die Kampagne sehr gut angelaufen, berichtet Stolpe: "Von Seiten der Referendare kamen positive Reaktionen. Sehr begrüßt wurde, dass es jetzt Beck online gibt. Sowohl die Rechtsanwalts- als auch die Notarkammer haben Unterstützung für die Kampagne angekündigt. Wir verstehen das Konzept als Grundlage für weitere Überlegungen, in die noch weitere Beteiligte einbezogen werden." Rechtsreferendar Marvin Ziegert, Mitglied  im Vorstand des Vereins zur Förderung des juristischen Referendariats in Mecklenburg-Vorpommern e. V., meint, dass man mit der Kampagne "aus der Not eine Tugend" gemacht habe: "Der Umstand, dass es in Mecklenburg-Vorpommern verhältnismäßig wenige Referendare gibt, kann zu vielen Vorteilen führen. An diese wird durch die Kampagne versucht anzuknüpfen. Wir spüren den Wunsch, dass sich tatsächlich etwas bewegen soll. Das zeigt sich auch an dem Interesse an unserem Verein. Es wird sehr häufig der Dialog mit uns gesucht. Allerdings müssen auch wir zur Verbesserung beitragen, und zwar durch mehr als bloß konstruktive Kritik. So konnten wir bereits erreichen, dass die Rechtsanwaltskammer Mecklenburg-Vorpommern und der RostockerAnwaltVerein ihre Seminare zum Selbstkostenpreis für Referendare geöffnet haben." Auf die Frage, ob man denn selbst vorhabe, nach dem Referendariat zu bleiben, fällt das Echo aber geteilt aus. Sollte es der Arbeitsmarkt hergeben, würde Ziegert "sehr gerne" bleiben. Auch sein Vorstandskollege Paul Wilhelms findet: "Irgendwie würde es mich persönlich sehr stören, die Ausbildung und das Studium hier auf Kosten des Landes abzuschließen, um dann in ein – leider - besser bezahltes Bundesland 'auszuwandern'. Gerade deshalb hat dieses Bundesland ein so großes demografisches Problem." Dagegen scheint für das verbleibende Drittel des Vorstands die Kampagne bereits zu spät zu kommen, denn Mitglied Maja Mascher sagt: "Ich spreche mehrere Sprachen und habe ein internationales juristisches und kulturelles Interesse. Von daher sehe ich für mich in Mecklenburg-Vorpommern keine Berufsperspektiven."

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