Talar du svenska?
Nach dem Abitur unternahm Christina Griebeler eine Interrrail-Tour durch Nordeuropa. Schweden hatte es ihr besonders angetan, sodass sie später zunächst ein Erasmus-Jahr in Uppsala verbrachte und nach dem ersten Examen nach Schweden zurückkehrte, unter anderem, um schwedisches Recht zu studieren. Heute ist Dr. Christina Griebeler Partnerin der Wirtschaftskanzlei kallan, die sich – hervorgegangen aus der deutschen Niederlassung einer großen schwedischen Kanzlei – von Berlin und Frankfurt aus auf Mandanten aus den nordischen Ländern Europas fokussiert.
“Mir ist das Erlernen der schwedischen Sprache sehr leicht gefallen”, erinnert sich Griebeler, die neben der deutschen Zulassung als Rechtsanwältin auch eine Zulassung als “advokat” in Schweden hat und als Vorstandsmitglied in der schwedischen Anwaltskammer engagiert ist. "Für unsere Arbeit mit skandinavischen Mandanten ist es sehr hilfreich, wenn man die Sprachen der dortigen Länder beherrscht – auch wenn die Skandinavier in der Regel hervorragend Englisch sprechen."
Wirtschaft, Politik und Gesellschaft in anderen Ländern verfolgen
Alle Partner von kallan beherrschen Schwedisch, eine Rechtsanwältin im Team ist gebürtige Dänin. “Unser Stellenprofil schreibt nicht vor, dass Bewerberinnen oder Bewerber zwingend nordische Sprachen sprechen müssen”, betont Griebeler. “Aber es hilft, wenn E-Mails nicht erst übersetzt werden müssen oder man beim Smalltalk in der Landessprache mitreden kann.” Damit der Smalltalk auch inhaltlich funktioniert, wird in der Kanzlei vorausgesetzt, dass potenzielle Kollegen sich für das Geschehen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft in den nordischen Ländern interessieren und Presseberichte aus der Region verfolgen.
Wer in der Wirtschaftskanzlei eine nordische Sprache erlernen oder seine Kenntnisse verbessern will, bekommt Sprachunterricht. “Dabei werden auch kulturelle Besonderheiten aus den nordischen Ländern vermittelt”, erklärt Griebeler. Vieles lernen die Rechtsanwälte auch bei der täglichen Arbeit im Mandat. Etwa, dass es in Schweden ein einziges, zentrales Handelsregister gibt oder ein schwedischer “notarius publicus” mit einer deutschen Notarin wenig gemein hat.
“Mit den Rechtssystemen anderer Länder muss man sich nicht im Detail auskennen”
Richtungswechsel gen Osten: Die Wirtschaftskanzlei bnt aus Nürnberg hat insgesamt 13 Büros in mittel- und osteuropäischen Ländern, von denen aus deutsche Mandanten betreut werden. “Wir waren lange Zeit die einzige Kanzlei, bei der in jedem Land, in dem wir tätig sind, mindestens ein deutscher Rechtsanwalt auch im Land arbeitet”, erklärt Daniel Gößling, Partner in Nürnberg und Warschau. In der Schule hatte Gößling bereits etwas Russisch gelernt. Während seines Jura-Studiums an der Universität Passau verbrachte er ein Jahr in Krasnojarsk in Sibirien. “Ich empfand das als absolute Bereicherung. Englisch oder Französisch macht schließlich jeder”, sagt der Rechtsanwalt.
Seine Kollegen sprechen Bulgarisch, Tschechisch, Estisch, Lettisch, Litauisch, Ungarisch, Polnisch, Rumänisch und Slowakisch – auch wenn im Mandantenkontakt in vielen Fällen Englisch die lingua franca ist, die alle Parteien verstehen. “Gutes Englisch, Grundzüge einer zweiten Fremdsprache aus dem Osten sowie Verständnis für die Kultur unserer Zielländer sind für unsere Arbeit essenziell”, betont Gößling. “Mit den Rechtssystemen der mittel- und osteuropäischen Länder hingegen muss man sich nicht im Detail auskennen. Dafür haben wir unsere Kollegen vor Ort.”
Am liebsten sind Gößling Bewerber, die beide Welten kennen und schon einmal in einem der Länder gelebt haben – zum Beispiel junge Juristinnen, die im Studium am Erasmus-Programm teilgenommen haben, oder Menschen, die aus familiären Hintergründen zwei Sprachen sprechen. “Wenn die rechtlichen Begriffe im Wortschatz fehlen, kann man das zum Beispiel durch Fachbücher in der Landessprache, Praktika oder eine LL.M.-Weiterbildung in einem der Länder nachholen”, sagt der Rechtsanwalt. Wichtig sei vor allem Weltoffenheit, betont er.
“Die meisten wählen eine exotische Sprache aus Neugier”
Dass Gößling in Passau studiert hat, ist kein Zufall. Die dortige Universität hat seit vielen Jahrzehnten den Ruf, besonders international aufgestellt zu sein. Das spiegelt sich auch in einem breiten Angebot für die Fachspezifische Fremdsprachenausbildung für Juristen wider. Neben den weit verbreiteten Sprachen Englisch, Französisch und Spanisch hat die Universität Passau derzeit Italienisch, Polnisch, Chinesisch, Portugiesisch, Russisch und Tschechisch im Programm. “Die meisten wählen eine der exotischen Sprachen aus Neugier und aus Interesse an anderen Rechtssystemen”, weiß Ulrike Wassermann aus der Fachstudienberatung und dem Auslandsbüro der Juristischen Fakultät. “Andere haben konkrete Pläne, an einer unserer Partneruniversitäten zu studieren, und wollen sich sprachlich auf ihren Aufenthalt vorbereiten. Oder sie haben fest vor, später in einer internationalen Kanzlei zu arbeiten.”
Nicht selten entscheiden sich Studierende in der Fachspezifischen Fremdsprachenausbildung für zwei Sprachen – eine klassische und eine ausgefallene. “Viele merken aber bald, dass zwei Sprachen zu lernen neben dem regulären Jurastudium sehr aufwendig ist”, sagt Wassermann. Zwei bis vier Semesterwochenstunden müssen die Studierenden in Passau für die Fachspezifische Fremdsprachenausbildung aufbringen. Je nach Einstiegsniveau und Level, das erreicht werden soll, können sich die Veranstaltungen durch das gesamte Studium ziehen. Auch wenn das Sprachenlernen Mühe macht: Wassermann empfiehlt es auf jeden Fall. “Gerade exotische Sprachen sind eine wahre Bereicherung, nicht nur weil man sich mit den Menschen vor Ort unterhalten kann, sondern auch fremde Kulturen und Rechtssysteme kennenlernt.” Außerdem machen außergewöhnliche Sprachkenntnisse den Lebenslauf interessanter. “Und wer weiß, welche Nische man später im Beruf einmal damit füllen kann.”
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2024 M08 13
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