Die Weihnachtsfeier zählt nicht als Besprechung
LTO: Herr Professor Fuhlrott, die Regeln der Kontakteinschränkung zur Eindämmung der Corona-Pandemie sollen bis Anfang Januar gelten. Dürfen betriebliche Weihnachtsfeiern im kleinen Kreis in einem großen Konferenzraum stattfinden?
Prof. Dr. Michael Fuhlrott: Die Zulässigkeit betrieblicher Weihnachtsfeiern richtet sich nach den jeweiligen Landesverordnungen, in denen weitgehend ähnliches geregelt ist. Danach sollen auch in Betrieben Treffen auf das Notwendigste beschränkt und die Abstandsregel eingehalten werden. Wo letzteres nicht möglich ist, sind Masken zu tragen. Betriebliche Weihnachtsfeiern sind oft nett, zählen aber sicher nicht zu den notwendigen Veranstaltungen.
Ähnliches ergibt sich zudem aus dem Arbeitsschutzstandard, der für die Corona-Pandemie extra angepasst wurde und Homeoffice als Mittel der Wahl vorschreibt und noch einmal die Aufforderung enthält, persönliche Treffen auf ein absolutes Minimum zu beschränken. Nur wenn es absolut notwendig ist, sollen Beschäftigte ins Büro. Weihnachtsfeierei fällt schlicht nicht darunter, die muss in diesem Jahr also ausfallen.
Einiges in den Pandemie-Verordnungen klingt eher nach Bitten und Aufforderungen und nicht nach klaren Verboten. Sind die Zusammenkünfte etwa zur Weihnachtsfeier ausdrücklich untersagt?
Das findet sich in Ziff. 4.2.5 der Sars-Cov-2-Arbeitsschutzregel, da geht es um Besprechungen. Danach sind Zusammenkünfte von Beschäftigen auf das zur Erledigung der Arbeitsaufgabe Notwendige zu begrenzen. Persönliche Treffen sollen möglichst durch digitale Konferenzen ersetzt werden.
Wenn die Beschäftigten also schon für dienstliche Themen nur zusammenkommen sollen, wenn es notwendig ist, dann muss das erst recht für Feierlichkeiten gelten. Eine Weihnachtsfeier mit persönlicher Zusammenkunft wäre danach ein Verstoß gegen die Arbeitsschutzregel.
Man könnte darüber hinaus diskutieren, ob eine Weihnachtsfeier überhaupt eine betriebliche Veranstaltung ist und unter die Arbeitsschutzregeln fällt. Sieht man sie als privates Treffen an, wären sogar die jeweiligen Landesverordnungen anwendbar. Danach sind seit dem 1. Dezember im öffentlichen Raum nur Zusammenkünfte von zwei Haushalten und maximal fünf Personen erlaubt – Bayern etwa hat angekündigt, diese Regel auch in Privathaushalten kontrollieren zu wollen.
“Niemand muss digital feiern"
In sozialen Medien haben – auch Juristen – durchaus diskutiert, Weihnachtsfeiern in großen Konferenzsälen abhalten zu wollen. Wie beurteilen Sie das?
Einige Länder wie etwa Hamburg haben für Organe der Rechtspflege Ausnahmen von den Corona-Regeln formuliert. Danach gilt das Verbot der Zusammenkünfte nicht für Besprechungen mit oder zwischen Anwälten.
Damit hat der Verordnungsgeber aber sicher nicht gemeint, dass die Anwälte eine Weihnachtsfeier abhalten. Ich meine, dass das nach den geltenden Vorschriften sogar verboten wäre. Natürlich könnten Juristen eine Besprechung in einem weihnachtlichen Rahmen abhalten, das wäre schwierig zu verbieten. Ich halte es angesichts der derzeitigen Lage und insbesondere auch der Verantwortung für Mitarbeiter aber für sehr fragwürdig, so etwas zu veranstalten.
Einige Kanzleien und Unternehmen haben statt der Weihnachtsfeier als Präsenzveranstaltung zur digitalen Feier eingeladen. Besteht eine Pflicht, daran teilzunehmen?
Die Frage stellt sich unabhängig von den Corona-Regelungen: Eine Weihnachtsfeier ist in aller Regel eine außerbetriebliche, gesellige Veranstaltung, die primär dem betrieblichen Netzwerken dient. Sie ist aber keine Erfüllung der Arbeitsaufgabe. Damit besteht für Beschäftigte auch keine Pflicht, daran teilzunehmen. Findet die Feier während der Arbeitszeit statt, müssen diese Mitarbeiter stattdessen ihrer regulären Arbeit nachgehen. Liegt sie außerhalb der Arbeitszeit, muss sie die Feier gar nicht interessieren.
Alternative Wertschätzung: die Corona-Prämie
Eine Weihnachtsfeier kostet die Unternehmen oft eine Stange Geld. Wie können die Arbeitgeber ihren Beschäftigten alternativ ihre Wertschätzung für die im Jahr geleistete Arbeit ausdrücken?
Als Arbeitgeber kann ich den Mitarbeitern so viel Geld zukommen lassen, wie ich möchte. Der Arbeitnehmer dürfte dies sicherlich auch begrüßen. Die eigentliche Frage ist aber, wie das steuer- oder abgaberechtlich möglichst günstig geht. Auf Bonuszahlungen oder das Weihnachtsgeld fallen entsprechende Sozialversicherungsabgaben an.
In diesem Jahr dürfen Arbeitgeber allerdings eine Sonderprämie in Höhe von bis zu 1.500 Euro bezahlen, die komplett von Abgaben befreit ist. Diese Corona-Sonderprämie ist gesondert zu zahlen und darf nicht reguläre Gehaltsbestandteile ersetzen. Dies gilt auch für das Weihnachtsgeld, wenn dieses als betriebliche Übung gezahlt wird oder vertraglich darauf ein Anspruch besteht. In diesem Fall würde eine Ersetzung des Weihnachtsgelds durch eine Corona-Prämie dazu führen, dass dem Fiskus Sozialabgaben verloren gingen. Das mögen Fiskus und Sozialversicherungsträger oftmals nicht und sollten Unternehmen tunlichst auseinanderhalten. Der Jurist spricht dann unter Umständen auch vom Vorenthalten von Sozialversicherungsabgaben gem. § 266a Strafgesetzbuch und wir landen im Strafrecht.
Gibt es in diesem Jahr Sonderregelungen für die Geschenke an und von Kunden und Mandanten?
Zur Annahme von Geschenken von Kunden haben die Unternehmen in aller Regel eigene Vorgaben, weil es ein Compliance-Thema ist. Denn es steht häufig der Grund im Raum, warum es das Geschenk gibt. Es hat immer den Beigeschmack, dass für die Annahme von Geschenken eine Gegenleistung erwartet werden könnte – und nur der Anschein reicht schon, um es besser zu lassen.
Wollen sich die Unternehmen bei einem Kunden oder einem Mitarbeiter dort mit einer Flasche Wein o.ä. bedanken, sollte man sich vorab erkundigen, ob das von Seiten des Unternehmens erlaubt ist oder ob es eine Compliance-Regelung dazu gibt.
Im öffentlichen Dienst ist die Annahme von Geschenken übrigens vollständig verboten. Von all diesen Grundsätzen gibt es auch unter Corona-Bedingungen keine Ausnahmen.
"Keine einseitige Betriebsschließung"
Bund und Länder haben Unternehmen gebeten, ihre Betriebe in der Zeit vom 23. Dezember bis zum 1. Januar zu schließen - entweder durch Betriebsferien oder Homeoffice-Lösungen. Wie einfach wäre eine Schießung für die Unternehmen? Und müssen die Mitarbeitenden sie hinnehmen?
Unternehmen können natürlich Betriebsferien festlegen. Wenn sie aber wollen, dass die Mitarbeiter dafür zumindest einen Teil ihres Urlaubs einsetzen, müssen sie die Schließung schon Monate im Voraus ankündigen – ganz kurzfristig geht das nicht. Wenn das Unternehmen einen Betriebsrat hat, ist das zudem eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
Schließen können Unternehmen ihre Betriebe trotzdem, allerdings müssen sie dann die Mitarbeiter bezahlt freistellen, der Entgeltanspruch bleibt also bestehen. Auch ihre Urlaubstage müssen die Beschäftigten nur einsetzen, wenn die Schließung frühzeitig geplant war. Dann sagt die Rechtsprechung sogar, dass bis zur Hälfte des gesetzlichen Urlaubsanspruchs durch Betriebsferien erledigt werden kann.
Wenn Weihnachten und Silvester vorbei sind und die Menschen wieder zur Arbeit gehen wollen: Darf der Arbeitgeber zur Einschätzung einer Ansteckungsgefahr für Kollegen nachfragen, wie die Beschäftigten Weihnachten und Silvester gefeiert haben bzw. ob und wo die Arbeitnehmer:innen im Urlaub waren?
Als Arbeitgeber darf ich meine Mitarbeiter nur fragen, ob sie in einem Risikogebiet Urlaub gemacht haben, das war bisher ganz einhellige Meinung. In Hinblick darauf, dass inzwischen auch zumindest Teile Deutschlands von anderen Ländern als Risikogebiet eingestuft werden, ist diese Einschätzung allerdings schon fragwürdig. Wo genau der Mitarbeiter im Urlaub war, darf nicht gefragt werden.
Auch wie Weihnachten gefeiert wurde, darf der Arbeitgeber nicht fragen, das ist eine rein private Angelegenheit, da können die Mitarbeiter tun, was sie möchten. Selbst wenn sich herausstellt, dass sie gegen die Corona-Regeln verstoßen haben, kann das keine arbeitsrechtlichen Folgen haben. Außerdienstliches Verhalten berechtigt den Arbeitgeber nur dann zu Konsequenzen, wenn es auf das Arbeitsverhältnis negativ durchschlägt.
Haben Arbeitgeber aber konkrete Anhaltspunkte dafür, dass bei Beschäftigten ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht, dann könnte dies ja Folgen für die Belegschaft haben. Daher dürfte in diesem Fall die Frage, ob die Vorschriften zur Risikominimierung eingehalten worden sind, zulässig sein. Sehr klar ist das bei Beschäftigten in der Alten- oder Krankenpflege: Diese Mitarbeiter könnten sogar nach Hause geschickt werden. Haben sie sich sogar bewusst einer Infektionsgefahr ausgesetzt, würde meiner Ansicht nach sogar der Entgeltanspruch für die Zeit der Freistellung entfallen.
"Kein Zwang zum Corona-Test"
Kann ein Arbeitgeber von den Mitarbeitern vor der Rückkehr zur Arbeit einen Corona-Test verlangen?
Arbeitgeber können Corona-Tests anbieten, verpflichten zur Durchführung können sie ihre Mitarbeiter aber nicht. Ein solcher Test kann aber natürlich einen Anreiz bieten, denn unter Umständen könnten die Beschäftigten eine Quarantänezeit abkürzen, wenn sie einen negativen Test vorlegen. Da bei erheblichem Selbstverschulden durch Verstoß gegen die Kontaktregeln sogar die Lohnfortzahlung und auch die Entschädigung über das Infektionsschutzgesetz ausgeschlossen sein könnten, kann das durchaus ein Anreiz für die Mitarbeiter sein, die ja sonst womöglich kein Gehalt bekämen.
Viele Arbeitnehmer wollten nach den Weihnachtstagen und über Silvester in den Urlaub fahren. Können sie die beantragten Urlaubstage zurückgeben und für später aufheben?
Ist der Urlaub einmal beantragt und genehmigt, so können die Beschäftigten ihn nicht mehr einseitig zurückgeben. Das wäre nur in Abstimmung und mit Einverständnis des Arbeitgebers möglich. Damit die Urlaubsansprüche aber auch erledigt werden, dürften viele Unternehmen dabei bleiben, dass die Mitarbeiter ihren Urlaub nehmen – wenn auch in diesem Jahr zuhause.
Der Gesprächspartner Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei FHM Rechtsanwälte sowie Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg.
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