Virtuelle Sekretariate

Nur Kaffee kochen sie nicht!

Nina Anika KlotzLesedauer: 5 Minuten
Virtuelle Sekretärinnen halten Anwälten und Notaren den Rücken frei – per Telefon, SMS und E-Mail. Sie verschicken Post und melden sich zum Diktat. Und wer seiner Kanzlei einen exklusiven Anstrich verleihen möchte, für den gibt es eine Geschäftsadresse in prominenter Lage noch dazu.

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Preisfrage: Was haben große Chefs und der liebe Gott gemeinsam? Sie beide haben jemanden, der zwischen ihnen und dem einfachen Fußvolk steht. Beim lieben Gott ist das der Papst, der quasi im Vorzimmer des Allmächtigen sitzt. Und bei großen Chefs ist das die Sekretärin. Genau die kann jetzt jeder haben – zumindest in einer virtuellen Welt und am Telefon. Büroserviceagenturen wie Bueroservice24.de oder Anwaltssekretariat.de bieten den Service einer Vorzimmerdame, die Telefongespräche entgegennimmt, Gesprächnotizen verfasst, Rückrufwünsche empfängt oder gegebenenfalls mit einem freundlichen „Augenblick, bitte, ich stelle Sie durch“ weiter verbindet. "Ein Anwalt verdient immer dann Geld, wenn er in einer Mandantensitzung ist, Verträge ausarbeitet oder einen Gerichtstermin wahrnimmt", erklärt Daniel Dimpker, Gründer und Geschäftsführer von Bueroservice24.de aus Hamburg. All dies sind Situationen, in denen er nicht selbst ans Telefon gehen kann. "Mit unserem Telefonservice für Rechtsanwälte, also der Entgegennahme von eingehenden Telefonaten, halten wir ihm stets den Rücken frei. So kann der Anwalt sein Tagesgeschäft in Ruhe erledigen und sogar noch mehr Termine wahrnehmen." "Unser Telefonsekretariat eignet sich sowohl für kleine Kanzleien und niedergelassene Anwälte als auch für große Kanzleien mit vielen Anwälten verteilt an mehreren Standorten", so Dimpker weiter. Dabei ist es ganz egal, ob eine echte Assistentin aus Fleisch und Blut bereits in der Kanzlei sitzt oder nicht. Und selbst wenn: Auch die hat mal Urlaub, macht Mittagspause oder spricht bereits – und immer dann können Anrufe an die Telefonzentrale des Büroservices weitergeleitet werden. Dort meldet sich eine freundliche Fachsekretärin mit dem Namen der Kanzlei und der Frage, was sie für den Anrufer denn bitteschön tun könne.

Miss Moneypenny nach dem Baukasten-Prinzip

Das ganz funktioniert so: Beim Bürodienst-Anbieter ist ein Profil der Rechtsanwaltskanzlei oder des Notariats hinterlegt. Dies sieht die externe Sekretärin vor sich, sobald ein aus der Kanzlei umgeleiteter Anruf bei ihr eingeht. Welche Anrufe bei ihr landen, bestimmt der Auftraggeber: alle (super-chefig!), alle ab dem dritten Klingeln (sollte der eigentliche Adressat des Anrufs nicht am Platz sein), alle, wenn belegt ist, oder alle während eines bestimmten Zeitraums, etwa der Mittagspause. Im Kanzlei-Profil hat der Auftraggeber auf das Wort genau festgelegt, wie sich die externe Sekretärin melden soll. Außerdem bestimmt er, wie mit den Anrufern verfahren werden soll. Ist er außer Haus oder in einem Meeting, so richtet die Sekretärin dies dem Anrufer aus, nimmt seine Nummer auf und schickt via E-Mail und/oder SMS eine Gesprächsnotiz mit dem Namen, dem Anrufanlass und einer Rückrufbitte. Soll sie den Anruf durchstellen oder auf ein Handy umleiten, tut sie auch dies. Die outgesourcte Sekretärin macht also alles so, wie eine echte Miss Moneypenny es machen würde – nur Kaffee kocht sie nicht. Zurück zum Stichwort "Anrufanlass": Kann ein Anwalt seine Anrufer, deren Gesprächsanlässe in der Regel vertraulicher Natur sind, einfach an eine Telefonsekretärin weiterleiten, die er selbst noch nie in seinem Leben gesehen hat, die möglicherweise viele hundert Kilometer weit weg in einer Telefonzentrale in Hamburg sitzt? Er kann, beteuert Daniel Dimpker. "Wir arbeiten von einem Standort aus bundesweit und ausschließlich mit festangestellten Fachsekretärinnen. Hier sitzen keine studentischen Aushilfen und Hausfrauen im Home-Office. Auf Grund ihres Arbeitsvertrages ist jede unserer Mitarbeiterinnen zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet." Und wie finden das die Mandanten, wenn sie statt bei dem Anwalt ihres Vertrauens in einer Telefonzentrale landen? "In der Regel merkt der Anrufer nicht, wo sein Gespräch entgegen genommen wird", so Dimpker. "Es gibt keinerlei Qualitätseinbußen, weder in der Gesprächsführung noch in der technischen Sprachqualität. Durch regelmäßige Schulungen unserer Fachsekretärinnen stellen wir ein einheitlich hohes Qualitätsniveau sicher." Nur wer die Kanzlei kennt und sich über die freundliche Frauenstimme am Telefon wundert, weil er dort noch nie eine Frau gesehen hat, dem verraten die virtuellen Sekretärinnen vielleicht, dass sie ein externer Dienstleister sind. Aber erst beim zweiten Nachfragen.

E-Fräulein, bitte zum Diktat

Eine virtuelle Sekretärin hat natürlich ihren Preis. Die meisten Anbieter haben unterschiedliche Pakete im Angebot. Sie alle setzen sich zusammen aus einem Grundpreis ab ca. 39,90 Euro im Monat und variablen Entgelten für die Anrufentgegennahme (diese schwanken je nach Paketgröße zwischen 35 und 75 Cent) und für die Gesprächsdauer (ein ebenfalls variabler Minutenpreis zwischen 30 und 75 Cent pro Minute). Wer die Dienste drei Stunden monatlich in Anspruch nehmen will, kann im Einsteigertarif mit Kosten von rund 200 Euro rechnen. Manche Anbieter virtueller Sekretariate übernehmen auch Schreib- und Verwaltungsaufgaben für ihre Kunden. Bei "Anwaltssekretariat", einem Service der Berliner Fima ebuero AG füllen geschulte Rechtsanwaltsfachangestellte zum Beispiel Mandantenbögen aus oder stellen Bonitätsabfragen – natürlich gegen Aufpreis. Das RA-Fachsekretariat kostet 19,95 Euro zusätzlich zur monatlichen Grundgebühr, die Gesprächsminute kostet 25 Cent extra. Darüber hinaus kann der ebuero-Kunde seine Sekretärin auch zum Diktat bitten: Sie erledigt Schreibarbeiten, wenn man ihr entweder Tondateien von einem digitalen Diktiergerät per E-Mail schickt oder ihr direkt am Telefon diktiert. Niemand muss ein ganzes virtuelles Sekretariat oder einen Telefondienstanbieter buchen, wenn er ab und an ein Diktat abgetippt bekommen möchte: "Netsek - Das Internetnetsekretariat" zum Beispiel garantiert, alle Tondateien innerhalb von 24 Stunden zu transkribieren. Allgemeine Texte werden für 19,50 Euro pro Sekretärinnen-Stunde getippt, juristische Fachtexte für 22,50 Euro. Vertrags- und Grundgebühren fallen keine an.

Pontemkinsche Dörfer auf der Friedrichstraße?

Manche Anbieter wie etwa "Anwaltssekretariat" oder "Regus" bieten auch Post- und Paketservices: Die externen Sekretärinnen verschicken Infobriefe und Mailings an einen großen Empfängerkreis – auf Kanzlei-Briefpapier, versteht sich. Wer meint, seine Mandanten mit einer exklusiven Anschrift wie der Friedrichstraße in Berlin oder der Düsseldorfer Kö beeindrucken zu müssen - unter solchen Adressen nehmen einige Sekretariate Post für den Kunden entgegen. Nicht nur das: Für Treffen mit den Mandanten kann man dort Konferenz- und Büroräume anmieten. Auf Wunsch hängt dann sogar das Firmenschild unten am Eingang, auch wenn man eigentlich in einem kleinen Home-Office in Eberswalde arbeitet. Die virtuellen Sekretärinnen sind hier ganz echt Menschen und – Heureka! – sie kochen sogar Kaffee! Da können Sie sich dann wirklich mal fühlen, wie der liebe Gott oder zumindest ein richtig großer Chef.

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