Themenwoche Fachanwalt & Fortbildung

Wege zum Fachanwalt

von Johanna Strohm, LL.M. Lesedauer: 6 Minuten
Wer Fachanwalt werden will, muss vertiefte Kenntnisse in seinem Rechtsgebiet erwerben, eine bestimmte Anzahl praktischer Fälle bearbeiten und beides unter Umständen in einem Fachgespräch nachweisen. Das ist ein langer und oft nicht einfacher Weg. Wir haben mit Anwälten gesprochen, die ihn gegangen sind oder gerade gehen, und einige Tipps zum Umschiffen der größten Hindernisse zusammengestellt.

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Der Fachanwaltstitel wird nach Maßgabe der Fachanwaltsordnung (FAO) verliehen. Der theoretische Teil der Ausbildung besteht in der Teilnahme an einem Fachanwaltslehrgang, der neben der normalen anwaltlichen Tätigkeit absolviert wird. Die Gesamtdauer des Lehrgangs muss mindestens 120 Zeitstunden, in einigen Rechtsgebieten noch mehr betragen, und er wird durch das Bestehen von mindestens drei schriftlichen Aufsichtsarbeiten abgeschlossen. Die FAO schreibt genau vor, welche Kenntnisse in den jeweiligen Rechtsgebieten erforderlich und nachzuweisen sind. Alternativ lassen sich die geforderten besonderen fachlichen Qualifikationen auch durch spezifische Seminar- und Lehrtätigkeit, eine anderweitige Berufsqualifikation (zum Beispiel bei einem Fachanwalt für Steuerrecht die Qualifikation als Steuerberater) oder Publikationen aus dem Fachgebiet nachweisen. Die große Mehrheit der Fachanwaltslehrgänge wird als Präsenzveranstaltung über mehrere Monate, verteilt auf fünf bis acht Bausteine, angeboten. Dabei dauern die einzelnen Bausteine üblicherweise je drei Tage und laufen von Donnerstag bis Samstag. Die Unterstützung der Arbeitgeber für das Absolvieren des theoretischen Teils besteht meist darin, die Bewerber für die Präsenztage freizustellen und die Kosten des Lehrgangs zu übernehmen.

  • Tipp:

    Absolventen von Fachanwaltslehrgängen berichten, dass die größte Herausforderung die Integration des Lehrgangs in den beruflichen Alltag sei. Die fehlende Arbeitszeit gilt es vor- und nachzuarbeiten, den Prüfungsstoff zu lernen. Eine Möglichkeit, die Belastungen für den beruflichen Alltag zu reduzieren, bieten Fernstudien oder Kombinationen aus einem Fernkurs und Präsenzunterricht.

  • Tipp:

    Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Sebastian Pelzer empfiehlt, den Fachanwaltslehrgang zu Beginn der Anwaltstätigkeit zu absolvieren. Zu diesem Zeitpunkt sind die längeren Abwesenheitszeiten von der Kanzlei noch besser zu kompensieren, und man profitiert mehr von den vermittelten theoretischen Kenntnissen. Bei einer frühzeitigen Spezialisierung ist auch eine Durchführung bereits im Referendariat möglich.

  • Tipp:

    Die meisten Kursanbieter geben den Teilnehmern die Möglichkeit, die einzelnen Kurselemente unter bestimmten Voraussetzungen aufzuteilen. So berichtet etwa Rechtsanwältin Ulrike Müller, dass sie ihren Fachanwaltslehrgang im Bank- und Kapitalmarktrecht wegen ihrer Schwangerschaft nach der Hälfte unterbrechen, und den zweiten Teil in ihrer Elternzeit nachholen konnte.

Die Praxis – fleißig Fälle sammeln

Als Nachweis seiner besonderen praktischen Erfahrungen muss der Antragsteller innerhalb der letzten drei Jahre vor Antragstellung eine bestimmte Anzahl von Fällen als Rechtsanwalt persönlich und weisungsfrei bearbeitet haben. Zum Nachweis ist eine Fallliste zu führen, die jeweils das kanzleieigene und das gerichtliche Aktenzeichen beinhalten muss. Der Anwärter muss ferner den Gegenstand und Umfang des Falls in Stichworten beschreiben sowie den Zeitraum der Tätigkeit und den aktuellen Stand des Verfahrens nennen. Schwierigkeiten beim Sammeln der Fälle ergeben sich zum einen daraus, dass die Bewerber innerhalb von drei Jahren eine ausreichende Zahl von Fällen aus ihrem Rechtsgebiet bearbeitet haben müssen. Die erforderliche Zahl schwankt je nach angestrebtem Fachanwaltstitel zwischen 50 (im Steuerrecht und Informationstechnologierecht) und 160 (im Verkehrsrecht). Zum anderen müssen sich diese gesammelten Fälle auch entsprechend der Fallquoten im richtigen Verhältnis auf bestimmte Teilaspekte des Fachgebiets verteilen.
  • Tipp:

    Es empfiehlt sich, die entsprechenden Angaben in der FAO (vgl. § 5 Abs. 1 a ff.) früh und genau zu studieren, um zu erkennen, welcher Fall welchem Teilrechtsgebiet zugeordnet werden, und ob ein Fall möglicherweise nach § 5 Abs. 4 FAO mit einem höheren Faktor als 1,0 gewertet werden kann.

  • Tipp:

    Besonders Fachanwaltsanwärtern in Teilzeit und in kleineren Kanzleien fällt es oft schwer, die notwendige Anzahl und Auswahl von Fällen zusammenzustellen. Lösungsmöglichkeiten können Netzwerke, der Zusammenschluss mit anderen jungen Kollegen oder die Übernahme von entsprechenden Mandaten in freier Mitarbeit sein.

  • Tipp:

    Rechtsanwältin Jasmin Zahran rät, bei der Bearbeitung von Fällen die für die Fallliste notwendigen Angaben direkt separat zu sichern und entsprechend zusammenzustellen. Außerdem bieten Rechtsanwaltskammern Musterlisten zu den einzelnen Fachgebieten an, die einen Überblick über die nötigen Angaben verschaffen und so als Hilfestellung für die Erstellung der Falllisten dienen können.

Arbeitsproben und Fachgespräch

Nach dem Einreichen der vollständigen Zeugnisse, Bescheinigungen und Falllisten wartet der Fachanwaltsbewerber auf das Ergebnis einer ersten Prüfung seiner Unterlagen. Der Vorprüfungsausschuss des jeweiligen Fachgebiets kann die Vorlage von Arbeitsproben verlangen, um das Vorhandensein der erforderlichen praktischen Erfahrungen näher zu untersuchen. Nach einer Befragung des Soldan-Instituts für Anwaltmanagement aus dem Jahre 2010 mussten nur 24 Prozent der befragten Fachanwälte tatsächlich Arbeitsproben vorlegen. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den Kammerbezirken. Während zum Beispiel in den Kammern Köln und Düsseldorf in mehr als der Hälfte der Fälle Arbeitsproben angefragt wurden, liegt der Anteil in München, Braunschweig, Frankfurt und Hamburg deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt. Auch zwischen den einzelnen Fachanwaltschaften zeigten sich deutliche Differenzen, wobei der Tendenz nach in den kleineren und fachlich enger zugeschnittenen Gebieten wie Bau- und Architektenrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht, IT-Recht sowie Urheber- und Medienrecht seltener Arbeitsproben verlangt wurden. Zusätzlich oder alternativ kann der Ausschuss den Antragsteller auch noch zu einem Fachgespräch laden. Davon ist seit einer Änderung des § 7 FAO im Jahre 2003 nur abzusehen, wenn der Ausschuss nach dem Gesamteindruck der vorgelegten Zeugnisse und schriftliche Unterlagen eine Entscheidung auch ohne Fachgespräch treffen zu können meint. Nach der Umfrage des Soldan-Instituts mussten sich jedoch seither sogar noch weniger, nämlich nur sechs Prozent der befragten Fachanwälte, einem Fachgespräch unterziehen. Auch hier gehen die Kammern im Einzelnen sehr unterschiedlich vor, ohne Zusammenhang zu ihrer Gebietsgröße oder Mitgliederzahl.
  • Tipp:

    Es empfiehlt sich, die einzureichenden Unterlagen genau zu prüfen und nur Fälle anzugeben, die den entsprechenden Teilgebieten angehören und tatsächlich persönlich und weisungsfrei bearbeitet wurden. Wenn die Mitglieder des Vorprüfungsausschusses bei der Prüfung der Unterlagen den Verdacht entwickeln, dass die Angaben nicht durchgehend korrekt gemacht wurden, werden sie entsprechende Arbeitsproben anfordern und / oder ein Fachgespräch ansetzen. Eine Bestätigung des Verdachtes bedeutet eine Ablehnung des Antrages auf die Fachanwaltschaft.

    Wenn man bei dem einen oder anderen Fall nicht sicher ist, ob er den Kriterien genügt, sollte man diesen entweder Außen vor lassen, oder insgesamt mehr Fälle als zwingend erforderlich angeben. So besteht ein gewisser Puffer, wenn der Ausschuss den einen oder anderen Fall nicht anerkennen sollte.

Der Titel ist da  - die Fortbildung läuft weiter

Für die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung muss der Antragsteller seit mindestens drei Jahren als Anwalt zugelassen und in den sechs Jahren vor seiner Antragstellung zumindest zeitweise auch anwaltlich tätig gewesen sein. Der zum Teil lange Zeitraum zwischen der Stellung des Antrags und der Entscheidung der Rechtsanwaltskammer ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Verfahren. Seit einer Entscheidung aus dem Jahre 2003 (Anwaltsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschl. v. 05.04.2003, Az. AGH 46/2002) ist klar, dass die Rechtsanwaltskammer grundsätzlich drei Monate Zeit für die Bearbeitung hat; nach Ablauf dieser Frist ist eine Klage vor dem Verwaltungsgericht zulässig. Sind alle Anforderungen erfüllt, erhält der Antragsteller eine schriftliche Mitteilung über den Erhalt des Fachanwaltstitels. Wer den Titel erworben hat, für den besteht ab diesem Zeitpunkt die Pflicht, sich im Umfang von zehn Stunden pro Jahr fortzubilden. Die Nachweise darüber sind der Rechtsanwaltskammer unaufgefordert vorzulegen.
  • Tipp:

    Rechtsanwalt Josef Limper, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und Mitglied im Vorprüfungsausschuss für Urheber- und Medienrecht bei der Rechtsanwaltskammer Köln, empfiehlt eine frühe und sorgfältige Planung der jährlichen Fortbildung, um sich so über entlegenere Teilgebiete, oder neuere Entwicklungen im eigenen Fachgebiet, am besten informieren zu können.

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