Syndici – Wiederbelebte Risiken der Berufshaftpflicht

Keine Rosinentheorie für Justitiare

von Dr. Alexander WeinbeerLesedauer: 4 Minuten
Nach den Urteilen des BSG und der Vorlage eines Eckpunktepapiers aus dem Justizministerium sind die Verhandlungen über die rechtliche Zukunft von Unternehmensjuristen in vollem Gange. Insbesondere der BUJ drängt auf eine möglichst vollständige Gleichstellung mit Anwälten. Damit könnte er den Syndici jedoch einen Bärendienst erweisen, meint Alexander Weinbeer.

Initialzünder für die Debatte um die Rechtstellung der Syndici waren mehrere Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) aus 2014. Darin entschied das Gericht, dass Unternehmensjuristen – im Gegensatz zu Anwälten – nicht von der Rentenversicherungspflicht befreit werden und in das anwaltliche Versorgungswerk einzahlen können. Diese finanziell schmerzlichen Entscheidungen führten zu lautstarkem und letztlich wohl erfolgreichem Protest auf Seiten der Unternehmensjuristen. Inzwischen hat Justizminister Heiko Maas ein Eckpunktepapier vorgelegt, welches unter anderem eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung vorsieht. Allerdings sollen die Syndici nicht in den Genuss der (strafprozessrechtlichen) Anwaltsprivilegien wie Beschlagnahmeverbote oder Zeugnisverweigerungsrechte kommen, auch soll das für sie geltende Vertretungsverbot in Gerichtsverfahren mit Anwaltszwang weitestgehend beibehalten werden. Diese Neuregelung empfinden manche als zu zaghaft. Insbesondere der Bundesverband der Unternehmensjuristen (BJU) will seinen Mitgliedern möglichst weitgehende Privilegien sichern. Man wolle "kein neues Berufsbild des Unternehmensjuristen", vielmehr sollten die gleichen Regeln gelten wie für Anwälte, die unabhängig Rechtsrat erteilen. Auf den ersten Blick hat dieser Wunsch manches für sich: Trotz ihrer Anstellung geben Unternehmensjuristen an, in ihrer Entscheidungsfindung unabhängig zu sein und sich als weisungsfrei agierende Anwälte zu empfinden. Den Vorwurf, die Mandanteninteressen zu sehr zu den eigenen zu machen, wies BUJ-Präsidentin Elisabeth Roegele unlängst auf einer Tagung in Berlin weit von sich: "Wir verschieben keine schwarzen Akten im Unternehmen - denn einmal ganz abgesehen von strafrechtlichen Regeln, verbietet uns das auch das Berufsrecht". Im Eifer der Diskussion wird jedoch anscheinend vergessen, dass Gleichbehandlung nicht nur Gleichbehandlung im Guten bedeutet. Wer die Privilegien des Anwaltsberufs haben will, der muss auch dessen Nachteile in Kauf nehmen – und damit besonders die Haftungsrisiken.

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BGH-Urteil aus 1969 mit ungebrochener Aktualität

Zu diesen hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) bereits 1969 geäußert. In seinem damaligen Urteil versagte er einem Syndikus die Berufung auf die Haftungsprivilegien, die für 'normale' Arbeitnehmer gelten, weil "dem schon die personale Stellung eines derartigen Dienstverpflichteten entgegen [steht], der seine Dienste in eigener Verantwortung leistet und im wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann" (BGH, Urt. v. 07.10.1969, Az. VI ZR 223/67). Weiter führte der BGH aus, dass die Arbeit des Syndikus als "Dienstleistung höherer Art" zu beurteilen sei; sie erfülle hingegen nicht die Kriterien einer "gefahrengeneigten" Tätigkeit. Die Entscheidung ist insofern nicht ganz zeitgemäß, als das Bundesarbeitsgericht das Kriterium der "Gefahrengeneigtheit" in seiner Rechtsprechung inzwischen aufgegeben hat, sodass deren Vorhandensein oder Fehlen für die Haftung eines Syndikus heute keine Rolle mehr spielt. Die übrigen Ausführungen des BGH, insbesondere zur Art und Ausgestaltung der Arbeit von Syndici, sind jedoch von ungebrochener Aktualität, wenn das Gericht etwa formuliert: "Durch die Anstellung eines Justitiars will der Betriebsinhaber gerade das Risiko ausschalten oder doch mindern, das seinen geschäftlichen Unternehmungen in rechtlicher Beziehung anhaften kann. Er überläßt ihm die Art und Weise, wie er seinen Aufgaben nachkommt zu eigener Verantwortung und nimmt insoweit keinerlei Weisungsrecht in Anspruch." Diese Vorstellung vom Berufsbild eines Justiziars hat der BGH auch in späteren Entscheidungen aufrechterhalten; sie findet ihre Entsprechung zudem im Eckpunktepapier des Justizministeriums. Dann aber liegt es nahe, dass Arbeitgeber ihre Syndici für etwaige Fehler haftbar machen könnten, wie dies auch bei fehlerhafter Beratung durch einen externen Anwalt üblich ist.

Versicherungsschutz für Syndici oft nicht gegeben

Eine gewisse Kritik an den Entscheidungen des BSG ist sicher nachvollziehbar und auch in der Sache treffend: Das Gericht hatte einseitig zugunsten der Rentenversicherungskasse geurteilt und dabei in Kauf genommen, dass "bei einem strikt Wortlaut getreuen Normverständnis die tatbestandlichen Befreiungsvoraussetzungen bei Rechtsanwälten zumindest grundsätzlich nicht erfüllt werden". Damit wäre das Recht zur Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung nicht nur für Syndici, sondern auch für (angestellte) Rechtsanwälte praktisch abgeschafft worden. Dann aber können Betroffene mit guten Gründen die Frage stellen, weshalb sie rentenversicherungsrechtlich mit 'normalen' Angestellten gleichgesetzt werden, haftungsrechtlich aber mit den freien, nur dem eigenen Gewissen unterworfenen Anwälten. Deshalb ist auch der Verweis des BSG auf eine frühere BGH-Entscheidung wenig überzeugend, in der es hieß, "daß das Arbeitsverhältnis von dem Prinzip der Über- und Unterordnung beherrscht wird […und], daß der Syndikusanwalt zwei Arbeitsbereiche hat, nämlich einen arbeitsvertraglich gebundenen und einen als freier Anwalt" (v. 07.11.1960, Az. AnwZ (B) 4/60). Bei aller berechtigten Kritik an der aktuellen Situation sollten die Befürworter einer möglichst weitgehenden Gleichstellung von Syndici und Anwälten die Nachteile und Risiken ihres Ansinnens aber nicht aus den Augen verlieren. Die Tätigkeit als Angestellter eines nichtanwaltlichen Unternehmens ist nach den Standardversicherungsbedingungen gemäß § 51 Bundesrechtsanwaltsordnung für die Berufshaftpflichtversicherung von Anwälten nicht gedeckt; auch über sogenannte D&O-Policen besteht für Compliance-Beauftragte und Hausjustitiare grundsätzlich kein Versicherungsschutz. Wenn eine Gleichstellung also auch in dieser Hinsicht gewollt ist, dann werden Syndici neben dem erwünschten Beschlagnahmeverbot und Zeugnisverweigerungsrecht bald noch die Bedeutung eines weiteren Begriffs kennenlernen, der bislang vor allem für Anwälte eine Rolle spielte: Die Privatinsolvenz infolge erfolgreicher Regressnahme durch den Arbeitgeber. Der Autor Dr. Alexander Weinbeer ist Rechtsanwalt bei bock legal in Frankfurt am Main.

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