Doppelbelastung Mandate und Promotion?
Eigentlich hatte Julia Wiemer mit dem Thema Promovieren bereits abgeschlossen. Nach ihrem Jurastudium an der Universität Greifswald, dem Referendariat am OLG in Düsseldorf und dem Einstieg in einer Großkanzlei dachte sie, die Zeit in der Uni-Bibliothek hinter sich gelassen zu haben. "Aber dann kam über einen Headhunter das Angebot, bei der Wirtschaftssozietät Kapellmann und Partner einzusteigen", berichtet die Anwältin. "Und hier lautete die Maxime: Wer es bis ganz nach oben schaffen will, braucht einen Doktortitel." Sie vereinbarte mit der Kanzlei, zunächst ein halbes Jahr in Vollzeit zu arbeiten und dann auf eine Drei-Tage-Woche zu reduzieren, um sich ihrer Dissertation zu widmen. "Ich hatte aus meiner Arbeit in der Großkanzlei bereits ein Kartellrechts-Thema im Kopf, das sich für eine Doktorarbeit eignen würde", sagt Julia Wiemer. Also fragte sie ihren ehemaligen Professor in Greifswald, ob er als Doktorvater auch Externe betreuen würde. Vier-, fünfmal haben sie sich in der Promotionszeit persönlich getroffen, ansonsten wurde viel telefoniert.
"Anfangs klappte es noch ganz gut, die Kanzleiarbeit mit der Recherche für meine Dissertation unter einen Hut zu bekommen", erinnert sich die einstige Doktorandin. "Aber als ich mit dem Schreiben begann, merkte ich, wie tief ich schon in der Mandatsarbeit steckte und dass Mandanten erwarteten, dass ich für sie erreichbar bin." Erst als sie die Kolleginnen und Kollegen im Team ansprach und diese sie bei der Mandatsarbeit noch mehr entlasteten, wurde es einfacher. Auch der Austausch mit anderen, die berufsbegleitend promovierten, half.
"Ohne in der Kanzlei zu arbeiten, wäre es vermutlich eine bessere Note geworden"
Nach zwei Jahren gab Wiemer ihre Doktorarbeit ab und arbeitete wieder Vollzeit. "Als ich dann das Feedback meines Doktorvaters erhielt und mich nochmal an die Arbeit begeben musste, musste ich mich sehr motivieren, um die Dissertation zu Ende zu bringen. Aber ich wollte es durchziehen, weil ich zu dem Zeitpunkt schon assoziierte Partnerin in der Kanzlei war und ja auch schon so viel Zeit in das Projekt investiert hatte. " Ohne die Unterstützung ihres Mannes hätte sie es nicht geschafft, ist Julia Wiemer überzeugt. Und: "Wenn ich mich voll auf die Doktorarbeit hätte konzentrieren können, ohne in der Kanzlei zu arbeiten, wäre es vermutlich eine bessere Note geworden. Aber ich brauchte auch die praktische Tätigkeit, um insgesamt motiviert und zufrieden zu bleiben."
Maximilian Schoone steckt derweil noch mittendrin in seiner Dissertation. Der 28-Jährige wusste schon früh in seinem Studium an der Universität Bayreuth, dass er promovieren wollte. Nach dem Referendariat in Bayreuth suchte er sich gezielt eine Kanzlei, die sein Vorhaben unterstützen würde. "Die meisten Kanzleien zeigten sich für die Idee, als zugelassener Anwalt zu arbeiten und gleichzeitig zu promovieren, nicht besonders aufgeschlossen", berichtet Schoone. Fündig wurde er bei Glade Michel Wirtz. Die Wirtschaftskanzlei setzt bei ihren Anwälten ebenfalls einen Doktortitel voraus und bietet entsprechende Arbeitsmodelle für promovierende Associates an. Maximilian Schoone arbeitet zwei Tage in der Woche als Anwalt, drei Tage schreibt er an seiner Doktorarbeit. "Da das Modell in der Kanzlei etabliert ist, achten meine Kolleginnen und Kollegen darauf, dass ich die Dissertation nicht vernachlässige und nur solche Mandate übernehme, die ich zeitlich flexibel bearbeiten kann", sagt der Promovend. Erfordert ein Mandat in einer Woche mal mehr als zwei Tage Aufmerksamkeit und möchte er es zunächst abschließen, kann Schoone etwaige Überstunden zum Beispiel in der Folgewoche flexibel abbauen.
"Gut mit seinem Arbeitgeber abstimmen"
"Um sich nicht zu verzetteln, ist es wichtig, sich gut zu organisieren und zu strukturieren", ist er überzeugt. Er notiert sich immer, wo er bei seinen jeweiligen Aufgaben aufgehört hat, um schneller wieder reinzukommen. "Das schult auch für die spätere Arbeit als Vollzeitanwalt, bei der man ja in der Regel auch mehrere Mandate parallel laufen hat." Er hält regen Kontakt zu seinem Doktorvater und ehemaligen Kommilitonen, die ebenfalls promovieren. Drei Kolleginnen in der Kanzlei gehen zudem mit ihm den gleichen Weg. Schoones Tipp für alle, die ebenfalls berufsbegleitend eine Dissertation schreiben wollen: "Man muss sich gut mit seinem Arbeitgeber abstimmen und einen Weg finden, der – wie in meinem Fall – für beide Seiten passt. Ansonsten passiert es schnell, dass die Anforderungen einer Kanzlei zu groß werden und man am Ende das Promotionsvorhaben abbricht."
Eine andere Möglichkeit, berufsbegleitend zu promovieren, ist die wissenschaftliche Mitarbeit in einer Kanzlei – entweder nach dem Referendariat oder davor. Marius Molzahn hat sich für Letzteres entschieden und arbeitet zwei Tage pro Woche bei der Kanzlei Orrick, Herrington & Sutcliffe. "Ich wollte den Praxisalltag kennenlernen und bin auch bereits in die Mandatsarbeit eingebunden", erzählt der Absolvent der Universität Düsseldorf. Er weiß es zu schätzen, dass die Kanzlei ihm Flexibilität gewährt, wenn er in einer Woche mal mehr Zeit für seine Doktorarbeit benötigt. "Außerdem können unsere wissenschaftlichen Mitarbeiter jederzeit unsere Räumlichkeiten und das technische Equipment der Kanzlei nutzen sowie unsere Bibliothek und den Zugang zu Online-Datenbanken", erklärt Partner Carsten Bernauer. Die Möglichkeit, als bereits zugelassener Anwalt zu promovieren, gebe es bei Orrick zwar, sie werde aber selten genutzt, so Bernauer weiter. "Manche Associates schließen ihre Promotion noch ab, wenn sie bereits voll arbeiten. Aber als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Teilzeit kann man sich nach meiner Erfahrung viel besser auf seine Promotion konzentrieren. " Ein Doktortitel ist in der Kanzlei allerdings kein Muss.
"Man sieht auch mal etwas anderes als nur sein Promotionsthema"
Marius Molzahn schätzt den fließenden Übergang in den Beruf und die Abwechslung, die sein Arbeitsmodell mit sich bringt. "Man sieht auch mal etwas anderes als nur sein Promotionsthema – das macht den Kopf frei. " Außerdem sei er mit seinem frühen Beginn auch gedanklich noch nah dran am wissenschaftlichen Arbeiten. "Je tiefer man in die Praxis eingestiegen ist, umso schwieriger ist es wahrscheinlich, sich noch einmal wissenschaftlich mit einem Thema zu beschäftigen", vermutet er.
Selbst wenn sein Weg aufwendiger war, würde auch Maximilian Schoone sich erneut für die Kombination aus Anwaltschaft und Promotion entscheiden. "Ich wollte direkt voll in das Team und die Mandatsarbeit eingebunden sein und praktische Erfahrungen sammeln. Dabei kann ich mich in beiden Richtungen weiterentwickeln." Julia Wiemer hingegen würde bei einem Promotionsvorhaben empfehlen, nach dem Referendariat erst einmal als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig zu werden und noch nicht so viel Kontakt zu Mandanten aufzubauen. "Das hat es bei mir so anstrengend gemacht. " Natürlich ist sie trotzdem froh, die Arbeit auf sich genommen zu haben. "Denn es hat mich beruflich einen großen Schritt weitergebracht, aber auch persönlich bin ich daran noch einmal gewachsen."
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2023 M02 9
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