Anwalt berät Fluggesellschaften

Flu­g­um­lei­tung, weil die marok­ka­ni­sche Kön­igs­fa­milie da war

Interview von Dr. Franziska KringLesedauer: 6 Minuten

Der Hamburger Anwalt Sascha Laib hat sich auf das Luftfahrtrecht spezialisiert. Im Interview erzählt er, wie viel technisches Know-how man braucht – und wieso der Besuch der marokkanischen Königsfamilie den Flughafen Rabat lahmgelegt hat.

LTO: Herr Laib, Sie kommen aus Kiel, sind in Husum direkt an der Nordsee aufgewachsen, haben sich aber auf das Luftfahrtrecht spezialisiert – wie kam denn das? 

Sascha Laib: Das Seerecht wäre tatsächlich naheliegender gewesen. In Husum gibt es auch weit und breit keinen Flughafen, nur Flugplätze der Bundeswehr. An der Universität Hamburg, wo ich studiert habe, kann man sogar einen Schwerpunkt im "Maritimen Wirtschaftsrecht" absolvieren und in Hamburg sitzt ja auch der Internationale Seegerichtshof.

Hamburg ist aber auch ein großer Luftfahrtstandort: Wir haben den Helmut-Schmidt-Flughafen und Unternehmen wie Lufthansa Technik und Airbus hier. Schon als Kind habe ich mich fürs Fliegen begeistert, im Luftfahrtrecht bin ich dann aber zufällig gelandet. Im Studium kommt man damit eher weniger in Berührung. Nach dem Referendariat habe ich mich dann nach spannenden Kanzleien in Hamburg umgeschaut. Ich habe gesehen, dass mein jetziger Arbeitgeber u.a. im Luftfahrtrecht einen Tätigkeitschwerpunkt hat – und das fand ich spannend.

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"Im Kern geht es immer um Haftungsfragen"

Was gehört alles zum Luftfahrtrecht?

Das Luftfahrtrecht, mitunter auch als Luftverkehrsrecht bezeichnet, kann man grundsätzlich in das öffentliche und das private Luftfahrtrecht unterteilen. Im öffentlichen Luftfahrtrecht geht es etwa um die Zulassung von Flugzeugen und Fluggesellschaften, den Betrieb von Luftfahrzeugen und die Durchführung des Luftverkehrs. Hier gibt es viele völkerrechtliche Abkommen, internationale Vorschriften und bilaterale Verträge zwischen den Staaten. Auch in Deutschland haben wir viele nationale Gesetze wie etwa das Luftsicherheitsgesetz, da geht es um klassische Gefahrenabwehr. 

Im privaten Luftfahrtrecht geht es hingegen um Haftungsfragen. Etwa um die Haftung für Schäden, die während des Fluges an Personen, Gepäck oder Fracht entstehen oder um die Haftung für annullierte oder verspätete Flüge. Maßgeblich sind dabei vor allem das Montrealer Übereinkommen und die Fluggastrechte-Verordnung. Es gibt in der Luftfahrt aber auch viele Berührungspunkte mit anderen Rechtsgebieten.

Zum Beispiel?

Insbesondere mit dem Datenschutzrecht, denn Fluggesellschaften hantieren ja auch mit personenbezogenen Daten der Passagiere. Hinzu kommt das Verwaltungsrecht, da die Luftfahrt ein stark regulierter Bereich ist. Auch das Wettbewerbs- und Kartellrecht spielen immer wieder eine Rolle – denken wir nur an die staatlichen Beihilfen einiger Fluggesellschaften während der Corona-Pandemie. Und nicht zuletzt gehört natürlich auch das klassische Zivilrecht dazu, etwa im Rahmen von Transaktionen wie dem Kauf oder Verkauf von Flugzeugen.

"Der Listenpreis für einen A320 liegt bei mindestens 80 Millionen Euro"

Über welche Summen sprechen wir da?

Der Listenpreis für einen Airbus A320 kann schon mal zwischen 80 und 120 Millionen Euro liegen, je nach Ausstattung, Bestellvolumen und Verhandlungen. Flugzeuge werden deshalb nicht immer neu gekauft, sondern auch gebraucht oder geleast.

Mit welchen typischen Fragen aus dem Luftfahrtrecht kommen Ihre Mandanten zu Ihnen?

Wir sind vor allem für Fluggesellschaften tätig. In der Praxis stehen häufig Haftungsfragen bei Flugstörungen, wettbewerbsrechtliche Überprüfungen und die Beratung bei der Vertragsgestaltung, wie etwa Leasingvereinbarungen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen, im Fokus. Auch die Vertretung vor Gerichten und Behörden, insbesondere vor dem Luftfahrtbundesamt, gehört zu unseren Kernaufgaben. Gleichzeitig tauchen auch arbeitsrechtliche Fragestellungen auf, beispielsweise wenn eine ausländische Airline eine neue Base in Deutschland eröffnet. Unsere Betreuung endet jedoch nicht an den Landesgrenzen – wir haben auch in österreichischen Gerichtsverfahren unsere Fluggesellschaften schon beraten und vertreten. Darüber hinaus unterstützen wir Fluggesellschaften mit Inhouse-Schulungen zum Luftfahrtrecht und bieten regelmäßig Webinare an. 

Im Jahr 2023 beförderte die Luftfahrt allein in Deutschland rund 185,6 Millionen Passagiere – die Arbeit dürfte Ihnen nicht ausgehen.

Ja.Tatsächlich gibt es viele Verfahren, in denen es um Fluggastrechte geht. Häufig klagen dann auch nicht die Passagiere selbst, sondern große Fluggastportale. Deswegen bin ich auch häufiger vor Gericht. Die Beweisaufnahmen sind mitunter spannend, etwa wenn Piloten als Zeugen zu bestimmten Flugstörungen aussagen müssen, beispielsweise wenn eine Maschine wegen eines Gewitters, schlechter Sicht oder starkem Sturm umgeleitet wurde. Die Piloten müssen dann dem Gericht erklären, warum ein Flugzeug nicht landen konnte, welche technischen und sicherheitsrelevanten Aspekte dabei eine Rolle spielten. Auch die Gerichte sind dann oft neugierig, wie das technisch alles genau funktioniert.

"In Marokko wurde ein Flug umgeleitet, weil die Königsfamilie da war"

Welcher Fall ist Ihnen am meisten in Erinnerung geblieben?

Vor ein paar Jahren hatten wir mal einen Fall, in dem eine Maschine aus Deutschland auf dem Weg nach Rabat, Marokko, war, dann aber kurzfristig in das über 100 Kilometer entfernte Casablanca umgeleitet wurde. Das lag daran, dass Mitglieder der Königsfamilie spontan in Rabat waren - und deshalb wurde der Flughafen gesperrt. Ein Fluggast bzw. ein Fluggastportal verlangte für die Beförderungsverspätung eine Entschädigung nach der Fluggastrechteverordnung.

Wie hat das Gericht entschieden?

Das Gericht hat nach meiner Erinnerung keine Entschädigung zugesprochen. Grundsätzlich kann sich eine Fluggesellschaft exkulpieren, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, also bei einem Ereignis, das nicht beherrschbar ist. Und das war hier der Fall: Die Piloten wollten landen, bekamen aber keine Erlaubnis von der dortigen Flugsicherung. In der Beweisaufnahme hatte sich herausgestellt, dass aus dem zivilen Flughafen ein militärischer Flughafen wird, wenn die Königsfamilie dort unterwegs ist. Der Flughafen ist dann also gesperrt - und zwar kurzfristig, weil aus Sicherheitsgründen ja niemand mit Vorlauf wissen soll, dass "Hoher Besuch" vor Ort ist. In solchen Fällen liegt die Verantwortung dann außerhalb des Einflussbereichs der Fluggesellschaft.

"Gerichtsverfahren landen relativ schnell auf höchster Ebene"

Was macht Ihnen denn – abgesehen von solchen spannenden Fällen – am meisten Spaß an Ihrem Job?

Ich mag die Vielseitigkeit und die Abwechslung zwischen Büroleben und Reisetätigkeit. Wir haben bundesweit Gerichtstermine, tauschen uns aber auch mit internationalen Kollegen aus und besuchen Fachveranstaltungen im Ausland. 

Ich finde es auch spannend, dass Gerichtsverfahren in diesen Bereichen nicht selten auf höchstrichterlicher Ebene landen. Wir hatten in den vergangenen Jahren schon mehrfach Verfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH) und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), wenn den Fällen also eine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Auch das erste BGH-Leitentscheidungsverfahren zum Scraping-Komplex beobachten wir gespannt. Ich kann mir gut vorstellen, dass der BGH das neue Verfahren auch im Luftfahrtrecht nutzen wird, um Fälle an sich zu ziehen und Präzedenzentscheidungen zu schaffen. Außerdem finde ich auch das Zusammenspiel aus Jura und Technik sehr spannend.

Wie viel technisches Know-how braucht ein Anwalt im Luftfahrtrecht?

Ich bin Volljurist und kein Ingenieur – aber eine Affinität für Technik sollte man schon haben. Man muss kein Flugzeug fliegen können, aber sollte schon in Grundzügen wissen, wie das technisch funktioniert. Ich habe noch nie ein Flugzeug selbst gesteuert, werde aber demnächst dazu in Hamburg mit einer Boeing 737 die Gelegenheit haben – wenn auch nur in einem Flugsimulator auf dem Flughafengelände. Wir haben uns aber auch schon einmal externe Expertise in die Kanzleiräume geholt: Wir haben einen ehemaligen Verkehrspiloten einer großen Fluggesellschaft zu uns eingeladen, mit dem wir verschiedene technische Dinge diskutiert haben.

"Man braucht unbedingt gute Englischkenntnisse"

Was sollte man sonst noch mitbringen, wenn man sich auf das Luftfahrtrecht spezialisieren möchte?

Auf jeden Fall gute Englischkenntnisse, die Dokumente sind in der Regel englischsprachig und man kommuniziert auch häufig auf Englisch. Man sollte auch ein Interesse an wirtschaftlichen Zusammenhängen haben, denn am Ende geht es häufig um finanzielle Aspekte. Und man sollte offen und neugierig sein, insbesondere für Trends und Entwicklungen – aber das gilt wohl für alle Rechtsgebiete. 

Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Fliegen Sie auch selbst gern in den Urlaub? 

Ja, tatsächlich bin ich schon immer gerne gereist. Gerne auch weit weg, z.B. nach Mexiko oder Thailand. Die Fernreisen habe ich mittlerweile aber etwas zurückgefahren, seitdem ich Vater bin –einen Langstreckenflug wollen wir unserer Tochter noch nicht zumuten. Aber das ist kein Problem, weil es auch in Deutschland und Europa viele schöne und interessante Orte gibt.

Sascha Laib arbeitet seit 2019 als Rechtsanwalt bei der Hamburger Wirtschaftskanzlei Stenger Rechtsanwälte und hat seinen Tätigkeitsschwerpunkt dort im Luftfahrtrecht. Seit 2024 ist er Leiter des Fachausschusses “Luftfahrtrecht” bei der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt.

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