"Unterhändler im rechtlichen Bereich"
LTO: Herr Petersen, der Verein, für den Sie zehn Jahre als Spieler aktiv waren und seit 2017 Justiziar tätig sind, ist als erster Club Schleswig-Holsteins in die Bundesliga aufgestiegen. Am Samstag steht die Erstliga-Premiere in Hoffenheim an. Reiben Sie sich immer noch die Augen, dass Ihre "Störche" jetzt so weit oben in Deutschlands Fußball-Himmel fliegen?
Heiko Petersen: Dass wir jetzt in der Bundesliga spielen, ist wirklich noch etwas surreal. Als ich 1997 als Jugendspieler nach Kiel gekommen bin, hatte der Verein noch ganz andere Strukturen. Damals ist Kiel als Meister der Oberliga Nord in die Regionalliga aufgestiegen. Niemand hätte zu träumen gewagt, dass Kiel jemals in der zweiten, geschweige denn in der ersten Bundesliga spielen wird.
Der Aufstieg in die zweite Liga im Jahr 2017 war schon ein unfassbarer Erfolg für diesen Verein mit dieser Größe und Struktur. Dass wir jetzt tatsächlich in der ersten Liga spielen, habe ich erst so richtig realisiert, als der Spielplan rauskam. Plötzlich stehen da Namen wie Bayern, Dortmund oder TSG Hoffenheim, für die ich selbst einmal die Schuhe geschnürt habe – insofern für mich persönlich auch ein ganz besonderes Spiel.
Ist denn das Holstein-Stadion für Gegner wie Bayern oder Dortmund überhaupt ausgelegt?
Zumindest erfüllen wir grundsätzlich die Anforderungen der DFL. In unser Stadion passen 15.034 Fans/Menschen – also 34 über der Mindestkapazität. Die jetzige Infrastruktur hat sich überwiegend nach und nach entwickelt, so haben wir etwa eine provisorische Stahlrohrtribüne für 7.000 Zuschauer. Jetzt plant die Stadt Kiel am gleichen Standort ein richtiges Stadion für bis zu 25.000 Zuschauer. Der Umbau wird wohl aber schrittweise passieren, denn die Heimspiele müssen weiterhin dort stattfinden. In Schleswig-Holstein gibt es sonst kein erst- oder zweitligafähiges Stadion. Und die Heimspiele in Hamburg, Hannover oder Bremen auszutragen, wäre auch nicht in unserem Sinne.
"In der Transferperiode liege ich nicht am Strand"
Bei Holstein Kiel arbeiten Sie als "Jurist und Vorstandsreferent". Welche Aufgaben haben Sie?
Als Vorstandsreferent unterstütze ich den Vorstand und übernehme einige Managementaufgaben. Das ist bei einem kleinen Verein wie Holstein Kiel so üblich. Aber hauptsächlich arbeite ich juristisch. Im Grunde erfülle ich die klassischen Aufgaben eines Justiziars, eben nur unter den Besonderheiten eines Sportclubs im Profibereich. Gemeinsam mit unserem Präsidenten Steffen Schneekloth, der auch Jurist ist, habe ich die Rechtsabteilung seit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga 2017 aufgebaut.
Ich erstelle zum Beispiel die Transfer-, Spieler- und Vermittlerverträge bei unseren Neuverpflichtungen und bearbeite im Allgemeinen alle rechtlichen Fragen unseres Vereins, vor allem dabei im Arbeits-, Vertrags- und Verbandsrecht. Das Verbandsrecht enthält u.a. weitreichende Regelungen für die Transfers und den Status von Spielern und den gesamten Spielbetrieb. Zum Beispiel ging es mal darum, ob ein Spieler sofort spielberechtigt oder gesperrt ist, der im letzten Spiel in der zweiten Mannschaft seines alten Vereins eine Gelb-rote Karte kassiert hat. Der Spielbetrieb im Rahmen der Statuten der zuständigen Verbände unserer Mannschaften wirft ständig Rechtsfragen auf, die es dann zügig zu klären gilt.
Was macht ein Bundesliga-Justiziar in der Sommerpause?
In dieser Zeit liegt mein Hauptaugenmerk auf der Abwicklung der Spielertransfers. Wenn unsere sportliche Leitung einen Spieler in den Fokus genommen hat, steige ich ein: Von der ersten formalen Kontaktaufnahme zum Spieler bzw. dessen Berater bis zur Finalisierung der Spielberechtigung bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL). Ich bin in der Umsetzung der Verträge dabei quasi "Unterhändler im rechtlichen Bereich".
In dieser Transferperiode haben wir mit Magnus Knudsen und Armin Gigovic zwei – für Holstein Kiel – besondere internationale Transfers umgesetzt. Beide kommen vom russischen Verein FK Rostov, so dass zunächst die FIFA-Statuten Anwendung fanden. Wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine gibt es zum Beispiel eine Sonderregelung der FIFA, die wir zu beachten hatten, nach der ausländische Spieler, die bei Vereinen in der Ukraine oder in Russland unter Vertrag stehen, diesen einseitig aussetzen dürfen. Am Ende ist aber jeder Transfer eine spannende sportrechtliche Herausforderung.
Das bedeutet also auch viel Arbeit für die Rechtsabteilung. Gilt für Sie im Sommer eigentlich eine Urlaubssperre?
Mir gegenüber wurde nie formal eine Urlaubssperre ausgesprochen, aber für mich ist es selbstverständlich, dass derjenige, der die ganzen Transfers umsetzt, in der Transferphase nicht am Strand liegt. Mein Urlaub beginnt daher immer mit Ende der Transferperiode, das heißt Anfang September.
"Nur Prozessvertretung und Datenschutz erledigt eine externe Kanzlei"
Das klingt nach Ein-Mann-Rechtsabteilung.
Tatsächlich war ich lange Zeit im operativen Tagesgeschäft allein. Nicht unüblich, nicht jeder Proficlub in Deutschland verfügt über eine Inhouse-Rechtsabteilung. Zum 1. Juli 2024 aber haben wir mit Blick auf die gestiegenen Anforderungen eine weitere Juristin eingestellt. Nach ihrer Einarbeitung werde ich mich aus dem operativen Tagesgeschäft etwas zurückziehen und andere Aufgaben als Vorstandsreferent im Verein übernehmen.
Bei bestimmten juristischen Sachverhalten arbeiten Bundesligavereine mit auswärtigen Kanzleien zusammen. Was geben Sie ab?
Wir machen tatsächlich alles weitgehend selbst, soweit möglich. Eine Ausnahme ist allerdings die Prozessvertretung, beispielsweise bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten. Das erledigt dann eine externe Kanzlei. Auch den Datenschutz haben wir ausgelagert. Im Übrigen prüfen wir im Einzelfall, ob die punktuelle Beauftragung einer Kanzlei zweckmäßig erscheint.
Bringt der Aufstieg in die Erste Liga Mehrarbeit mit sich?
Die Anforderungen und Aufgaben jetzt bei Zugehörigkeit zur Bundesliga haben im ganzen Verein spürbar zugenommen. Bei der Vertragsgestaltung – wie etwa im Sponsoring – bemühen wir uns nach Möglichkeit und Konstellation, den Geltungsbereich bei Verträgen über eine Saison hinaus ligaübergreifend zu erstrecken mit jeweils angepassten Leistungsparametern.
Aber klar: Der Wechsel in Liga 1 bringt schon einige Änderungen mit sich. Das beginnt schon damit, dass wir ligaspezifische neue Auflagen für den Spielbetrieb erfüllen müssen. Alles muss eine Nummer größer sein, zum Beispiel müssen wir im medien-infrastrukturellen Bereich für einen größeren Pressebereich oder auch für mehr Kameraplätze sorgen. Bei einigen dieser Auflagen stellen sich neben baulichen auch rechtliche Fragen.
"Ein Jurastudium macht man nicht nebenbei"
Sie waren ja viele Jahre Profi-Fußballer. Wann haben Sie sich dazu entschieden, Rechtswissenschaft zu studieren?
Schon bevor ich Fußballprofi geworden bin, stand für mich fest, dass ich Jura studiere, wenn ich mich im Profifußball nicht dauerhaft durchsetzen kann. Die Entscheidung kam dann im Jahr 2005 nach meinem Jahr in Hoffenheim, damals noch in der dritten Liga. Die Saison lief nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte, deshalb habe ich dann mit Mitte 20 beschlossen, mit dem Jurastudium anzufangen. Ich bin dann nach Kiel zurückgegangen, um zu studieren und "nebenbei" bei Holstein Kiel zu spielen. Aus diesem "nebenbei" wurde aber ganz schnell wieder "hauptberuflich".
Wie haben Sie Studium und Fußballkarriere unter einen Hut gebracht?
Ich habe beides eine Weile parallel gemacht, was dazu geführt hat, dass meine Uni-Zeit ein paar Semester länger als die Regelstudienzeit dauerte. Ein Jurastudium macht man eben nicht nebenbei, das habe ich dann festgestellt. Je länger es dauerte, desto mehr verspürte ich für mich dann den Druck, Fußball sein zu lassen und das Examen zu machen. Deshalb habe ich eineinhalb Jahre vor meinem ersten Examen – mit 31 Jahren, also relativ früh als Fußballspieler– die Schuhe an den Nagel gehängt.
"Schon während des Studiums war ich ehrenamtlicher Sportrichter"
Ihr Job ist für viele fußballbegeisterte Juristen der Traumjob. Welche Tipps haben Sie, um am Ende als Jurist bei einem Bundesligaverein zu landen?
Ein Patentrezept gibt es dafür wohl nicht. Mir hat es sicherlich zunächst geholfen, selbst Fußball gespielt zu haben, weil man dann ein Gefühl für den Sport, für Vereine und für das Verbandsleben hat. Ich hatte schon während des Studiums das Ziel, später im Sportrecht zu arbeiten. Schon damals habe ich deshalb angefangen, mich beim Schleswig-Holsteinischen Fußballverband (SHFV) ehrenamtlich als Sportrichter zu engagieren.
Die Sportgerichte sind keine staatlichen Gerichte, sondern Rechtsorgane der Verbände, die Satzungen und Ordnungen der Verbände durchsetzen. Und über solche Verbandstätigkeiten knüpft man dann Kontakte und kann sich ein Netzwerk aufbauen. Nicht zuletzt hat mich auch meine Tätigkeit am Institut für Sportrecht an der Deutschen Sporthochschule Köln unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Nolte gut auf meinen Job bei Holstein Kiel vorbereitet.
Sie sprachen Ihre ehrenamtliche Aktivität an: Sie sind bei verschiedenen Verbänden tätig, unter anderem als Beisitzer des DFB-Sportgerichts und Vorsitzender des Verbandsgerichts des Norddeutschen Fußball-Verbandes. Was machen Sie da und wie viel Zeit nimmt das Rechtsprechen in Anspruch?
Die Sportgerichtsbarkeit ist – ganz allgemein gesagt – zuständig für die Durchsetzung der aus Art. 9 GG abgeleiteten Befugnis der Vereine / Verbände, sich eigene verbandsautonome Regeln zu setzen.
Das DFB-Sportgericht ist dabei die erste Instanz im Rahmen der vom DFB betriebenen Ligen, das Verbandsgericht des NFV in seinem Zuständigkeitsbereich die zweite, also die Berufungsinstanz.
Unter anderem entscheiden wir über Spielersperren, überprüfen die Zulassungsvoraussetzungen für die jeweilige Liga beim Auf- oder Abstieg im Rahmen von Verwaltungsentscheidungen im Verband oder legen die Sanktionen fest in Fällen unsportlichen Verhaltens von Anhängern eines Vereins, z.B. beim Einsatz von Pyrotechnik.
Zeitlich lässt sich das – gerade noch – gut bewältigen: Etwa alle drei Wochen kommt ein Verfahren rein. Ich mache das dann in meiner Freizeit, also nach Feierabend oder am Wochenende.
Am Ende bitte noch eine Prognose: Wie realistisch ist der Klassenerhalt für Holstein Kiel?
Wir in Kiel sind realistisch genug, um zu wissen, dass der Klassenerhalt schwierig wird. Aber von der Qualität, der Zusammensetzung und der Spielidee der Mannschaft her bin ich davon überzeugt, es schaffen zu können. Das wäre ein großer Erfolg für Mannschaft, Fans und Verein. Ich hoffe, dass wir unser kleines Holstein-Stadion ein ums andere Mal in einen Hexenkessel verwandeln und ausreichend viele Punkte in Kiel behalten können.
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für die Saison!
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2024 M08 24
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